Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.äußerte, so war er nichts desto weniger doch ein dem äußerte, ſo war er nichts deſto weniger doch ein dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0193" n="177"/> äußerte, ſo war er nichts deſto weniger doch ein dem<lb/> helleniſchen Leben ſelbſt grundverderblicher Irrthum.<lb/> Als der Hellene aus der geſchlechtlich nationalen Urge¬<lb/> meinſchaft ſich losgelöſt, als er das unwillkürlich ihr ent¬<lb/> nommene Maß ſchönen Lebens verloren hatte, vermochte<lb/> dieſes nothwendige Maß ſich nirgends ihm aus einer rich¬<lb/> tigen Anſchauung der Natur zu erſetzen. Er hatte unbe¬<lb/> wußt in der Natur gerade nur ſo lange eine bindende,<lb/> umfaſſende Nothwendigkeit erblickt, als dieſe Nothwendig¬<lb/> keit als eine im gemeinſamen Leben bedingte ihm ſelbſt<lb/> zum Bewußtſein kam: löſte dieſes ſich in ſeine egoiſtiſchen<lb/> Atome auf, beherrſchte ihn nur die Willkür ſeines mit der<lb/> Gemeinſamkeit nicht mehr zuſammenhängenden Eigenwil¬<lb/> lens oder endlich eine, aus dieſer allgemeinen Willkür<lb/> Kraft gewinnende, wiederum willkürliche äußere Macht, —<lb/> ſo fehlte bei ſeiner mangelnden Erkenntniß der Natur,<lb/> welche er nun eben ſo willkürlich wähnte als ſich ſelbſt<lb/> und die ihn beherrſchende weltliche Macht, das ſichere<lb/> Maß, nach dem er ſein Weſen wiederum hätte erkennen<lb/> können, und das ſie, zu deren größtem Heile, <hi rendition="#g">den</hi> Men¬<lb/> ſchen darbietet, die in ihr die Nothwendigkeit ihres Weſens<lb/> und ihre nur im weiteſten, allumfaſſendſten Zuſammen¬<lb/> hange alles Einzelnen wirkende, ewig zeugende Kraft er¬<lb/> kennen. Keinem anderen, als dieſem Irrthume ſind die<lb/> ungeheuerlichſten Ausſchweifungen des griechiſchen Geiſtes<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [177/0193]
äußerte, ſo war er nichts deſto weniger doch ein dem
helleniſchen Leben ſelbſt grundverderblicher Irrthum.
Als der Hellene aus der geſchlechtlich nationalen Urge¬
meinſchaft ſich losgelöſt, als er das unwillkürlich ihr ent¬
nommene Maß ſchönen Lebens verloren hatte, vermochte
dieſes nothwendige Maß ſich nirgends ihm aus einer rich¬
tigen Anſchauung der Natur zu erſetzen. Er hatte unbe¬
wußt in der Natur gerade nur ſo lange eine bindende,
umfaſſende Nothwendigkeit erblickt, als dieſe Nothwendig¬
keit als eine im gemeinſamen Leben bedingte ihm ſelbſt
zum Bewußtſein kam: löſte dieſes ſich in ſeine egoiſtiſchen
Atome auf, beherrſchte ihn nur die Willkür ſeines mit der
Gemeinſamkeit nicht mehr zuſammenhängenden Eigenwil¬
lens oder endlich eine, aus dieſer allgemeinen Willkür
Kraft gewinnende, wiederum willkürliche äußere Macht, —
ſo fehlte bei ſeiner mangelnden Erkenntniß der Natur,
welche er nun eben ſo willkürlich wähnte als ſich ſelbſt
und die ihn beherrſchende weltliche Macht, das ſichere
Maß, nach dem er ſein Weſen wiederum hätte erkennen
können, und das ſie, zu deren größtem Heile, den Men¬
ſchen darbietet, die in ihr die Nothwendigkeit ihres Weſens
und ihre nur im weiteſten, allumfaſſendſten Zuſammen¬
hange alles Einzelnen wirkende, ewig zeugende Kraft er¬
kennen. Keinem anderen, als dieſem Irrthume ſind die
ungeheuerlichſten Ausſchweifungen des griechiſchen Geiſtes
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