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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

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Es wundert euch, meine Leser, daß ein sol-
cher Mann sich in unser Haus verlohr? Jch könn-
te das übel nehmen, wenn ich empfindlich wäre,
da ich mich aber nicht mit euch veruneinigen mag,
so will ich thun als verstünde ich nicht, wie ihr
das meint, und euch blos berichten, wie es zugieng,
daß Herr Lebrecht mein Lehrer ward.

Herr Reitmann, eben der welcher meiner
Mutter das Ritterguth, das sie jetzt besaß, vorge-
schlagen hatte, wohnte in unserer Nachbarschaft,
wo er landesherrliche Domainen in Pacht hatte.
Es war ein Mann, an welchem kein Mensch etwas
zu tadeln fand, denn er lebte sittig, und besaß alle
die Einsichten, mit denen jemand, wenn das Un-
glück nicht den Zahn ein für allemal auf ihn gewetzt
hat, nicht nur für sich selbst ganz bequem, sondern
auch allgemein geachtet, durch das Leben spazirt.
Da er sich im Bade nach der hinlänglich gemach-
ten Bekanntschaft um meiner Mutter Gesellschaft
bewarb, hoffte er nichts als liebes und gutes von
einer Wittwe, die ein Vermögen von 80,000 Tha-
lern besaß, und darüber nach Belieben schalten
konnte, wenigstens entschuldigte er sie bei dem, was
ihm nicht so ganz gefiel, mit dem christlichen
Ausspruch, daß man die Fehler seiner Nebenmen-
schen zudecken müsse, und jeder die seinigen hätte;

weshalb

Es wundert euch, meine Leſer, daß ein ſol-
cher Mann ſich in unſer Haus verlohr? Jch koͤnn-
te das uͤbel nehmen, wenn ich empfindlich waͤre,
da ich mich aber nicht mit euch veruneinigen mag,
ſo will ich thun als verſtuͤnde ich nicht, wie ihr
das meint, und euch blos berichten, wie es zugieng,
daß Herr Lebrecht mein Lehrer ward.

Herr Reitmann, eben der welcher meiner
Mutter das Ritterguth, das ſie jetzt beſaß, vorge-
ſchlagen hatte, wohnte in unſerer Nachbarſchaft,
wo er landesherrliche Domainen in Pacht hatte.
Es war ein Mann, an welchem kein Menſch etwas
zu tadeln fand, denn er lebte ſittig, und beſaß alle
die Einſichten, mit denen jemand, wenn das Un-
gluͤck nicht den Zahn ein fuͤr allemal auf ihn gewetzt
hat, nicht nur fuͤr ſich ſelbſt ganz bequem, ſondern
auch allgemein geachtet, durch das Leben ſpazirt.
Da er ſich im Bade nach der hinlaͤnglich gemach-
ten Bekanntſchaft um meiner Mutter Geſellſchaft
bewarb, hoffte er nichts als liebes und gutes von
einer Wittwe, die ein Vermoͤgen von 80,000 Tha-
lern beſaß, und daruͤber nach Belieben ſchalten
konnte, wenigſtens entſchuldigte er ſie bei dem, was
ihm nicht ſo ganz gefiel, mit dem chriſtlichen
Ausſpruch, daß man die Fehler ſeiner Nebenmen-
ſchen zudecken muͤſſe, und jeder die ſeinigen haͤtte;

weshalb
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[144/0148] Es wundert euch, meine Leſer, daß ein ſol- cher Mann ſich in unſer Haus verlohr? Jch koͤnn- te das uͤbel nehmen, wenn ich empfindlich waͤre, da ich mich aber nicht mit euch veruneinigen mag, ſo will ich thun als verſtuͤnde ich nicht, wie ihr das meint, und euch blos berichten, wie es zugieng, daß Herr Lebrecht mein Lehrer ward. Herr Reitmann, eben der welcher meiner Mutter das Ritterguth, das ſie jetzt beſaß, vorge- ſchlagen hatte, wohnte in unſerer Nachbarſchaft, wo er landesherrliche Domainen in Pacht hatte. Es war ein Mann, an welchem kein Menſch etwas zu tadeln fand, denn er lebte ſittig, und beſaß alle die Einſichten, mit denen jemand, wenn das Un- gluͤck nicht den Zahn ein fuͤr allemal auf ihn gewetzt hat, nicht nur fuͤr ſich ſelbſt ganz bequem, ſondern auch allgemein geachtet, durch das Leben ſpazirt. Da er ſich im Bade nach der hinlaͤnglich gemach- ten Bekanntſchaft um meiner Mutter Geſellſchaft bewarb, hoffte er nichts als liebes und gutes von einer Wittwe, die ein Vermoͤgen von 80,000 Tha- lern beſaß, und daruͤber nach Belieben ſchalten konnte, wenigſtens entſchuldigte er ſie bei dem, was ihm nicht ſo ganz gefiel, mit dem chriſtlichen Ausſpruch, daß man die Fehler ſeiner Nebenmen- ſchen zudecken muͤſſe, und jeder die ſeinigen haͤtte; weshalb

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Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/148>, abgerufen am 21.11.2024.