Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.hellen farbigen Gestaltungen der Malerkunst die wunder¬ So feierte das griechische Kunstwerk in der Malerei seine 8*
hellen farbigen Geſtaltungen der Malerkunſt die wunder¬ So feierte das griechiſche Kunſtwerk in der Malerei ſeine 8*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0187" n="171"/> hellen farbigen Geſtaltungen der Malerkunſt die wunder¬<lb/> vollen, bedeutungsreichen Scenen für das Auge feſtzuhalten<lb/> ſuchte, die zu unmittelbaren lebenswarmen Eindrucke ſich<lb/> nicht mehr darboten.</p><lb/> <p>So feierte das griechiſche Kunſtwerk in der Malerei ſeine<lb/> Nachblüthe. Dieſe Blüthe war nicht mehr jene dem reichſten<lb/> Leben unwillkürlich und naturnothwendig entſprießende, ihre<lb/> Nothwendigkeit war vielmehr eine <hi rendition="#g">Kultur</hi>nothwendigkeit;<lb/> ſie ging aus einem bewußten, willkürlichen Drange hervor,<lb/> nämlich dem <hi rendition="#g">Wiſſen</hi> von der Schönheit der Kunſt, und<lb/> dem <hi rendition="#g">Willen</hi>, dieſe Schönheit gleichſam zum Verweilen<lb/> in einem Leben zu zwingen, dem ſie unbewußt unwillkür¬<lb/> lich nicht mehr als nothwendiger Ausdruck ſeiner innerſten<lb/> Seele angehörte. Die Kunſt, die ohne Geheiß und ganz von<lb/> ſelbſt aus der Gemeinſamkeit des Volkslebens aufgeblüht war,<lb/> hatte durch ihr wirkliches Vorhandenſein und an der Betrach¬<lb/> tung ihrer Erſcheinung zugleich auch den <hi rendition="#g">Begriff</hi> von ihr<lb/> erſt zum Daſein gebracht; denn nicht die <hi rendition="#g">Idee</hi> der Kunſt<lb/> hatte ſie in das Leben gerufen, ſondern ſie, die wirklich vor¬<lb/> handene Kunſt, hat die Idee von ſich entwickelt. Die mit<lb/> Naturnothwendigkeit treibende künſtleriſche Kraft des Volkes<lb/> war nun erſtorben; was ſie geſchaffen lebte nur noch in der<lb/> Erinnerung oder in der künſtlichen Wiederholung. Während<lb/> das Volk in Allem, was es that, und namentlich auch in der<lb/> Selbſtvernichtung ſeiner nationalen Eigenthümlichkeit und<lb/> <fw place="bottom" type="sig">8*<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [171/0187]
hellen farbigen Geſtaltungen der Malerkunſt die wunder¬
vollen, bedeutungsreichen Scenen für das Auge feſtzuhalten
ſuchte, die zu unmittelbaren lebenswarmen Eindrucke ſich
nicht mehr darboten.
So feierte das griechiſche Kunſtwerk in der Malerei ſeine
Nachblüthe. Dieſe Blüthe war nicht mehr jene dem reichſten
Leben unwillkürlich und naturnothwendig entſprießende, ihre
Nothwendigkeit war vielmehr eine Kulturnothwendigkeit;
ſie ging aus einem bewußten, willkürlichen Drange hervor,
nämlich dem Wiſſen von der Schönheit der Kunſt, und
dem Willen, dieſe Schönheit gleichſam zum Verweilen
in einem Leben zu zwingen, dem ſie unbewußt unwillkür¬
lich nicht mehr als nothwendiger Ausdruck ſeiner innerſten
Seele angehörte. Die Kunſt, die ohne Geheiß und ganz von
ſelbſt aus der Gemeinſamkeit des Volkslebens aufgeblüht war,
hatte durch ihr wirkliches Vorhandenſein und an der Betrach¬
tung ihrer Erſcheinung zugleich auch den Begriff von ihr
erſt zum Daſein gebracht; denn nicht die Idee der Kunſt
hatte ſie in das Leben gerufen, ſondern ſie, die wirklich vor¬
handene Kunſt, hat die Idee von ſich entwickelt. Die mit
Naturnothwendigkeit treibende künſtleriſche Kraft des Volkes
war nun erſtorben; was ſie geſchaffen lebte nur noch in der
Erinnerung oder in der künſtlichen Wiederholung. Während
das Volk in Allem, was es that, und namentlich auch in der
Selbſtvernichtung ſeiner nationalen Eigenthümlichkeit und
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