Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.erkannt und belohnt zu werden, bildet sie das Unschöne Im gegenwärtigen Leben entspricht die Bildhauer¬ erkannt und belohnt zu werden, bildet ſie das Unſchöne Im gegenwärtigen Leben entſpricht die Bildhauer¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0184" n="168"/> erkannt und belohnt zu werden, bildet ſie das Unſchöne<lb/> nach, um <hi rendition="#g">wahr</hi>, d. h. nach <hi rendition="#g">unſren</hi> Begriffen wahr, zu<lb/> ſein, giebt ſie es vollends gar auf, <hi rendition="#g">ſchön</hi> zu ſein. So ge¬<lb/> räth die Bildhauerkunſt unter dem Beſtehen derſelben Be¬<lb/> dingungen, die ſie am künſtlichen Leben erhalten, in den<lb/> unſeligen, unfruchtbaren oder Unſchönes zeugenden Zuſtand,<lb/> aus dem ſie ſich nothwendig nach Erlöſung ſehnen muß:<lb/> die Lebensbedingungen, in die ſie ſich erlöſt wünſcht, ſind<lb/> jedoch genau genommen die Bedingungen desjenigen Lebens,<lb/> dem gegenüber die Bildhauerkunſt als ſelbſtſtändige Kunſt<lb/> geradeswegs aufhören muß. Um ſchöpferiſch werden zu<lb/> können, ſehnt ſie ſich nach der Herrſchaft der Schönheit im<lb/> wirklichen Leben, aus dem ſie einzig lebendigen Stoff zur<lb/> Erfindung zu gewinnen verhofft: dieſe Sehnſucht müßte<lb/> aber, ſobald ſie erfüllt iſt, die ihm innwohnende egoiſtiſche<lb/> Täuſchung in ſo weit offenbaren, als die Bedingungen zum<lb/><hi rendition="#g">nothwendigen</hi> Schaffen der Bildhauerkunſt im <hi rendition="#g">wirklich<lb/> leiblich ſchönen Leben</hi> jedenfalls aufgehoben ſein<lb/> würden.</p><lb/> <p>Im gegenwärtigen Leben entſpricht die Bildhauer¬<lb/> kunſt, als ſelbſtſtändige Kunſt, eben nur einem relativen<lb/> Bedürfniſſe: dieſem verdankt ſie aber in Wirklichkeit ihr<lb/> heutiges Daſein, ja ihre Blüthe; der andere, dem modernen<lb/> entgegengeſetzte Zuſtand iſt aber der, in welchem ein noth¬<lb/> wendiges Bedürfniß nach den Werken der Bildhauerkunſt<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0184]
erkannt und belohnt zu werden, bildet ſie das Unſchöne
nach, um wahr, d. h. nach unſren Begriffen wahr, zu
ſein, giebt ſie es vollends gar auf, ſchön zu ſein. So ge¬
räth die Bildhauerkunſt unter dem Beſtehen derſelben Be¬
dingungen, die ſie am künſtlichen Leben erhalten, in den
unſeligen, unfruchtbaren oder Unſchönes zeugenden Zuſtand,
aus dem ſie ſich nothwendig nach Erlöſung ſehnen muß:
die Lebensbedingungen, in die ſie ſich erlöſt wünſcht, ſind
jedoch genau genommen die Bedingungen desjenigen Lebens,
dem gegenüber die Bildhauerkunſt als ſelbſtſtändige Kunſt
geradeswegs aufhören muß. Um ſchöpferiſch werden zu
können, ſehnt ſie ſich nach der Herrſchaft der Schönheit im
wirklichen Leben, aus dem ſie einzig lebendigen Stoff zur
Erfindung zu gewinnen verhofft: dieſe Sehnſucht müßte
aber, ſobald ſie erfüllt iſt, die ihm innwohnende egoiſtiſche
Täuſchung in ſo weit offenbaren, als die Bedingungen zum
nothwendigen Schaffen der Bildhauerkunſt im wirklich
leiblich ſchönen Leben jedenfalls aufgehoben ſein
würden.
Im gegenwärtigen Leben entſpricht die Bildhauer¬
kunſt, als ſelbſtſtändige Kunſt, eben nur einem relativen
Bedürfniſſe: dieſem verdankt ſie aber in Wirklichkeit ihr
heutiges Daſein, ja ihre Blüthe; der andere, dem modernen
entgegengeſetzte Zuſtand iſt aber der, in welchem ein noth¬
wendiges Bedürfniß nach den Werken der Bildhauerkunſt
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