sein Unglück und die Umstände dabei wurden über- all erzählt und wieder erzählt; er ward weniger beklagt, als verlacht; wie dies immer geschieht, wenn einem Geitzigen Unglücksfälle solcher Art begegnen.
Jch blieb vierzehn Tage krank, sorgte für er- künstelte Hitze, ließ den Arzt rufen, die Medicin, die er verordnete, machen, und mich von meinen Bekannten im Bette besuchen. Da ich es endlich wagen durfte wieder auszugehen, war es Professor Knapp, welchem ich den ersten Besuch machte. Jch wußte ihn durch meine Beweise des aufrichtig- sten Mitgefühls so zu überzeugen, daß er wahren Trost darinnen fand, und mit dem vollkommen- sten Vertrauen von seinem traurigen Zufall sprach. Ach Gott, Herr Schnitzer, sagte er, Jhnen ah- [n]ete es wohl, daß Nehmer ein Bösewicht war, [so] hätte ich Jhrem Wink doch gefolgt! Ja wohl, [v]ersetzte ich, und ich gestehe Jhnen, Herr Profes- sor, daß ich mich wunderte, Sie so sicher über die Ehrlichkeit dieses Kerls zu sehen, ich hoffte, Sie würden mich fragen, was mich zu diesem Argwohn bewöge? Freilich hätte ich nichts eigentliches nen- nen können, aber ich hätte Jhnen dann meine Merkmale genannt. Jch nahm sie aus Nehmers Phisionomie, er glich einem Menschen, der mei-
nen
ſein Ungluͤck und die Umſtaͤnde dabei wurden uͤber- all erzaͤhlt und wieder erzaͤhlt; er ward weniger beklagt, als verlacht; wie dies immer geſchieht, wenn einem Geitzigen Ungluͤcksfaͤlle ſolcher Art begegnen.
Jch blieb vierzehn Tage krank, ſorgte fuͤr er- kuͤnſtelte Hitze, ließ den Arzt rufen, die Medicin, die er verordnete, machen, und mich von meinen Bekannten im Bette beſuchen. Da ich es endlich wagen durfte wieder auszugehen, war es Profeſſor Knapp, welchem ich den erſten Beſuch machte. Jch wußte ihn durch meine Beweiſe des aufrichtig- ſten Mitgefuͤhls ſo zu uͤberzeugen, daß er wahren Troſt darinnen fand, und mit dem vollkommen- ſten Vertrauen von ſeinem traurigen Zufall ſprach. Ach Gott, Herr Schnitzer, ſagte er, Jhnen ah- [n]ete es wohl, daß Nehmer ein Boͤſewicht war, [ſo] haͤtte ich Jhrem Wink doch gefolgt! Ja wohl, [v]erſetzte ich, und ich geſtehe Jhnen, Herr Profes- ſor, daß ich mich wunderte, Sie ſo ſicher uͤber die Ehrlichkeit dieſes Kerls zu ſehen, ich hoffte, Sie wuͤrden mich fragen, was mich zu dieſem Argwohn bewoͤge? Freilich haͤtte ich nichts eigentliches nen- nen koͤnnen, aber ich haͤtte Jhnen dann meine Merkmale genannt. Jch nahm ſie aus Nehmers Phiſionomie, er glich einem Menſchen, der mei-
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ſein Ungluͤck und die Umſtaͤnde dabei wurden uͤber-
all erzaͤhlt und wieder erzaͤhlt; er ward weniger
beklagt, als verlacht; wie dies immer geſchieht,
wenn einem Geitzigen Ungluͤcksfaͤlle ſolcher Art
begegnen.
Jch blieb vierzehn Tage krank, ſorgte fuͤr er-
kuͤnſtelte Hitze, ließ den Arzt rufen, die Medicin,
die er verordnete, machen, und mich von meinen
Bekannten im Bette beſuchen. Da ich es endlich
wagen durfte wieder auszugehen, war es Profeſſor
Knapp, welchem ich den erſten Beſuch machte.
Jch wußte ihn durch meine Beweiſe des aufrichtig-
ſten Mitgefuͤhls ſo zu uͤberzeugen, daß er wahren
Troſt darinnen fand, und mit dem vollkommen-
ſten Vertrauen von ſeinem traurigen Zufall ſprach.
Ach Gott, Herr Schnitzer, ſagte er, Jhnen ah-
nete es wohl, daß Nehmer ein Boͤſewicht war,
ſo haͤtte ich Jhrem Wink doch gefolgt! Ja wohl,
verſetzte ich, und ich geſtehe Jhnen, Herr Profes-
ſor, daß ich mich wunderte, Sie ſo ſicher uͤber die
Ehrlichkeit dieſes Kerls zu ſehen, ich hoffte, Sie
wuͤrden mich fragen, was mich zu dieſem Argwohn
bewoͤge? Freilich haͤtte ich nichts eigentliches nen-
nen koͤnnen, aber ich haͤtte Jhnen dann meine
Merkmale genannt. Jch nahm ſie aus Nehmers
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz02_1800/349>, abgerufen am 22.11.2024.
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