Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.

Bild:
<< vorherige Seite

Hierzu wäre auch ein ganz anderer Begriff von
dem weiblichen Geschlecht erforderlich gewesen, als
ich in meiner Mutter Hause bekommen hatte.
Was ich da hörte und sah, flößte mir die Mei-
nung ein, diese Geschöpfe wären blos da, um oh-
ne Umstände zu geben und zu empfangen, was
Frau Thiernatur verlangt. Meine Mutter that
sich nie in meiner Gegenwart Zwang an, sie
sprach was sie wollte und ließ dies andern eben-
falls zu; kaum genirte man sich in Thatsachen
der Galanterie. So mittheilend und herablassend
waren alle Frauenzimmer, mit denen meine liebe
Mamma je im Umgang war, und wenn ich den
Geschichten, welche sie von Damen der höbern
Sphären erzählte, glauben sollte, so machten es
diese nicht ein Haar besser. Pelz lehrte mich
den würklichen Genuß, von dem ich eben durch
hören und aufmerken schon Begriff genug hatte,
bereits als Knabe kennen, die Bauerdirnen bo-
then sich mit vieler Willigkeit dazu an, und als
ich auf der Schule war, kam ich mit eben so
gutwilligen Weibspersonen in Bekanntschaft, wie
ich sie bis dahin hatte kennen lernen.

Es war also sehr verzeihlich, daß ich dies
ganze Geschlecht wenig achtete, sie zu nichts fähig
hielt, als zur Wollust und zum gröbsten Scherz,

wie
U 4

Hierzu waͤre auch ein ganz anderer Begriff von
dem weiblichen Geſchlecht erforderlich geweſen, als
ich in meiner Mutter Hauſe bekommen hatte.
Was ich da hoͤrte und ſah, floͤßte mir die Mei-
nung ein, dieſe Geſchoͤpfe waͤren blos da, um oh-
ne Umſtaͤnde zu geben und zu empfangen, was
Frau Thiernatur verlangt. Meine Mutter that
ſich nie in meiner Gegenwart Zwang an, ſie
ſprach was ſie wollte und ließ dies andern eben-
falls zu; kaum genirte man ſich in Thatſachen
der Galanterie. So mittheilend und herablaſſend
waren alle Frauenzimmer, mit denen meine liebe
Mamma je im Umgang war, und wenn ich den
Geſchichten, welche ſie von Damen der hoͤbern
Sphaͤren erzaͤhlte, glauben ſollte, ſo machten es
dieſe nicht ein Haar beſſer. Pelz lehrte mich
den wuͤrklichen Genuß, von dem ich eben durch
hoͤren und aufmerken ſchon Begriff genug hatte,
bereits als Knabe kennen, die Bauerdirnen bo-
then ſich mit vieler Willigkeit dazu an, und als
ich auf der Schule war, kam ich mit eben ſo
gutwilligen Weibsperſonen in Bekanntſchaft, wie
ich ſie bis dahin hatte kennen lernen.

Es war alſo ſehr verzeihlich, daß ich dies
ganze Geſchlecht wenig achtete, ſie zu nichts faͤhig
hielt, als zur Wolluſt und zum groͤbſten Scherz,

wie
U 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0315" n="311"/>
Hierzu wa&#x0364;re auch ein ganz anderer Begriff von<lb/>
dem weiblichen Ge&#x017F;chlecht erforderlich gewe&#x017F;en, als<lb/>
ich in meiner Mutter Hau&#x017F;e bekommen hatte.<lb/>
Was ich da ho&#x0364;rte und &#x017F;ah, flo&#x0364;ßte mir die Mei-<lb/>
nung ein, die&#x017F;e Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe wa&#x0364;ren blos da, um oh-<lb/>
ne Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu geben und zu empfangen, was<lb/>
Frau Thiernatur verlangt. Meine Mutter that<lb/>
&#x017F;ich nie in meiner Gegenwart Zwang an, &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;prach was &#x017F;ie wollte und ließ dies andern eben-<lb/>
falls zu; kaum genirte man &#x017F;ich in That&#x017F;achen<lb/>
der Galanterie. So mittheilend und herabla&#x017F;&#x017F;end<lb/>
waren alle Frauenzimmer, mit denen meine liebe<lb/>
Mamma je im Umgang war, und wenn ich den<lb/>
Ge&#x017F;chichten, welche &#x017F;ie von Damen der ho&#x0364;bern<lb/>
Spha&#x0364;ren erza&#x0364;hlte, glauben &#x017F;ollte, &#x017F;o machten es<lb/>
die&#x017F;e nicht ein Haar be&#x017F;&#x017F;er. Pelz lehrte mich<lb/>
den wu&#x0364;rklichen Genuß, von dem ich eben durch<lb/>
ho&#x0364;ren und aufmerken &#x017F;chon Begriff genug hatte,<lb/>
bereits als Knabe kennen, die Bauerdirnen bo-<lb/>
then &#x017F;ich mit vieler Willigkeit dazu an, und als<lb/>
ich auf der Schule war, kam ich mit eben &#x017F;o<lb/>
gutwilligen Weibsper&#x017F;onen in Bekannt&#x017F;chaft, wie<lb/>
ich &#x017F;ie bis dahin hatte kennen lernen.</p><lb/>
        <p>Es war al&#x017F;o &#x017F;ehr verzeihlich, daß ich dies<lb/>
ganze Ge&#x017F;chlecht wenig achtete, &#x017F;ie zu nichts fa&#x0364;hig<lb/>
hielt, als zur Wollu&#x017F;t und zum gro&#x0364;b&#x017F;ten Scherz,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">U 4</fw><fw place="bottom" type="catch">wie</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0315] Hierzu waͤre auch ein ganz anderer Begriff von dem weiblichen Geſchlecht erforderlich geweſen, als ich in meiner Mutter Hauſe bekommen hatte. Was ich da hoͤrte und ſah, floͤßte mir die Mei- nung ein, dieſe Geſchoͤpfe waͤren blos da, um oh- ne Umſtaͤnde zu geben und zu empfangen, was Frau Thiernatur verlangt. Meine Mutter that ſich nie in meiner Gegenwart Zwang an, ſie ſprach was ſie wollte und ließ dies andern eben- falls zu; kaum genirte man ſich in Thatſachen der Galanterie. So mittheilend und herablaſſend waren alle Frauenzimmer, mit denen meine liebe Mamma je im Umgang war, und wenn ich den Geſchichten, welche ſie von Damen der hoͤbern Sphaͤren erzaͤhlte, glauben ſollte, ſo machten es dieſe nicht ein Haar beſſer. Pelz lehrte mich den wuͤrklichen Genuß, von dem ich eben durch hoͤren und aufmerken ſchon Begriff genug hatte, bereits als Knabe kennen, die Bauerdirnen bo- then ſich mit vieler Willigkeit dazu an, und als ich auf der Schule war, kam ich mit eben ſo gutwilligen Weibsperſonen in Bekanntſchaft, wie ich ſie bis dahin hatte kennen lernen. Es war alſo ſehr verzeihlich, daß ich dies ganze Geſchlecht wenig achtete, ſie zu nichts faͤhig hielt, als zur Wolluſt und zum groͤbſten Scherz, wie U 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/315
Zitationshilfe: Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/315>, abgerufen am 22.11.2024.