geheim beherbergte, weil es schon im Dorfe herum war, der arme Soldat sei der Bruder ihrer gnädi- gen Frau, den sie aber aus Hochmuth verläugnete. Sie war nothdürftig von ihren Bauern gehaßt, man hatte also um so mehr Mitleiden mit dem ver- schmähten Bruder. Einige, denen es der Bauer, welcher ihm Obdach gab, vertraut hatte, kamen, sobald es dunkel war, hin, um alles ausführlich zu hören, ihm dagegen zu erzählen, wie es auf dem Hofe zuging. Unter diesen war meiner Mutter Bedienter, von welchem Friedrich die ausführlich- sten Nachrichten erhielt.
Demnach wußte der letzte mir zu melden, daß sich auf der weiten Welt nicht zwei Personen ärger hassen können, als Baron Treff und seine Frau Ge- mahlinn, daß der Baron diese noch immer oft miß- handelte, und keins dem andern einen Bissen Brod gönnte; doch hoffte er, die Frau werde den Mann überwinden, denn schon einmal habe sie höchst wahr- scheinlich etwas in die Ewigkeit beförderndes mit seinem Weine vermischt, weil der Baron ein star- kes Erbrechen bekommen, und nach einem Arzt hätte schicken müssen, welcher ganz deutlich gesagt, er müsse Gist bekommen haben. Der Baron hätte diese That keinem andern als seiner lieben Ehe- hälfte zugeschrieben, welche aber durchaus nichts
gestan-
2 r Theil. T
geheim beherbergte, weil es ſchon im Dorfe herum war, der arme Soldat ſei der Bruder ihrer gnaͤdi- gen Frau, den ſie aber aus Hochmuth verlaͤugnete. Sie war nothduͤrftig von ihren Bauern gehaßt, man hatte alſo um ſo mehr Mitleiden mit dem ver- ſchmaͤhten Bruder. Einige, denen es der Bauer, welcher ihm Obdach gab, vertraut hatte, kamen, ſobald es dunkel war, hin, um alles ausfuͤhrlich zu hoͤren, ihm dagegen zu erzaͤhlen, wie es auf dem Hofe zuging. Unter dieſen war meiner Mutter Bedienter, von welchem Friedrich die ausfuͤhrlich- ſten Nachrichten erhielt.
Demnach wußte der letzte mir zu melden, daß ſich auf der weiten Welt nicht zwei Perſonen aͤrger haſſen koͤnnen, als Baron Treff und ſeine Frau Ge- mahlinn, daß der Baron dieſe noch immer oft miß- handelte, und keins dem andern einen Biſſen Brod goͤnnte; doch hoffte er, die Frau werde den Mann uͤberwinden, denn ſchon einmal habe ſie hoͤchſt wahr- ſcheinlich etwas in die Ewigkeit befoͤrderndes mit ſeinem Weine vermiſcht, weil der Baron ein ſtar- kes Erbrechen bekommen, und nach einem Arzt haͤtte ſchicken muͤſſen, welcher ganz deutlich geſagt, er muͤſſe Giſt bekommen haben. Der Baron haͤtte dieſe That keinem andern als ſeiner lieben Ehe- haͤlfte zugeſchrieben, welche aber durchaus nichts
geſtan-
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geheim beherbergte, weil es ſchon im Dorfe herum
war, der arme Soldat ſei der Bruder ihrer gnaͤdi-
gen Frau, den ſie aber aus Hochmuth verlaͤugnete.
Sie war nothduͤrftig von ihren Bauern gehaßt, man
hatte alſo um ſo mehr Mitleiden mit dem ver-
ſchmaͤhten Bruder. Einige, denen es der Bauer,
welcher ihm Obdach gab, vertraut hatte, kamen,
ſobald es dunkel war, hin, um alles ausfuͤhrlich
zu hoͤren, ihm dagegen zu erzaͤhlen, wie es auf dem
Hofe zuging. Unter dieſen war meiner Mutter
Bedienter, von welchem Friedrich die ausfuͤhrlich-
ſten Nachrichten erhielt.
Demnach wußte der letzte mir zu melden, daß
ſich auf der weiten Welt nicht zwei Perſonen aͤrger
haſſen koͤnnen, als Baron Treff und ſeine Frau Ge-
mahlinn, daß der Baron dieſe noch immer oft miß-
handelte, und keins dem andern einen Biſſen Brod
goͤnnte; doch hoffte er, die Frau werde den Mann
uͤberwinden, denn ſchon einmal habe ſie hoͤchſt wahr-
ſcheinlich etwas in die Ewigkeit befoͤrderndes mit
ſeinem Weine vermiſcht, weil der Baron ein ſtar-
kes Erbrechen bekommen, und nach einem Arzt
haͤtte ſchicken muͤſſen, welcher ganz deutlich geſagt,
er muͤſſe Giſt bekommen haben. Der Baron haͤtte
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 289. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/293>, abgerufen am 22.11.2024.
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