Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Vorstellung hinwegbleiben, weil sie nur nach willkürlichen Nichts ist verderblicher für das Glück der Menschen Vorſtellung hinwegbleiben, weil ſie nur nach willkürlichen Nichts iſt verderblicher für das Glück der Menſchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0238" n="222"/> Vorſtellung hinwegbleiben, weil ſie nur nach willkürlichen<lb/> Annahmen als Bilder unſerer Phantaſie ſich darſtellen<lb/> könnten und ihrem Weſen nach doch nur gerade dem heuti¬<lb/> gen Zuſtande entnommen ſein, immer nur wie ſie den Ge¬<lb/> gebenheiten der Gegenwart entſprungen, ſich uns darbieten<lb/> dürften. Nur das Vollbrachte und Fertige können wir<lb/> wiſſen; die lebenvolle Geſtaltung der Zukunft kann un¬<lb/> beſtritten eben nur das Werk des Lebens ſelbſt ſein! Iſt<lb/> ſie vollbracht, ſo werden wir mit einem Blicke klar be¬<lb/> begreifen, was heute wir nur nach Laune und Willkür un¬<lb/> ter dem unüberwindlichen Eindrucke der gegenwärtigen Ver¬<lb/> hältniſſe uns vorgaukeln könnten.</p><lb/> <p>Nichts iſt verderblicher für das Glück der Menſchen<lb/> geweſen, als dieſer wahnſinnige Eifer, das Leben der Zu¬<lb/> kunft durch gegenwärtig gegebene Geſetze zu ordnen: Dieſe<lb/> widerliche Sorge für die Zukunft, die in Wahrheit nur<lb/> dem trübſinnigen abſoluten Egoismus zu eigen iſt, ſucht<lb/> im Grunde immer nur zu <hi rendition="#g">erhalten</hi>, das, was wir heute<lb/> gerade haben, für alle Lebenszeit uns zu <hi rendition="#g">verſichern</hi>: ſie<lb/> hält das Eigenthum, das für alle Ewigkeit niet- und na¬<lb/> gelfeſt zu bannende Eigenthum, als den einzig würdigen<lb/> Gegenſtand menſchlich thätiger Vorausſicht feſt, und ſucht<lb/> daher nach Möglichkeit das ſelbſtſtändige Lebensgebahren<lb/> der Zukunft zu beſchränken, den ſelbſtgeſtaltenden Lebenstrieb<lb/> ihr, als böſen, aufregenden Stachel, thunlichſt ganz aus¬<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [222/0238]
Vorſtellung hinwegbleiben, weil ſie nur nach willkürlichen
Annahmen als Bilder unſerer Phantaſie ſich darſtellen
könnten und ihrem Weſen nach doch nur gerade dem heuti¬
gen Zuſtande entnommen ſein, immer nur wie ſie den Ge¬
gebenheiten der Gegenwart entſprungen, ſich uns darbieten
dürften. Nur das Vollbrachte und Fertige können wir
wiſſen; die lebenvolle Geſtaltung der Zukunft kann un¬
beſtritten eben nur das Werk des Lebens ſelbſt ſein! Iſt
ſie vollbracht, ſo werden wir mit einem Blicke klar be¬
begreifen, was heute wir nur nach Laune und Willkür un¬
ter dem unüberwindlichen Eindrucke der gegenwärtigen Ver¬
hältniſſe uns vorgaukeln könnten.
Nichts iſt verderblicher für das Glück der Menſchen
geweſen, als dieſer wahnſinnige Eifer, das Leben der Zu¬
kunft durch gegenwärtig gegebene Geſetze zu ordnen: Dieſe
widerliche Sorge für die Zukunft, die in Wahrheit nur
dem trübſinnigen abſoluten Egoismus zu eigen iſt, ſucht
im Grunde immer nur zu erhalten, das, was wir heute
gerade haben, für alle Lebenszeit uns zu verſichern: ſie
hält das Eigenthum, das für alle Ewigkeit niet- und na¬
gelfeſt zu bannende Eigenthum, als den einzig würdigen
Gegenſtand menſchlich thätiger Vorausſicht feſt, und ſucht
daher nach Möglichkeit das ſelbſtſtändige Lebensgebahren
der Zukunft zu beſchränken, den ſelbſtgeſtaltenden Lebenstrieb
ihr, als böſen, aufregenden Stachel, thunlichſt ganz aus¬
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