Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Phaethon an Theodor. Oft wann ich erwache bey Nacht, da seh' ich mei- Warum will die Jugend immer nur das Große? Die Kunst der Griechen ist wie das wellenlose Phaethon an Theodor. Oft wann ich erwache bey Nacht, da ſeh’ ich mei- Warum will die Jugend immer nur das Große? Die Kunſt der Griechen iſt wie das wellenloſe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0039" n="29"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Phaethon an Theodor.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">O</hi>ft wann ich erwache bey Nacht, da ſeh’ ich mei-<lb/> nen Amor vom Mondlicht, wie von einem zarten<lb/> innigen Leben, gluͤhend, und es iſt mir dann, als<lb/> ob das ſtumme Bild mehr als todter Marmor waͤre.</p><lb/> <p>Warum will die Jugend immer nur das Große?<lb/> Jn ungeheuren Schoͤpfungen will ſie ſich offenba-<lb/> ren, und was iſt mehr, die Rieſengeſtalten Aegyp-<lb/> tens, oder die ſtille, gemaͤßigte, natuͤrliche Schoͤne<lb/> der Griechen?</p><lb/> <p>Die Kunſt der Griechen iſt wie das wellenloſe<lb/> ſpiegelklare Meer. Sie iſt immer heiter. Der<lb/> ſchoͤne Himmel Griechenlands iſt uͤberall abgeſpie-<lb/> gelt. Aus allem laͤchelt das Leben, wie bey uns<lb/> aus allem der Tod. Denn was iſt anders, das uns<lb/> anhaucht in dunkeln Schauern aus den unendlich<lb/> verzierten und verſchnoͤrkelten Strebepfeilern, Ge-<lb/> woͤlben und Boͤgen, den langen, bemalten Fenſter-<lb/> ſcheiben, den unzaͤhligen Niſchen und Spizgebaͤud-<lb/> chen, den Kruzifixen, Blumen und Heiligenbildern<lb/> des gothiſchen Domes, als der Tod? Jch will es<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [29/0039]
Phaethon an Theodor.
Oft wann ich erwache bey Nacht, da ſeh’ ich mei-
nen Amor vom Mondlicht, wie von einem zarten
innigen Leben, gluͤhend, und es iſt mir dann, als
ob das ſtumme Bild mehr als todter Marmor waͤre.
Warum will die Jugend immer nur das Große?
Jn ungeheuren Schoͤpfungen will ſie ſich offenba-
ren, und was iſt mehr, die Rieſengeſtalten Aegyp-
tens, oder die ſtille, gemaͤßigte, natuͤrliche Schoͤne
der Griechen?
Die Kunſt der Griechen iſt wie das wellenloſe
ſpiegelklare Meer. Sie iſt immer heiter. Der
ſchoͤne Himmel Griechenlands iſt uͤberall abgeſpie-
gelt. Aus allem laͤchelt das Leben, wie bey uns
aus allem der Tod. Denn was iſt anders, das uns
anhaucht in dunkeln Schauern aus den unendlich
verzierten und verſchnoͤrkelten Strebepfeilern, Ge-
woͤlben und Boͤgen, den langen, bemalten Fenſter-
ſcheiben, den unzaͤhligen Niſchen und Spizgebaͤud-
chen, den Kruzifixen, Blumen und Heiligenbildern
des gothiſchen Domes, als der Tod? Jch will es
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