Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Das Auge erfaßt die leibliche Gestalt des Men¬ Unmittelbar theilt sich aber der innere Mensch dem Das Auge erfaßt die leibliche Geſtalt des Men¬ Unmittelbar theilt ſich aber der innere Menſch dem <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0054" n="38"/> <p>Das Auge erfaßt die <hi rendition="#g">leibliche Geſtalt des Men¬<lb/> ſchen</hi>, vergleicht ſie der Umgebung und unterſcheidet ſie<lb/> von ihr. Der leibliche Menſch und die unwillkürlichen<lb/> Aeußerungen ſeiner, durch äußere Berührung empfangenen,<lb/> Eindrücke in ſinnlichem Schmerz oder ſinnlicher Wohlem¬<lb/> pfindung, ſtellen ſich dem Auge unmittelbar dar; mittelbar<lb/> theilt er ihm aber auch die Empfindungen des, dem Auge<lb/> unmittelbar nicht erkennbaren, inneren Menſchen mit,<lb/> durch Miene und Gebärde; namentlich aber wiederum durch<lb/> den Ausdruck des Auges ſelbſt, welches dem anſchauenden<lb/> Auge unmittelbar begegnet, vermag er dieſem nicht nur die<lb/> Gefühle des Herzens, ſondern ſelbſt die charakteriſtiſche<lb/> Thätigkeit des Verſtandes mitzutheilen, und je beſtimmter<lb/> ſchon der äußere Menſch den innern auszudrücken vermag;<lb/> deſto höher giebt er ſich als ein künſtleriſcher kund.</p><lb/> <p>Unmittelbar theilt ſich aber der innere Menſch dem<lb/> Ohre mit, und zwar durch den <hi rendition="#g">Ton ſeiner Stimme</hi>.<lb/> Der Ton iſt der unmittelbare Ausdruck des Gefühls, wie<lb/> es ſeinen phyſiſchen Sitz im Herzen, dem Punkte des Aus¬<lb/> ganges und der Rückkehr der Blutbewegung, hat. Durch den<lb/> Sinn des Gehöres dringt der Ton aus dem Herzensgefühle<lb/> wiederum zum Herzensgefühle: Schmerz und Freude des Ge¬<lb/> fühlsmenſchen theilen ſich durch den mannigfaltigen Ausdruck<lb/> des Tones der Stimme wiederum dem Gefühlsmenſchen un¬<lb/> mittelbar mit, und wo die Ausdrucks- und Mittheilungs¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0054]
Das Auge erfaßt die leibliche Geſtalt des Men¬
ſchen, vergleicht ſie der Umgebung und unterſcheidet ſie
von ihr. Der leibliche Menſch und die unwillkürlichen
Aeußerungen ſeiner, durch äußere Berührung empfangenen,
Eindrücke in ſinnlichem Schmerz oder ſinnlicher Wohlem¬
pfindung, ſtellen ſich dem Auge unmittelbar dar; mittelbar
theilt er ihm aber auch die Empfindungen des, dem Auge
unmittelbar nicht erkennbaren, inneren Menſchen mit,
durch Miene und Gebärde; namentlich aber wiederum durch
den Ausdruck des Auges ſelbſt, welches dem anſchauenden
Auge unmittelbar begegnet, vermag er dieſem nicht nur die
Gefühle des Herzens, ſondern ſelbſt die charakteriſtiſche
Thätigkeit des Verſtandes mitzutheilen, und je beſtimmter
ſchon der äußere Menſch den innern auszudrücken vermag;
deſto höher giebt er ſich als ein künſtleriſcher kund.
Unmittelbar theilt ſich aber der innere Menſch dem
Ohre mit, und zwar durch den Ton ſeiner Stimme.
Der Ton iſt der unmittelbare Ausdruck des Gefühls, wie
es ſeinen phyſiſchen Sitz im Herzen, dem Punkte des Aus¬
ganges und der Rückkehr der Blutbewegung, hat. Durch den
Sinn des Gehöres dringt der Ton aus dem Herzensgefühle
wiederum zum Herzensgefühle: Schmerz und Freude des Ge¬
fühlsmenſchen theilen ſich durch den mannigfaltigen Ausdruck
des Tones der Stimme wiederum dem Gefühlsmenſchen un¬
mittelbar mit, und wo die Ausdrucks- und Mittheilungs¬
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