ihrem Mädchen sich in einen Winkel setzen, und gab Befehl, ihnen etwas anzurichten.
Jndem nun die Suppe verzehret ward, er- zählte das Weib ihre traurige Geschichte. Sie war die Wittwe eines preußischen Grenadiers, der bei Prag tödtlich verwundet, und einige Wochen drauf an seinen Wunden gestorben war. Sie war eben des Tages vor der Schlacht mit ihrer Sus- chen den weiten Weg dahergekommen, um ihn zu besuchen, und ihm ein wenig Wäsche, und ein paar Thaler Geld zu bringen. Nun hatte es aber der liebe Gott so geschickt, daß ihr Mann gar ge- blieben war; und sie bezeigte sich nur froh, daß sie und Suschen ihn noch hatten warten und pflegen können, wozu denn die paar Thaler gerade zu rech- ter Zeit gekommen, die denn aber auch rein dar- aufgegangen waren.
Die Wittwe weinte bei ihrer Erzählung, und auch Suschen wischte sich die Thränen ab. Ma- dame Schnitzerinn aber, die an nichts liebreichern Antheil nahm, als an den Leiden armer Kriegs- männer, und an dem Verluste, den durch ihren Tod Wittwen und Waisen erlitten, war indessen, daß die Frau ihre Schicksale erzählte, näher getre- ten, und stand, die breite Latzschürze über den dicken Bauch gespannt, und ihr Bund Schlüssel
an
ihrem Maͤdchen ſich in einen Winkel ſetzen, und gab Befehl, ihnen etwas anzurichten.
Jndem nun die Suppe verzehret ward, er- zaͤhlte das Weib ihre traurige Geſchichte. Sie war die Wittwe eines preußiſchen Grenadiers, der bei Prag toͤdtlich verwundet, und einige Wochen drauf an ſeinen Wunden geſtorben war. Sie war eben des Tages vor der Schlacht mit ihrer Sus- chen den weiten Weg dahergekommen, um ihn zu beſuchen, und ihm ein wenig Waͤſche, und ein paar Thaler Geld zu bringen. Nun hatte es aber der liebe Gott ſo geſchickt, daß ihr Mann gar ge- blieben war; und ſie bezeigte ſich nur froh, daß ſie und Suschen ihn noch hatten warten und pflegen koͤnnen, wozu denn die paar Thaler gerade zu rech- ter Zeit gekommen, die denn aber auch rein dar- aufgegangen waren.
Die Wittwe weinte bei ihrer Erzaͤhlung, und auch Suschen wiſchte ſich die Thraͤnen ab. Ma- dame Schnitzerinn aber, die an nichts liebreichern Antheil nahm, als an den Leiden armer Kriegs- maͤnner, und an dem Verluſte, den durch ihren Tod Wittwen und Waiſen erlitten, war indeſſen, daß die Frau ihre Schickſale erzaͤhlte, naͤher getre- ten, und ſtand, die breite Latzſchuͤrze uͤber den dicken Bauch geſpannt, und ihr Bund Schluͤſſel
an
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0038"n="32"/>
ihrem Maͤdchen ſich in einen Winkel ſetzen, und<lb/>
gab Befehl, ihnen etwas anzurichten.</p><lb/><p>Jndem nun die Suppe verzehret ward, er-<lb/>
zaͤhlte das Weib ihre traurige Geſchichte. Sie<lb/>
war die Wittwe eines preußiſchen Grenadiers, der<lb/>
bei Prag toͤdtlich verwundet, und einige Wochen<lb/>
drauf an ſeinen Wunden geſtorben war. Sie war<lb/>
eben des Tages vor der Schlacht mit ihrer Sus-<lb/>
chen den weiten Weg dahergekommen, um ihn zu<lb/>
beſuchen, und ihm ein wenig Waͤſche, und ein<lb/>
paar Thaler Geld zu bringen. Nun hatte es aber<lb/>
der liebe Gott ſo geſchickt, daß ihr Mann gar ge-<lb/>
blieben war; und ſie bezeigte ſich nur froh, daß ſie<lb/>
und Suschen ihn noch hatten warten und pflegen<lb/>
koͤnnen, wozu denn die paar Thaler gerade zu rech-<lb/>
ter Zeit gekommen, die denn aber auch rein dar-<lb/>
aufgegangen waren.</p><lb/><p>Die Wittwe weinte bei ihrer Erzaͤhlung, und<lb/>
auch Suschen wiſchte ſich die Thraͤnen ab. Ma-<lb/>
dame Schnitzerinn aber, die an nichts liebreichern<lb/>
Antheil nahm, als an den Leiden armer Kriegs-<lb/>
maͤnner, und an dem Verluſte, den durch ihren<lb/>
Tod Wittwen und Waiſen erlitten, war indeſſen,<lb/>
daß die Frau ihre Schickſale erzaͤhlte, naͤher getre-<lb/>
ten, und ſtand, die breite Latzſchuͤrze uͤber den<lb/>
dicken Bauch geſpannt, und ihr Bund Schluͤſſel<lb/><fwplace="bottom"type="catch">an</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[32/0038]
ihrem Maͤdchen ſich in einen Winkel ſetzen, und
gab Befehl, ihnen etwas anzurichten.
Jndem nun die Suppe verzehret ward, er-
zaͤhlte das Weib ihre traurige Geſchichte. Sie
war die Wittwe eines preußiſchen Grenadiers, der
bei Prag toͤdtlich verwundet, und einige Wochen
drauf an ſeinen Wunden geſtorben war. Sie war
eben des Tages vor der Schlacht mit ihrer Sus-
chen den weiten Weg dahergekommen, um ihn zu
beſuchen, und ihm ein wenig Waͤſche, und ein
paar Thaler Geld zu bringen. Nun hatte es aber
der liebe Gott ſo geſchickt, daß ihr Mann gar ge-
blieben war; und ſie bezeigte ſich nur froh, daß ſie
und Suschen ihn noch hatten warten und pflegen
koͤnnen, wozu denn die paar Thaler gerade zu rech-
ter Zeit gekommen, die denn aber auch rein dar-
aufgegangen waren.
Die Wittwe weinte bei ihrer Erzaͤhlung, und
auch Suschen wiſchte ſich die Thraͤnen ab. Ma-
dame Schnitzerinn aber, die an nichts liebreichern
Antheil nahm, als an den Leiden armer Kriegs-
maͤnner, und an dem Verluſte, den durch ihren
Tod Wittwen und Waiſen erlitten, war indeſſen,
daß die Frau ihre Schickſale erzaͤhlte, naͤher getre-
ten, und ſtand, die breite Latzſchuͤrze uͤber den
dicken Bauch geſpannt, und ihr Bund Schluͤſſel
an
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/38>, abgerufen am 30.01.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.