Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
daß ihr noch nicht wüßtet, wer er war -- Meine Hände in Unschuld, sagte er also, verantworte du es, wenn er ganz verdirbt, und dir selbst einst übel lohnt. Jch werde es nicht erleben, daß er groß wird, und sehne mich auch nicht nach einem langen Leben. Meine Mutter rümpfte bei solchen Reden das Maul und sagte nichts, dachte aber vermuth- lich: es wird gut sein, wenn du dich bald trollst. Was mich betraf, so dachte ich gar nichts dabei, und sah den Vater als einen Mann an, der etwas einfältig wäre, und doch mitreden wollte, worauf man nicht zu achten hätte. Sonst aber hielt ich ihn für einen guten Tropf, und war ihm ziemlich gewogen; er war es im ganzen Hause allein, den ich nie mit Fleiß beleidigte, oder ihm geflissentliche Kränkungen zuzog, welchen aber selbst meine Mut- ter nicht entgieng. Der ehrliche Johann Jacob mochte wohl oft auf einen Plan studiren, wie ich aus den Händen der Mutter zu bringen sein möchte; er wollte nie ganz von dem Wunsch abstehen, einen moralisch guten Tropf aus mir zu machen, und ich glaube, er hätte sein halbes Vermögen darum gegeben, wenn es hätte geschehen können. Aber zum Glück für die löblichere Absicht meiner Mutter, einen Men- schen, der sich in alles schickt, (wie sie es nehmlich aus- C 2
daß ihr noch nicht wuͤßtet, wer er war — Meine Haͤnde in Unſchuld, ſagte er alſo, verantworte du es, wenn er ganz verdirbt, und dir ſelbſt einſt uͤbel lohnt. Jch werde es nicht erleben, daß er groß wird, und ſehne mich auch nicht nach einem langen Leben. Meine Mutter ruͤmpfte bei ſolchen Reden das Maul und ſagte nichts, dachte aber vermuth- lich: es wird gut ſein, wenn du dich bald trollſt. Was mich betraf, ſo dachte ich gar nichts dabei, und ſah den Vater als einen Mann an, der etwas einfaͤltig waͤre, und doch mitreden wollte, worauf man nicht zu achten haͤtte. Sonſt aber hielt ich ihn fuͤr einen guten Tropf, und war ihm ziemlich gewogen; er war es im ganzen Hauſe allein, den ich nie mit Fleiß beleidigte, oder ihm gefliſſentliche Kraͤnkungen zuzog, welchen aber ſelbſt meine Mut- ter nicht entgieng. Der ehrliche Johann Jacob mochte wohl oft auf einen Plan ſtudiren, wie ich aus den Haͤnden der Mutter zu bringen ſein moͤchte; er wollte nie ganz von dem Wunſch abſtehen, einen moraliſch guten Tropf aus mir zu machen, und ich glaube, er haͤtte ſein halbes Vermoͤgen darum gegeben, wenn es haͤtte geſchehen koͤnnen. Aber zum Gluͤck fuͤr die loͤblichere Abſicht meiner Mutter, einen Men- ſchen, der ſich in alles ſchickt, (wie ſie es nehmlich aus- C 2
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#SUS"> <p><pb facs="#f0039" n="35"/> daß ihr noch nicht wuͤßtet, wer er war — Meine<lb/> Haͤnde in Unſchuld, ſagte er alſo, verantworte du<lb/> es, wenn er ganz verdirbt, und dir ſelbſt einſt uͤbel<lb/> lohnt. Jch werde es nicht erleben, daß er groß<lb/> wird, und ſehne mich auch nicht nach einem langen<lb/> Leben. Meine Mutter ruͤmpfte bei ſolchen Reden<lb/> das Maul und ſagte nichts, dachte aber vermuth-<lb/> lich: es wird gut ſein, wenn du dich bald trollſt.<lb/> Was mich betraf, ſo dachte ich gar nichts dabei,<lb/> und ſah den Vater als einen Mann an, der etwas<lb/> einfaͤltig waͤre, und doch mitreden wollte, worauf<lb/> man nicht zu achten haͤtte. Sonſt aber hielt ich<lb/> ihn fuͤr einen guten Tropf, und war ihm ziemlich<lb/> gewogen; er war es im ganzen Hauſe allein, den<lb/> ich nie mit Fleiß beleidigte, oder ihm gefliſſentliche<lb/> Kraͤnkungen zuzog, welchen aber ſelbſt meine Mut-<lb/> ter nicht entgieng.</p><lb/> <p>Der ehrliche Johann Jacob mochte wohl oft<lb/> auf einen Plan ſtudiren, wie ich aus den Haͤnden<lb/> der Mutter zu bringen ſein moͤchte; er wollte nie<lb/> ganz von dem Wunſch abſtehen, einen moraliſch<lb/> guten Tropf aus mir zu machen, und ich glaube,<lb/> er haͤtte ſein halbes Vermoͤgen darum gegeben, wenn<lb/> es haͤtte geſchehen koͤnnen. Aber zum Gluͤck fuͤr<lb/> die loͤblichere Abſicht meiner Mutter, einen Men-<lb/> ſchen, der ſich in alles ſchickt, (wie ſie es nehmlich<lb/> <fw place="bottom" type="sig">C 2</fw><fw place="bottom" type="catch">aus-</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [35/0039]
daß ihr noch nicht wuͤßtet, wer er war — Meine
Haͤnde in Unſchuld, ſagte er alſo, verantworte du
es, wenn er ganz verdirbt, und dir ſelbſt einſt uͤbel
lohnt. Jch werde es nicht erleben, daß er groß
wird, und ſehne mich auch nicht nach einem langen
Leben. Meine Mutter ruͤmpfte bei ſolchen Reden
das Maul und ſagte nichts, dachte aber vermuth-
lich: es wird gut ſein, wenn du dich bald trollſt.
Was mich betraf, ſo dachte ich gar nichts dabei,
und ſah den Vater als einen Mann an, der etwas
einfaͤltig waͤre, und doch mitreden wollte, worauf
man nicht zu achten haͤtte. Sonſt aber hielt ich
ihn fuͤr einen guten Tropf, und war ihm ziemlich
gewogen; er war es im ganzen Hauſe allein, den
ich nie mit Fleiß beleidigte, oder ihm gefliſſentliche
Kraͤnkungen zuzog, welchen aber ſelbſt meine Mut-
ter nicht entgieng.
Der ehrliche Johann Jacob mochte wohl oft
auf einen Plan ſtudiren, wie ich aus den Haͤnden
der Mutter zu bringen ſein moͤchte; er wollte nie
ganz von dem Wunſch abſtehen, einen moraliſch
guten Tropf aus mir zu machen, und ich glaube,
er haͤtte ſein halbes Vermoͤgen darum gegeben, wenn
es haͤtte geſchehen koͤnnen. Aber zum Gluͤck fuͤr
die loͤblichere Abſicht meiner Mutter, einen Men-
ſchen, der ſich in alles ſchickt, (wie ſie es nehmlich
aus-
C 2
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |