Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht, schob der Küster ein -- -- da ist's auch nichts werth, fuhr die Wirthin fort, wenn nur zwei Augen da sind, um nach dem Rechten zu schauen. Einsam Leben, ist ein elend Leben.

Der Küster seufzte.

Und am Ende, schloß die Wirthin, geht man aus der Welt, und hat kaum Einen daheim gelassen, der das Sterbezimmer aufräumt und säubert, eh' die Condolenzvisiten beginnen.

Sie wischte bei diesen Worten mit dem Bergobzoom-Aermel über die Augen, und der Küster, dem das Augenwasser ohnehin leicht durch die Schleußen brach, bemühte sich, möglichst gefaßt in anderer Richtung zu blicken, um nicht in so früher Stunde die Herrschaft über sich zu verlieren.

Wie wahr jedes Wort, das die verständige Frau gesprochen hatte! Wie begreiflich, daß bei so weichen Gemüthssaiten sie zu Zeiten ihre Vereinsamung beklagen mußte! Wie unwahrscheinlich aber auch, daß ihr noch ein gleichtüchtiger Lebensgefährte auf ihrem Lebenspfade begegnen werde, und wie verwandt Beider Loos, insofern auch ihm wohl nicht mehr bestimmt zu sein schien, Rosen hienieden zu pflücken. Eine Verbindung mit der Wirthin lag seinen Gedanken nach der heutigen Zwiesprache noch ferner als sonst. Nicht daß die Küsterei ihm überhaupt je mit einer Krugwirthschaft vereinbar erschienen wäre: über diesen Punkt hatte er noch nicht nachgedacht, da Ehegedanken nun einmal zu dem ver-

nicht, schob der Küster ein — — da ist's auch nichts werth, fuhr die Wirthin fort, wenn nur zwei Augen da sind, um nach dem Rechten zu schauen. Einsam Leben, ist ein elend Leben.

Der Küster seufzte.

Und am Ende, schloß die Wirthin, geht man aus der Welt, und hat kaum Einen daheim gelassen, der das Sterbezimmer aufräumt und säubert, eh' die Condolenzvisiten beginnen.

Sie wischte bei diesen Worten mit dem Bergobzoom-Aermel über die Augen, und der Küster, dem das Augenwasser ohnehin leicht durch die Schleußen brach, bemühte sich, möglichst gefaßt in anderer Richtung zu blicken, um nicht in so früher Stunde die Herrschaft über sich zu verlieren.

Wie wahr jedes Wort, das die verständige Frau gesprochen hatte! Wie begreiflich, daß bei so weichen Gemüthssaiten sie zu Zeiten ihre Vereinsamung beklagen mußte! Wie unwahrscheinlich aber auch, daß ihr noch ein gleichtüchtiger Lebensgefährte auf ihrem Lebenspfade begegnen werde, und wie verwandt Beider Loos, insofern auch ihm wohl nicht mehr bestimmt zu sein schien, Rosen hienieden zu pflücken. Eine Verbindung mit der Wirthin lag seinen Gedanken nach der heutigen Zwiesprache noch ferner als sonst. Nicht daß die Küsterei ihm überhaupt je mit einer Krugwirthschaft vereinbar erschienen wäre: über diesen Punkt hatte er noch nicht nachgedacht, da Ehegedanken nun einmal zu dem ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="2">
        <p><pb facs="#f0023"/>
nicht, schob der Küster ein &#x2014; &#x2014; da ist's auch nichts werth, fuhr die      Wirthin fort, wenn nur zwei Augen da sind, um nach dem Rechten zu schauen. Einsam Leben, ist      ein elend Leben.</p><lb/>
        <p>Der Küster seufzte.</p><lb/>
        <p>Und am Ende, schloß die Wirthin, geht man aus der Welt, und hat kaum Einen daheim gelassen,      der das Sterbezimmer aufräumt und säubert, eh' die Condolenzvisiten beginnen.</p><lb/>
        <p>Sie wischte bei diesen Worten mit dem Bergobzoom-Aermel über die Augen, und der Küster, dem      das Augenwasser ohnehin leicht durch die Schleußen brach, bemühte sich, möglichst gefaßt in      anderer Richtung zu blicken, um nicht in so früher Stunde die Herrschaft über sich zu      verlieren.</p><lb/>
        <p>Wie wahr jedes Wort, das die verständige Frau gesprochen hatte! Wie begreiflich, daß bei so      weichen Gemüthssaiten sie zu Zeiten ihre Vereinsamung beklagen mußte! Wie unwahrscheinlich aber      auch, daß ihr noch ein gleichtüchtiger Lebensgefährte auf ihrem Lebenspfade begegnen werde, und      wie verwandt Beider Loos, insofern auch ihm wohl nicht mehr bestimmt zu sein schien, Rosen      hienieden zu pflücken. Eine Verbindung mit der Wirthin lag seinen Gedanken nach der heutigen      Zwiesprache noch ferner als sonst. Nicht daß die Küsterei ihm überhaupt je mit einer      Krugwirthschaft vereinbar erschienen wäre: über diesen Punkt hatte er noch nicht nachgedacht,      da Ehegedanken nun einmal zu dem ver-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0023] nicht, schob der Küster ein — — da ist's auch nichts werth, fuhr die Wirthin fort, wenn nur zwei Augen da sind, um nach dem Rechten zu schauen. Einsam Leben, ist ein elend Leben. Der Küster seufzte. Und am Ende, schloß die Wirthin, geht man aus der Welt, und hat kaum Einen daheim gelassen, der das Sterbezimmer aufräumt und säubert, eh' die Condolenzvisiten beginnen. Sie wischte bei diesen Worten mit dem Bergobzoom-Aermel über die Augen, und der Küster, dem das Augenwasser ohnehin leicht durch die Schleußen brach, bemühte sich, möglichst gefaßt in anderer Richtung zu blicken, um nicht in so früher Stunde die Herrschaft über sich zu verlieren. Wie wahr jedes Wort, das die verständige Frau gesprochen hatte! Wie begreiflich, daß bei so weichen Gemüthssaiten sie zu Zeiten ihre Vereinsamung beklagen mußte! Wie unwahrscheinlich aber auch, daß ihr noch ein gleichtüchtiger Lebensgefährte auf ihrem Lebenspfade begegnen werde, und wie verwandt Beider Loos, insofern auch ihm wohl nicht mehr bestimmt zu sein schien, Rosen hienieden zu pflücken. Eine Verbindung mit der Wirthin lag seinen Gedanken nach der heutigen Zwiesprache noch ferner als sonst. Nicht daß die Küsterei ihm überhaupt je mit einer Krugwirthschaft vereinbar erschienen wäre: über diesen Punkt hatte er noch nicht nachgedacht, da Ehegedanken nun einmal zu dem ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/23
Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/23>, abgerufen am 21.11.2024.