hier eine Lection aufgegeben war, die ich nicht ler- nen konnte. Allein der Baron hatte mir den Au- fenthalt zu Hause verleitet, weshalb ich auch ohne die Furcht vor seiner Züchtigung nicht wie ehemals davon gelaufen, und mich bei der lieben Mamma wieder eingestellt haben würde. Es war demnach auf eine andre Art von Verbesserung meines Schick- sals zu denken, und auch diese fand ich in der Zärt- lichkeit meiner Mutter.
Jhr Gemahl hatte sie so eingetrieben, daß sie eben so wenig daran denken durfte, mich zu be- suchen, als sie die Erlaubniß erhalten hatte, mit- zureisen, da er mich wegbrachte. Allein nicht nur versah sie mich heimlich mit einer guten Börse, sondern bestimmte es auch, wohin ich meine Briefe an sie zu adressiren hätte, damit sie ihr ohnbewußt des Barons in die Hände fielen. "Auf diese Art, sagte sie" kannst du mir immer berichten, wie es dir geht, und ob es dir an etwas fehlt, ich helfe im letzten Fall der Sache insgeheim ab. Der Barbar soll es doch nicht dahin bringen, daß mein Goldfritzel auf irgend eine Art leiden muß. Aber eine Regel muß ich dir zu Gemüthe führen: wenn dir jetzt jemand was thut, so werde ich dir nicht wie sonst beistehen können, denn man wird sich an deinen Stiefvater wenden, und ich könnte dann
für
Q 4
hier eine Lection aufgegeben war, die ich nicht ler- nen konnte. Allein der Baron hatte mir den Au- fenthalt zu Hauſe verleitet, weshalb ich auch ohne die Furcht vor ſeiner Zuͤchtigung nicht wie ehemals davon gelaufen, und mich bei der lieben Mamma wieder eingeſtellt haben wuͤrde. Es war demnach auf eine andre Art von Verbeſſerung meines Schick- ſals zu denken, und auch dieſe fand ich in der Zaͤrt- lichkeit meiner Mutter.
Jhr Gemahl hatte ſie ſo eingetrieben, daß ſie eben ſo wenig daran denken durfte, mich zu be- ſuchen, als ſie die Erlaubniß erhalten hatte, mit- zureiſen, da er mich wegbrachte. Allein nicht nur verſah ſie mich heimlich mit einer guten Boͤrſe, ſondern beſtimmte es auch, wohin ich meine Briefe an ſie zu adreſſiren haͤtte, damit ſie ihr ohnbewußt des Barons in die Haͤnde fielen. „Auf dieſe Art, ſagte ſie“ kannſt du mir immer berichten, wie es dir geht, und ob es dir an etwas fehlt, ich helfe im letzten Fall der Sache insgeheim ab. Der Barbar ſoll es doch nicht dahin bringen, daß mein Goldfritzel auf irgend eine Art leiden muß. Aber eine Regel muß ich dir zu Gemuͤthe fuͤhren: wenn dir jetzt jemand was thut, ſo werde ich dir nicht wie ſonſt beiſtehen koͤnnen, denn man wird ſich an deinen Stiefvater wenden, und ich koͤnnte dann
fuͤr
Q 4
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0251"n="247"/>
hier eine Lection aufgegeben war, die ich nicht ler-<lb/>
nen konnte. Allein der Baron hatte mir den Au-<lb/>
fenthalt zu Hauſe verleitet, weshalb ich auch ohne<lb/>
die Furcht vor ſeiner Zuͤchtigung nicht wie ehemals<lb/>
davon gelaufen, und mich bei der lieben Mamma<lb/>
wieder eingeſtellt haben wuͤrde. Es war demnach<lb/>
auf eine andre Art von Verbeſſerung meines Schick-<lb/>ſals zu denken, und auch dieſe fand ich in der Zaͤrt-<lb/>
lichkeit meiner Mutter.</p><lb/><p>Jhr Gemahl hatte ſie ſo eingetrieben, daß ſie<lb/>
eben ſo wenig daran denken durfte, mich zu be-<lb/>ſuchen, als ſie die Erlaubniß erhalten hatte, mit-<lb/>
zureiſen, da er mich wegbrachte. Allein nicht nur<lb/>
verſah ſie mich heimlich mit einer guten Boͤrſe,<lb/>ſondern beſtimmte es auch, wohin ich meine Briefe<lb/>
an ſie zu adreſſiren haͤtte, damit ſie ihr ohnbewußt<lb/>
des Barons in die Haͤnde fielen. „Auf dieſe Art,<lb/>ſagte ſie“ kannſt du mir immer berichten, wie es<lb/>
dir geht, und ob es dir an etwas fehlt, ich helfe<lb/>
im letzten Fall der Sache insgeheim ab. Der<lb/>
Barbar ſoll es doch nicht dahin bringen, daß mein<lb/>
Goldfritzel auf irgend eine Art leiden muß. Aber<lb/>
eine Regel muß ich dir zu Gemuͤthe fuͤhren: wenn<lb/>
dir jetzt jemand was thut, ſo werde ich dir nicht<lb/>
wie ſonſt beiſtehen koͤnnen, denn man wird ſich an<lb/>
deinen Stiefvater wenden, und ich koͤnnte dann<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Q 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">fuͤr</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[247/0251]
hier eine Lection aufgegeben war, die ich nicht ler-
nen konnte. Allein der Baron hatte mir den Au-
fenthalt zu Hauſe verleitet, weshalb ich auch ohne
die Furcht vor ſeiner Zuͤchtigung nicht wie ehemals
davon gelaufen, und mich bei der lieben Mamma
wieder eingeſtellt haben wuͤrde. Es war demnach
auf eine andre Art von Verbeſſerung meines Schick-
ſals zu denken, und auch dieſe fand ich in der Zaͤrt-
lichkeit meiner Mutter.
Jhr Gemahl hatte ſie ſo eingetrieben, daß ſie
eben ſo wenig daran denken durfte, mich zu be-
ſuchen, als ſie die Erlaubniß erhalten hatte, mit-
zureiſen, da er mich wegbrachte. Allein nicht nur
verſah ſie mich heimlich mit einer guten Boͤrſe,
ſondern beſtimmte es auch, wohin ich meine Briefe
an ſie zu adreſſiren haͤtte, damit ſie ihr ohnbewußt
des Barons in die Haͤnde fielen. „Auf dieſe Art,
ſagte ſie“ kannſt du mir immer berichten, wie es
dir geht, und ob es dir an etwas fehlt, ich helfe
im letzten Fall der Sache insgeheim ab. Der
Barbar ſoll es doch nicht dahin bringen, daß mein
Goldfritzel auf irgend eine Art leiden muß. Aber
eine Regel muß ich dir zu Gemuͤthe fuͤhren: wenn
dir jetzt jemand was thut, ſo werde ich dir nicht
wie ſonſt beiſtehen koͤnnen, denn man wird ſich an
deinen Stiefvater wenden, und ich koͤnnte dann
fuͤr
Q 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/251>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.