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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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Ein wundersamer Geruch von Weihrauch wallte
mir entgegen. Es war Grabesnacht vor meinen
Augen.

Lange blieb ich wieder stehen, bis ich an einer
Wand den schwachen blassen Schein einer Lampe
bemerkte. Jch trat einige Schritte vorwärts. Das
Licht ward heller und beweglich. Der Geruch ver-
stärkte sich.

Plötzlich stand ich vor einer Maueröffnung,
durch die der Lichtstrahl brach. Jch blickte durch
und -- traute meinen Augen nicht.

Denn eine Geistererscheinung glaubt' ich zu er-
blicken. Jch sah in ein zirkelrundes Gewölbe. Die
alten dünnen Säulen, die schlank hervortraten aus
den schwarzen Wänden, verbanden verwelkte Ro-
senkränze. An ihren Füßen lagen Schilde, Helme,
alte zerbroch'ne Vasen und Reliefe, an einer der
Säulen hieng die Maske eines Jupiterskopfes.

Mitten im Gewölbe stand ein schwarzer Sar-
kophag mit wunderbaren Zeichen: auf ihm schlug
aus einem alten, blumenumwund'nen Gefäße hell-
lodernd eine blaue Flamme. Zu beyden Seiten
glänzten weiße Bilder in zwey Nischen, oben brann-

Ein wunderſamer Geruch von Weihrauch wallte
mir entgegen. Es war Grabesnacht vor meinen
Augen.

Lange blieb ich wieder ſtehen, bis ich an einer
Wand den ſchwachen blaſſen Schein einer Lampe
bemerkte. Jch trat einige Schritte vorwaͤrts. Das
Licht ward heller und beweglich. Der Geruch ver-
ſtaͤrkte ſich.

Ploͤtzlich ſtand ich vor einer Maueroͤffnung,
durch die der Lichtſtrahl brach. Jch blickte durch
und — traute meinen Augen nicht.

Denn eine Geiſtererſcheinung glaubt’ ich zu er-
blicken. Jch ſah in ein zirkelrundes Gewoͤlbe. Die
alten duͤnnen Saͤulen, die ſchlank hervortraten aus
den ſchwarzen Waͤnden, verbanden verwelkte Ro-
ſenkraͤnze. An ihren Fuͤßen lagen Schilde, Helme,
alte zerbroch’ne Vaſen und Reliefe, an einer der
Saͤulen hieng die Maske eines Jupiterskopfes.

Mitten im Gewoͤlbe ſtand ein ſchwarzer Sar-
kophag mit wunderbaren Zeichen: auf ihm ſchlug
aus einem alten, blumenumwund’nen Gefaͤße hell-
lodernd eine blaue Flamme. Zu beyden Seiten
glaͤnzten weiße Bilder in zwey Niſchen, oben brann-

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[118/0128] Ein wunderſamer Geruch von Weihrauch wallte mir entgegen. Es war Grabesnacht vor meinen Augen. Lange blieb ich wieder ſtehen, bis ich an einer Wand den ſchwachen blaſſen Schein einer Lampe bemerkte. Jch trat einige Schritte vorwaͤrts. Das Licht ward heller und beweglich. Der Geruch ver- ſtaͤrkte ſich. Ploͤtzlich ſtand ich vor einer Maueroͤffnung, durch die der Lichtſtrahl brach. Jch blickte durch und — traute meinen Augen nicht. Denn eine Geiſtererſcheinung glaubt’ ich zu er- blicken. Jch ſah in ein zirkelrundes Gewoͤlbe. Die alten duͤnnen Saͤulen, die ſchlank hervortraten aus den ſchwarzen Waͤnden, verbanden verwelkte Ro- ſenkraͤnze. An ihren Fuͤßen lagen Schilde, Helme, alte zerbroch’ne Vaſen und Reliefe, an einer der Saͤulen hieng die Maske eines Jupiterskopfes. Mitten im Gewoͤlbe ſtand ein ſchwarzer Sar- kophag mit wunderbaren Zeichen: auf ihm ſchlug aus einem alten, blumenumwund’nen Gefaͤße hell- lodernd eine blaue Flamme. Zu beyden Seiten glaͤnzten weiße Bilder in zwey Niſchen, oben brann-

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/128>, abgerufen am 04.12.2024.