Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Religion zur Natur. Der Mensch steht daher im Beginne Das Ende der Wissenschaft ist das gerechtfertigte Un¬ Religion zur Natur. Der Menſch ſteht daher im Beginne Das Ende der Wiſſenſchaft iſt das gerechtfertigte Un¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0022" n="6"/> Religion zur Natur. Der Menſch ſteht daher im Beginne<lb/> der Wiſſenſchaft dem Leben ſo gegenüber, wie beim An¬<lb/> fange des, von der Natur ſich unterſcheidenden, menſch¬<lb/> lichen Lebens, er den Erſcheinungen der Natur gegenüber<lb/> ſtand. Die Willkürlichkeit der menſchlichen Anſchauungen<lb/> in ihrer Totalität nimmt die Wiſſenſchaft auf, während<lb/> neben ihr das Leben ſelbſt in ſeiner Totalität einer unwill¬<lb/> kürlichen, nothwendigen Entwickelung folgt. Die Wiſſen¬<lb/> ſchaft trägt ſomit die Sünde des Lebens, und büßt ſie an<lb/> ſich durch ihre Selbſtvernichtung: ſie endet in ihrem reinen<lb/> Gegenſatze, in der Erkenntniß der Natur, in der Aner¬<lb/> kennung des Unbewußten, Unwillkürlichen, daher Noth¬<lb/> wendigen, Wirklichen, Sinnlichen. Das Weſen der Wiſſen¬<lb/> ſchaft iſt daher endlich, das des Lebens unendlich, wie der<lb/> Irrthum endlich, die Wahrheit aber unendlich iſt. Wahr<lb/> und lebendig iſt aber nur, was ſinnlich iſt und den Be¬<lb/> dingungen der Sinnlichkeit gehorcht. Die höchſte Steige¬<lb/> rung des Irrthumes iſt der Hochmuth der Wiſſenſchaft in<lb/> der Verläugnung und Verachtung der Sinnlichkeit; ihr<lb/> höchſter Sieg dagegen der, von ihr ſelbſt herbeigeführte,<lb/> Untergang dieſes Hochmuthes in der Anerkennung der<lb/> Sinnlichkeit.</p><lb/> <p>Das Ende der Wiſſenſchaft iſt das gerechtfertigte Un¬<lb/> bewußte, das ſich bewußte Leben, die als ſinnig erkannte<lb/> Sinnlichkeit, der Untergang der Willkür in dem Wollen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [6/0022]
Religion zur Natur. Der Menſch ſteht daher im Beginne
der Wiſſenſchaft dem Leben ſo gegenüber, wie beim An¬
fange des, von der Natur ſich unterſcheidenden, menſch¬
lichen Lebens, er den Erſcheinungen der Natur gegenüber
ſtand. Die Willkürlichkeit der menſchlichen Anſchauungen
in ihrer Totalität nimmt die Wiſſenſchaft auf, während
neben ihr das Leben ſelbſt in ſeiner Totalität einer unwill¬
kürlichen, nothwendigen Entwickelung folgt. Die Wiſſen¬
ſchaft trägt ſomit die Sünde des Lebens, und büßt ſie an
ſich durch ihre Selbſtvernichtung: ſie endet in ihrem reinen
Gegenſatze, in der Erkenntniß der Natur, in der Aner¬
kennung des Unbewußten, Unwillkürlichen, daher Noth¬
wendigen, Wirklichen, Sinnlichen. Das Weſen der Wiſſen¬
ſchaft iſt daher endlich, das des Lebens unendlich, wie der
Irrthum endlich, die Wahrheit aber unendlich iſt. Wahr
und lebendig iſt aber nur, was ſinnlich iſt und den Be¬
dingungen der Sinnlichkeit gehorcht. Die höchſte Steige¬
rung des Irrthumes iſt der Hochmuth der Wiſſenſchaft in
der Verläugnung und Verachtung der Sinnlichkeit; ihr
höchſter Sieg dagegen der, von ihr ſelbſt herbeigeführte,
Untergang dieſes Hochmuthes in der Anerkennung der
Sinnlichkeit.
Das Ende der Wiſſenſchaft iſt das gerechtfertigte Un¬
bewußte, das ſich bewußte Leben, die als ſinnig erkannte
Sinnlichkeit, der Untergang der Willkür in dem Wollen
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