als das Kunstwerk, vereinigt. Wer wird demnach aber der Künstler der Zukunft sein? Der Dichter? Der Darsteller? Der Musiker? Der Plastiker? -- Sagen wir es kurz: Das Volk; dasselbige Volk, dem wir selbst heut zu Tage das in unserer Erinnerung lebende, von uns mit Entstellung nur nachge¬ bildete, einzige wahre Kunstwerk, dem wir die Kunst überhaupt einzig verdanken.
Wenn wir Vergangenes, Vollbrachtes zusammenstellen, um uns von einem besonderen Gegenstande nach seiner all¬ gemeinen Erscheinung in der Geschichte der Menschheit ein Bild darzustellen, so können wir mit Sicherheit die einzeln¬ sten Züge desselben bezeichnen, -- ja aus genauester Be¬ trachtung solch einzelnen Zuges erwächst uns oft das sicherste Verständniß des Ganzen, daß wir bei seiner verschwim¬ menden Allgemeinheit oft nur nach diesem einzelnen, be¬ sonderen Zuge erfassen müssen, um von ihm aus zu einer Vorstellung des Allgemeinen zu gelangen, und es ist, wie in dem gegenwärtig uns vorgeführten Gegenstande der Kunst, die Fülle genau sich darbietender Einzelnheiten so groß, daß wir, um den Gegenstand nach seiner Allgemein¬ heit darzustellen, nur einen höchst geringen Theil derselben, eben den, der für unsere Anschauungsweise uns gerade am
als das Kunſtwerk, vereinigt. Wer wird demnach aber der Künſtler der Zukunft ſein? Der Dichter? Der Darſteller? Der Muſiker? Der Plaſtiker? — Sagen wir es kurz: Das Volk; dasſelbige Volk, dem wir ſelbſt heut zu Tage das in unſerer Erinnerung lebende, von uns mit Entſtellung nur nachge¬ bildete, einzige wahre Kunſtwerk, dem wir die Kunſt überhaupt einzig verdanken.
Wenn wir Vergangenes, Vollbrachtes zuſammenſtellen, um uns von einem beſonderen Gegenſtande nach ſeiner all¬ gemeinen Erſcheinung in der Geſchichte der Menſchheit ein Bild darzuſtellen, ſo können wir mit Sicherheit die einzeln¬ ſten Züge desſelben bezeichnen, — ja aus genaueſter Be¬ trachtung ſolch einzelnen Zuges erwächſt uns oft das ſicherſte Verſtändniß des Ganzen, daß wir bei ſeiner verſchwim¬ menden Allgemeinheit oft nur nach dieſem einzelnen, be¬ ſonderen Zuge erfaſſen müſſen, um von ihm aus zu einer Vorſtellung des Allgemeinen zu gelangen, und es iſt, wie in dem gegenwärtig uns vorgeführten Gegenſtande der Kunſt, die Fülle genau ſich darbietender Einzelnheiten ſo groß, daß wir, um den Gegenſtand nach ſeiner Allgemein¬ heit darzuſtellen, nur einen höchſt geringen Theil derſelben, eben den, der für unſere Anſchauungsweiſe uns gerade am
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als das Kunſtwerk, vereinigt. Wer wird demnach aber
der Künſtler der Zukunft ſein? Der Dichter? Der
Darſteller? Der Muſiker? Der Plaſtiker? — Sagen wir
es kurz: Das Volk; dasſelbige Volk, dem wir
ſelbſt heut zu Tage das in unſerer Erinnerung
lebende, von uns mit Entſtellung nur nachge¬
bildete, einzige wahre Kunſtwerk, dem wir die
Kunſt überhaupt einzig verdanken.
Wenn wir Vergangenes, Vollbrachtes zuſammenſtellen,
um uns von einem beſonderen Gegenſtande nach ſeiner all¬
gemeinen Erſcheinung in der Geſchichte der Menſchheit ein
Bild darzuſtellen, ſo können wir mit Sicherheit die einzeln¬
ſten Züge desſelben bezeichnen, — ja aus genaueſter Be¬
trachtung ſolch einzelnen Zuges erwächſt uns oft das ſicherſte
Verſtändniß des Ganzen, daß wir bei ſeiner verſchwim¬
menden Allgemeinheit oft nur nach dieſem einzelnen, be¬
ſonderen Zuge erfaſſen müſſen, um von ihm aus zu einer
Vorſtellung des Allgemeinen zu gelangen, und es iſt, wie
in dem gegenwärtig uns vorgeführten Gegenſtande der
Kunſt, die Fülle genau ſich darbietender Einzelnheiten ſo
groß, daß wir, um den Gegenſtand nach ſeiner Allgemein¬
heit darzuſtellen, nur einen höchſt geringen Theil derſelben,
eben den, der für unſere Anſchauungsweiſe uns gerade am
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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/236>, abgerufen am 16.02.2025.
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