Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Zwei Hauptmomente der Entwickelung der Zwei Hauptmomente der Entwickelung der <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0050" n="34"/> <p>Zwei <hi rendition="#g">Hauptmomente</hi> der Entwickelung der<lb/> Menſchheit liegen in der Geſchichte deutlich vor: der<lb/><hi rendition="#g">geſchlechtlich nationale</hi> und der <hi rendition="#g">unnationale<lb/> univerſelle</hi>. Sehen wir jetzt in der Zukunft der Vol¬<lb/> lendung dieſes zweiten Entwickelungsganges entgegen, ſo<lb/> haben wir in der Vergangenheit den vollendeten Abſchluß<lb/> jenes erſteren deutlich erkennbar vor Augen. Bis zu wel¬<lb/> cher Höhe der Menſch, — ſoweit er ſich nach geſchlechtlicher<lb/> Abkunft, nach Sprachgemeinſchaft, nach Gleichartigkeit des<lb/> Klimas und der natürlichen Beſchaffenheit einer gemein¬<lb/> ſchaftlichen Heimat, dem Einfluſſe der Natur unbewußt<lb/> überließ, — unter dieſem faſt unmittelbar bildenden Ein¬<lb/> fluſſe ſich zu entwickeln vermochte, haben wir wahrlich nur<lb/> mit freudigſtem Entzücken anzuerkennen vollen Grund. In<lb/> der natürlichen Sitte aller Völker, ſoweit ſie den normalen<lb/> Menſchen in ſich begreifen, ſelbſt der als roheſt ver¬<lb/> ſchrieenen, lernen wir die Wahrheit der menſchlichen Na¬<lb/> tur erſt nach ihrem vollen Adel, ihrer wirklichen Schön¬<lb/> heit, erkennen. Nicht <hi rendition="#g">eine</hi> wahre Tugend hat irgend<lb/> welche Religion als göttliches Gebot in ſich aufgenommen,<lb/> die nicht in dieſer natürlichen Sitte von ſelbſt inbegriffen<lb/> geweſen wäre; nicht <hi rendition="#g">einen</hi> wirklich menſchlichen Rechts¬<lb/> begriff hat der ſpätere civiliſirte Staat — nur leider bis<lb/> zur vollkommenen Entſtellung! — entwickelt, der in ihr<lb/> nicht bereits ſeinen ſichern Ausdruck erhalten; nicht <hi rendition="#g">eine</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0050]
Zwei Hauptmomente der Entwickelung der
Menſchheit liegen in der Geſchichte deutlich vor: der
geſchlechtlich nationale und der unnationale
univerſelle. Sehen wir jetzt in der Zukunft der Vol¬
lendung dieſes zweiten Entwickelungsganges entgegen, ſo
haben wir in der Vergangenheit den vollendeten Abſchluß
jenes erſteren deutlich erkennbar vor Augen. Bis zu wel¬
cher Höhe der Menſch, — ſoweit er ſich nach geſchlechtlicher
Abkunft, nach Sprachgemeinſchaft, nach Gleichartigkeit des
Klimas und der natürlichen Beſchaffenheit einer gemein¬
ſchaftlichen Heimat, dem Einfluſſe der Natur unbewußt
überließ, — unter dieſem faſt unmittelbar bildenden Ein¬
fluſſe ſich zu entwickeln vermochte, haben wir wahrlich nur
mit freudigſtem Entzücken anzuerkennen vollen Grund. In
der natürlichen Sitte aller Völker, ſoweit ſie den normalen
Menſchen in ſich begreifen, ſelbſt der als roheſt ver¬
ſchrieenen, lernen wir die Wahrheit der menſchlichen Na¬
tur erſt nach ihrem vollen Adel, ihrer wirklichen Schön¬
heit, erkennen. Nicht eine wahre Tugend hat irgend
welche Religion als göttliches Gebot in ſich aufgenommen,
die nicht in dieſer natürlichen Sitte von ſelbſt inbegriffen
geweſen wäre; nicht einen wirklich menſchlichen Rechts¬
begriff hat der ſpätere civiliſirte Staat — nur leider bis
zur vollkommenen Entſtellung! — entwickelt, der in ihr
nicht bereits ſeinen ſichern Ausdruck erhalten; nicht eine
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