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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Schwägerin, sagte der Küster, mit feierlicher Miene in die ihm hingehaltene Hand schlagend, ich hab' Euch immer für eine Frau gehalten, die auch ohne Hammer einen Nagel einzuschlagen versteht; aber heute habt Ihr Euch selbst übertroffen. Er sah sich nach dem Giebelhause um, das er schon gering zu schätzen versucht worden war und das ihn dennoch keinen Augenblick ganz aus seinem Behaglichkeitsbann losgelassen hatte. Alter Freund, fuhr er fort, sein neues Eigenthum überblickend, alter Kopfhänger, stehe noch lange fest, wie du mir's heute versprochen hast! Es soll auch ferner ein still ehrbar Leben unter deinem schützenden Dache geführt werden. Wir wollen fest zu einander halten! Falle nicht aus dem Text! Und zu der künftigen Frau Küsterin gewendet, sagte er: Der Zaun, der die Küster von Hedeper so lange gefangen hielt, ist eingerissen; auch der Zaun zwischen den zwei Gärten wird jetzt verschwinden. Im alten Giebelhause soll gewohnt, in der alten Küsterei geamtet werden. Führt uns zu Euren Kindern, Frau Anna. Mir wird so weich ums Herz, ich muß die Kinder küssen.

Die Wittwe hatte schon das nämliche Verlangen auf den Lippen gehabt. Sie ging dem Küster und der Meierin vorauf, zupfte den Kindern in Hast die verschobenen Kleider zurecht und flüsterte ihnen etwas zu, das keines ganz verstand, das sie indessen gehorsam in Reih und Glied brachte und dem herankommenden Küster die Mühe ersparte, sie einzeln aus den Netzmaschen her-

Schwägerin, sagte der Küster, mit feierlicher Miene in die ihm hingehaltene Hand schlagend, ich hab' Euch immer für eine Frau gehalten, die auch ohne Hammer einen Nagel einzuschlagen versteht; aber heute habt Ihr Euch selbst übertroffen. Er sah sich nach dem Giebelhause um, das er schon gering zu schätzen versucht worden war und das ihn dennoch keinen Augenblick ganz aus seinem Behaglichkeitsbann losgelassen hatte. Alter Freund, fuhr er fort, sein neues Eigenthum überblickend, alter Kopfhänger, stehe noch lange fest, wie du mir's heute versprochen hast! Es soll auch ferner ein still ehrbar Leben unter deinem schützenden Dache geführt werden. Wir wollen fest zu einander halten! Falle nicht aus dem Text! Und zu der künftigen Frau Küsterin gewendet, sagte er: Der Zaun, der die Küster von Hedeper so lange gefangen hielt, ist eingerissen; auch der Zaun zwischen den zwei Gärten wird jetzt verschwinden. Im alten Giebelhause soll gewohnt, in der alten Küsterei geamtet werden. Führt uns zu Euren Kindern, Frau Anna. Mir wird so weich ums Herz, ich muß die Kinder küssen.

Die Wittwe hatte schon das nämliche Verlangen auf den Lippen gehabt. Sie ging dem Küster und der Meierin vorauf, zupfte den Kindern in Hast die verschobenen Kleider zurecht und flüsterte ihnen etwas zu, das keines ganz verstand, das sie indessen gehorsam in Reih und Glied brachte und dem herankommenden Küster die Mühe ersparte, sie einzeln aus den Netzmaschen her-

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[0093] Schwägerin, sagte der Küster, mit feierlicher Miene in die ihm hingehaltene Hand schlagend, ich hab' Euch immer für eine Frau gehalten, die auch ohne Hammer einen Nagel einzuschlagen versteht; aber heute habt Ihr Euch selbst übertroffen. Er sah sich nach dem Giebelhause um, das er schon gering zu schätzen versucht worden war und das ihn dennoch keinen Augenblick ganz aus seinem Behaglichkeitsbann losgelassen hatte. Alter Freund, fuhr er fort, sein neues Eigenthum überblickend, alter Kopfhänger, stehe noch lange fest, wie du mir's heute versprochen hast! Es soll auch ferner ein still ehrbar Leben unter deinem schützenden Dache geführt werden. Wir wollen fest zu einander halten! Falle nicht aus dem Text! Und zu der künftigen Frau Küsterin gewendet, sagte er: Der Zaun, der die Küster von Hedeper so lange gefangen hielt, ist eingerissen; auch der Zaun zwischen den zwei Gärten wird jetzt verschwinden. Im alten Giebelhause soll gewohnt, in der alten Küsterei geamtet werden. Führt uns zu Euren Kindern, Frau Anna. Mir wird so weich ums Herz, ich muß die Kinder küssen. Die Wittwe hatte schon das nämliche Verlangen auf den Lippen gehabt. Sie ging dem Küster und der Meierin vorauf, zupfte den Kindern in Hast die verschobenen Kleider zurecht und flüsterte ihnen etwas zu, das keines ganz verstand, das sie indessen gehorsam in Reih und Glied brachte und dem herankommenden Küster die Mühe ersparte, sie einzeln aus den Netzmaschen her-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/93>, abgerufen am 23.11.2024.