Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.genährt, durch ihre Mutterweisheit ihn gebildet: sie stellt So haben wir denn die hellenische Kunst zur genährt, durch ihre Mutterweisheit ihn gebildet: ſie ſtellt So haben wir denn die helleniſche Kunſt zur <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="36"/> genährt, durch ihre Mutterweisheit ihn gebildet: ſie ſtellt<lb/> ihn uns hin mit Mutterſtolz, und ruft uns Menſchen allen<lb/> aus Mutterliebe nun zu: „Das that ich für Euch, nun<lb/> thut Ihr aus Liebe zu Euch, was Ihr könnt!“</p><lb/> <p>So haben wir denn die <hi rendition="#g">helleniſche</hi> Kunſt zur<lb/><hi rendition="#g">menſchlichen</hi> Kunſt überhaupt zu machen; die Bedingun¬<lb/> gen, unter denen ſie eben nur <hi rendition="#g">helleniſche</hi>, nicht <hi rendition="#g">all¬<lb/> menſchliche</hi> Kunſt war, von ihr zu löſen; das <hi rendition="#g">Gewand<lb/> der Religion</hi>, in welchem ſie einzig eine gemeinſam<lb/> helleniſche Kunſt war, und nach deſſen Abnahme ſie als<lb/> egoiſtiſche, einzelne Kunſtgattung, nicht mehr dem Bedürf¬<lb/> niſſe der Allgemeinheit, ſondern nur dem des Luxus —<lb/> wenn auch eines ſchönen! — entſprechen konnte, — dieß<lb/> Gewand der ſpeciell <hi rendition="#g">helleniſchen Religion</hi> haben wir<lb/> zu dem Bande der Religion der Zukunft, der der <hi rendition="#g">Allge¬<lb/> meinſamkeit</hi>, zu erweitern, um eine gerechte Vorſtellung<lb/> vom Kunſtwerke der Zukunft ſchon jetzt uns machen zu<lb/> können. Aber eben dieſes Band, <hi rendition="#g">dieſe Religion der<lb/> Zukunft</hi>, vermögen wir Unſeligen nicht zu knüpfen,<lb/> weil wir, ſo viele wir derer auch ſein mögen, die den Drang<lb/> nach dem Kunſtwerke der Zukunft in ſich fühlen, doch nur<lb/><hi rendition="#g">Einzelne</hi>, <hi rendition="#g">Einſame</hi> ſind. Das Kunſtwerk iſt die<lb/> lebendig dargeſtellte Religion; — Religionen aber er¬<lb/> findet nicht der Künſtler, die entſtehen nur aus dem<lb/><hi rendition="#g">Volke</hi>.—</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0052]
genährt, durch ihre Mutterweisheit ihn gebildet: ſie ſtellt
ihn uns hin mit Mutterſtolz, und ruft uns Menſchen allen
aus Mutterliebe nun zu: „Das that ich für Euch, nun
thut Ihr aus Liebe zu Euch, was Ihr könnt!“
So haben wir denn die helleniſche Kunſt zur
menſchlichen Kunſt überhaupt zu machen; die Bedingun¬
gen, unter denen ſie eben nur helleniſche, nicht all¬
menſchliche Kunſt war, von ihr zu löſen; das Gewand
der Religion, in welchem ſie einzig eine gemeinſam
helleniſche Kunſt war, und nach deſſen Abnahme ſie als
egoiſtiſche, einzelne Kunſtgattung, nicht mehr dem Bedürf¬
niſſe der Allgemeinheit, ſondern nur dem des Luxus —
wenn auch eines ſchönen! — entſprechen konnte, — dieß
Gewand der ſpeciell helleniſchen Religion haben wir
zu dem Bande der Religion der Zukunft, der der Allge¬
meinſamkeit, zu erweitern, um eine gerechte Vorſtellung
vom Kunſtwerke der Zukunft ſchon jetzt uns machen zu
können. Aber eben dieſes Band, dieſe Religion der
Zukunft, vermögen wir Unſeligen nicht zu knüpfen,
weil wir, ſo viele wir derer auch ſein mögen, die den Drang
nach dem Kunſtwerke der Zukunft in ſich fühlen, doch nur
Einzelne, Einſame ſind. Das Kunſtwerk iſt die
lebendig dargeſtellte Religion; — Religionen aber er¬
findet nicht der Künſtler, die entſtehen nur aus dem
Volke.—
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