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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Er stutzte, denn der alte verwitterte Wegweiser, der beim Eingang des Erlenkamps in zwei Richtungen deutete, stand eben am Wege und reckte die Holzfinger ohne lesbare Inschrift nach entgegengesetzten Seiten, als wolle er ihm sagen: suche deinen Weg selbst! Des Küsters Blicke schweiften in den Richtungen, wohin der hölzerne Rathgeber zeigte. Ein Strohmann, der im Kartoffelfelde seine Zeuglappen im Winde flattern ließ, schien der eine Gegenstand, worauf die Holzfinger deuteten. Die andere Holzhand wies auf die Straße nach Hedeper. In der Ferne erkannte der Küster eine vom Felde heimkehrende Bäuerin, die ihr kleines Kind in der Hucke auf dem Rücken trug und ihm dabei ein Lied vorträllerte. Eine Weile stand der Küster in Gedanken. Als er die Vogel- und die Hasenscheuche nochmals ansaht meinte er sein eigenes Gesicht unter dem randlosen Filzhut des Strohmanns hervorgucken zu sehen. Ein Schauder schüttelte ihn, und er machte, daß er in den Erlenkamp kam, wo ihm die singende Bäuerin noch eins Weile in der Ferne vorausging. Als sie seitwärts abbog, folgte ihr sein Blick. Sie war in eine Hütte getreten und kam nicht wieder zum Vorschein; das Fortklingen des Liedes verrieth ihm indessen, daß sie in ihrer eigenen Behausung war.

Sie hat's gut! dachte der Küster und setzte seine Wanderung langsameren Schrittes fort.

Er stutzte, denn der alte verwitterte Wegweiser, der beim Eingang des Erlenkamps in zwei Richtungen deutete, stand eben am Wege und reckte die Holzfinger ohne lesbare Inschrift nach entgegengesetzten Seiten, als wolle er ihm sagen: suche deinen Weg selbst! Des Küsters Blicke schweiften in den Richtungen, wohin der hölzerne Rathgeber zeigte. Ein Strohmann, der im Kartoffelfelde seine Zeuglappen im Winde flattern ließ, schien der eine Gegenstand, worauf die Holzfinger deuteten. Die andere Holzhand wies auf die Straße nach Hedeper. In der Ferne erkannte der Küster eine vom Felde heimkehrende Bäuerin, die ihr kleines Kind in der Hucke auf dem Rücken trug und ihm dabei ein Lied vorträllerte. Eine Weile stand der Küster in Gedanken. Als er die Vogel- und die Hasenscheuche nochmals ansaht meinte er sein eigenes Gesicht unter dem randlosen Filzhut des Strohmanns hervorgucken zu sehen. Ein Schauder schüttelte ihn, und er machte, daß er in den Erlenkamp kam, wo ihm die singende Bäuerin noch eins Weile in der Ferne vorausging. Als sie seitwärts abbog, folgte ihr sein Blick. Sie war in eine Hütte getreten und kam nicht wieder zum Vorschein; das Fortklingen des Liedes verrieth ihm indessen, daß sie in ihrer eigenen Behausung war.

Sie hat's gut! dachte der Küster und setzte seine Wanderung langsameren Schrittes fort.

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[0062] Er stutzte, denn der alte verwitterte Wegweiser, der beim Eingang des Erlenkamps in zwei Richtungen deutete, stand eben am Wege und reckte die Holzfinger ohne lesbare Inschrift nach entgegengesetzten Seiten, als wolle er ihm sagen: suche deinen Weg selbst! Des Küsters Blicke schweiften in den Richtungen, wohin der hölzerne Rathgeber zeigte. Ein Strohmann, der im Kartoffelfelde seine Zeuglappen im Winde flattern ließ, schien der eine Gegenstand, worauf die Holzfinger deuteten. Die andere Holzhand wies auf die Straße nach Hedeper. In der Ferne erkannte der Küster eine vom Felde heimkehrende Bäuerin, die ihr kleines Kind in der Hucke auf dem Rücken trug und ihm dabei ein Lied vorträllerte. Eine Weile stand der Küster in Gedanken. Als er die Vogel- und die Hasenscheuche nochmals ansaht meinte er sein eigenes Gesicht unter dem randlosen Filzhut des Strohmanns hervorgucken zu sehen. Ein Schauder schüttelte ihn, und er machte, daß er in den Erlenkamp kam, wo ihm die singende Bäuerin noch eins Weile in der Ferne vorausging. Als sie seitwärts abbog, folgte ihr sein Blick. Sie war in eine Hütte getreten und kam nicht wieder zum Vorschein; das Fortklingen des Liedes verrieth ihm indessen, daß sie in ihrer eigenen Behausung war. Sie hat's gut! dachte der Küster und setzte seine Wanderung langsameren Schrittes fort.

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/62>, abgerufen am 23.11.2024.