Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873pwa_350.001 pwa_350.025 pwa_350.039 pwa_350.001 pwa_350.025 pwa_350.039 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0368" n="350"/><lb n="pwa_350.001"/> es ist vielmehr Gesetz, dass <hi rendition="#i">oder</hi> und <hi rendition="#i">noch</hi> bei jedem <lb n="pwa_350.002"/> neuen Gliede einer längeren Reihe von Verbindungen auch aufs neue <lb n="pwa_350.003"/> wiederholt werden. Somit bliebe nur noch von <hi rendition="#i">und</hi> zu reden. In <lb n="pwa_350.004"/> einer längeren Reihe von Verbindungen wird <hi rendition="#i">und</hi> nur zwischen den <lb n="pwa_350.005"/> zwei letzten Gliedern gesetzt; es kann aber auch hier weggelassen <lb n="pwa_350.006"/> werden. Indessen fällt <hi rendition="#i">und</hi> nur fort unter Bedingungen und zu <lb n="pwa_350.007"/> Zwecken, die der Prosa fremd sind, die lediglich der Poesie und <lb n="pwa_350.008"/> dem rednerischen Stil angehören, nur zu Zwecken der Anschaulichkeit <lb n="pwa_350.009"/> und aus Motiven der Leidenschaftlichkeit. Es gilt also für die Prosa <lb n="pwa_350.010"/> die Regel, dass sie wohl der uneigentlichen Bindewörter entbehren <lb n="pwa_350.011"/> könne, weil sie eben als uneigentliche entbehrlich sind, nicht aber <lb n="pwa_350.012"/> die eigentlichen, die grade das Bedürfniss der Verständlichkeit und <lb n="pwa_350.013"/> Deutlichkeit schon zu den ältesten Zeiten in die Sprache eingeführt <lb n="pwa_350.014"/> hat. Das <hi rendition="#i">Asyndeton,</hi> denn so nennt man die Weglassung des Bindewortes, <lb n="pwa_350.015"/> fällt daher nur der Poesie und der Rede zu. Das gleiche <lb n="pwa_350.016"/> gilt vom Gegentheil, von der Anhäufung des Bindewortes <hi rendition="#i">und,</hi> dem <lb n="pwa_350.017"/> <hi rendition="#i">Polysyndeton.</hi> Man bedient sich desselben nur um der lebendigsten <lb n="pwa_350.018"/> sinnlichen Anschaulichkeit willen, einer so lebendigen, wie selbst in <lb n="pwa_350.019"/> der erzählenden Prosa nicht am Platze ist, geschweige denn in der <lb n="pwa_350.020"/> didactischen. Wir werden also auch vom Polysyndeton wie vom <lb n="pwa_350.021"/> Asyndeton, erst später zu reden haben. Es war aber hier bereits <lb n="pwa_350.022"/> darauf hinzudeuten, da grade dieses Puncte sind, an denen gar zu <lb n="pwa_350.023"/> gern und zu leicht die abhandelnde Prosa sich in die rednerische, <lb n="pwa_350.024"/> und die erzählende sich in die poetische Darstellung verirrt.</p> <p><lb n="pwa_350.025"/> Das erste Hauptmittel, um die prosaische Ueberschaulichkeit zu <lb n="pwa_350.026"/> gewinnen, war die Hervorhebung: daran reiht sich als zweites das <lb n="pwa_350.027"/> <hi rendition="#i">Ebenmass.</hi> Wo keine Hervorhebung bezweckt wird und bezweckt werden <lb n="pwa_350.028"/> darf, ist dann auch danach zu streben, dass Alles in der Periode <lb n="pwa_350.029"/> geordnet und regelrecht zugehe, dass sich kein Glied irgendwie vordränge, <lb n="pwa_350.030"/> dass Alles an seinem gebührenden Orte stehe, dass sich Wort <lb n="pwa_350.031"/> auf Wort und Glied auf Glied angemessen beziehe, dass ein gegenseitiges <lb n="pwa_350.032"/> Anpassen und Anschliessen stattfinde, dass sich die Mannigfaltigkeit der <lb n="pwa_350.033"/> Begriffe und Gedanken zu einem harmonischen Ganzen vereinige, kurz, <lb n="pwa_350.034"/> dass in allen Stücken ein Ebenmass gehalten werde. Wir können die <lb n="pwa_350.035"/> verschiedenen Anforderungen, die sich in dieser Beziehung aufstellen <lb n="pwa_350.036"/> lassen, wieder unter die drei Gesichtspuncte vertheilen, von denen wir <lb n="pwa_350.037"/> die Hervorhebung betrachtet haben: Ebenmass in der Form der einzelnen <lb n="pwa_350.038"/> Satzglieder, in der Stellung und in der Verknüpfung.</p> <p><lb n="pwa_350.039"/> a) Für das Ebenmass in der <hi rendition="#i">Form</hi> gilt die allgemeine Regel: Sätze, <lb n="pwa_350.040"/> die ihrem Inhalte nach gleiche Würde haben, sucht man auch in der <lb n="pwa_350.041"/> grammatischen Form so gleich als möglich zu gestalten. Bei Hauptsätzen </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [350/0368]
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es ist vielmehr Gesetz, dass oder und noch bei jedem pwa_350.002
neuen Gliede einer längeren Reihe von Verbindungen auch aufs neue pwa_350.003
wiederholt werden. Somit bliebe nur noch von und zu reden. In pwa_350.004
einer längeren Reihe von Verbindungen wird und nur zwischen den pwa_350.005
zwei letzten Gliedern gesetzt; es kann aber auch hier weggelassen pwa_350.006
werden. Indessen fällt und nur fort unter Bedingungen und zu pwa_350.007
Zwecken, die der Prosa fremd sind, die lediglich der Poesie und pwa_350.008
dem rednerischen Stil angehören, nur zu Zwecken der Anschaulichkeit pwa_350.009
und aus Motiven der Leidenschaftlichkeit. Es gilt also für die Prosa pwa_350.010
die Regel, dass sie wohl der uneigentlichen Bindewörter entbehren pwa_350.011
könne, weil sie eben als uneigentliche entbehrlich sind, nicht aber pwa_350.012
die eigentlichen, die grade das Bedürfniss der Verständlichkeit und pwa_350.013
Deutlichkeit schon zu den ältesten Zeiten in die Sprache eingeführt pwa_350.014
hat. Das Asyndeton, denn so nennt man die Weglassung des Bindewortes, pwa_350.015
fällt daher nur der Poesie und der Rede zu. Das gleiche pwa_350.016
gilt vom Gegentheil, von der Anhäufung des Bindewortes und, dem pwa_350.017
Polysyndeton. Man bedient sich desselben nur um der lebendigsten pwa_350.018
sinnlichen Anschaulichkeit willen, einer so lebendigen, wie selbst in pwa_350.019
der erzählenden Prosa nicht am Platze ist, geschweige denn in der pwa_350.020
didactischen. Wir werden also auch vom Polysyndeton wie vom pwa_350.021
Asyndeton, erst später zu reden haben. Es war aber hier bereits pwa_350.022
darauf hinzudeuten, da grade dieses Puncte sind, an denen gar zu pwa_350.023
gern und zu leicht die abhandelnde Prosa sich in die rednerische, pwa_350.024
und die erzählende sich in die poetische Darstellung verirrt.
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Das erste Hauptmittel, um die prosaische Ueberschaulichkeit zu pwa_350.026
gewinnen, war die Hervorhebung: daran reiht sich als zweites das pwa_350.027
Ebenmass. Wo keine Hervorhebung bezweckt wird und bezweckt werden pwa_350.028
darf, ist dann auch danach zu streben, dass Alles in der Periode pwa_350.029
geordnet und regelrecht zugehe, dass sich kein Glied irgendwie vordränge, pwa_350.030
dass Alles an seinem gebührenden Orte stehe, dass sich Wort pwa_350.031
auf Wort und Glied auf Glied angemessen beziehe, dass ein gegenseitiges pwa_350.032
Anpassen und Anschliessen stattfinde, dass sich die Mannigfaltigkeit der pwa_350.033
Begriffe und Gedanken zu einem harmonischen Ganzen vereinige, kurz, pwa_350.034
dass in allen Stücken ein Ebenmass gehalten werde. Wir können die pwa_350.035
verschiedenen Anforderungen, die sich in dieser Beziehung aufstellen pwa_350.036
lassen, wieder unter die drei Gesichtspuncte vertheilen, von denen wir pwa_350.037
die Hervorhebung betrachtet haben: Ebenmass in der Form der einzelnen pwa_350.038
Satzglieder, in der Stellung und in der Verknüpfung.
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a) Für das Ebenmass in der Form gilt die allgemeine Regel: Sätze, pwa_350.040
die ihrem Inhalte nach gleiche Würde haben, sucht man auch in der pwa_350.041
grammatischen Form so gleich als möglich zu gestalten. Bei Hauptsätzen
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