Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
sehr an sie und ihre gefälligen Manieren gewöhnt, auch stand es längst nicht mehr in meiner Macht, einen andern Willen zu haben als Rike, und so kündigte ich meiner Mutter ein für allemal an, daß jene so lange im Hause bleiben würde, als ich, weil es mir doch wohl eben so erlaubt sein würde eine Freundinn, als ihr es billig sei, einen Freund zu haben, und es ja auch nöthig wäre, daß ich, in- dem sie geheime Unterhaltungen mit Schlupflochen hätte, auch meinen Zeitvertreib genöße; ich will, setzte ich hinzu, nicht hoffen, daß Sie Jhren ein- zigen Sohn hierinnen hinderlich sein werden! Es würde auch sehr zu Jhrem Nachtheil gereichen! Weinend und Haarausraufend bezeigte sie nun zwar ihr Entsetzen über die eben erhaltene Erklärung, fühlte sich aber zu ohnmätig zum Widerstand, also war Rike etabilirt. Jetzt war ich nicht mehr meiner Mutter Gold- fritzel, ihre Liebe hatte sich in Haß verwandelt, sie sprach von nichts, als meinem Undank, hatte nicht mehr, wie sonst Gefallen an meiner Lebhaftigkeit, meinem Witz und meiner vollkommenen Gabe, mich zu benehmen, und mich in alles zu schicken; schon zu- viel hatte sie dadurch gelitten, und sie sahe, es ging auf ihren gänzlichen Ruin los. Aber all das das Einsehn, Händeringen und Jammern half nichts, sie mußte unter meinem eisernen Scepter so fort wanken, bis sie glücklich im Hospital ange- langt war. Schon seit einiger Zeit fand sie Geschmack an Liqueurs, zu diesen nahm sie Zuflucht um ihre Lei- den
ſehr an ſie und ihre gefaͤlligen Manieren gewoͤhnt, auch ſtand es laͤngſt nicht mehr in meiner Macht, einen andern Willen zu haben als Rike, und ſo kuͤndigte ich meiner Mutter ein fuͤr allemal an, daß jene ſo lange im Hauſe bleiben wuͤrde, als ich, weil es mir doch wohl eben ſo erlaubt ſein wuͤrde eine Freundinn, als ihr es billig ſei, einen Freund zu haben, und es ja auch noͤthig waͤre, daß ich, in- dem ſie geheime Unterhaltungen mit Schlupflochen haͤtte, auch meinen Zeitvertreib genoͤße; ich will, ſetzte ich hinzu, nicht hoffen, daß Sie Jhren ein- zigen Sohn hierinnen hinderlich ſein werden! Es wuͤrde auch ſehr zu Jhrem Nachtheil gereichen! Weinend und Haarausraufend bezeigte ſie nun zwar ihr Entſetzen uͤber die eben erhaltene Erklaͤrung, fuͤhlte ſich aber zu ohnmaͤtig zum Widerſtand, alſo war Rike etabilirt. Jetzt war ich nicht mehr meiner Mutter Gold- fritzel, ihre Liebe hatte ſich in Haß verwandelt, ſie ſprach von nichts, als meinem Undank, hatte nicht mehr, wie ſonſt Gefallen an meiner Lebhaftigkeit, meinem Witz und meiner vollkommenen Gabe, mich zu benehmen, und mich in alles zu ſchicken; ſchon zu- viel hatte ſie dadurch gelitten, und ſie ſahe, es ging auf ihren gaͤnzlichen Ruin los. Aber all das das Einſehn, Haͤnderingen und Jammern half nichts, ſie mußte unter meinem eiſernen Scepter ſo fort wanken, bis ſie gluͤcklich im Hoſpital ange- langt war. Schon ſeit einiger Zeit fand ſie Geſchmack an Liqueurs, zu dieſen nahm ſie Zuflucht um ihre Lei- den
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#JCH"> <p><pb facs="#f0450" n="446"/> ſehr an ſie und ihre gefaͤlligen Manieren gewoͤhnt,<lb/> auch ſtand es laͤngſt nicht mehr in meiner Macht, einen<lb/> andern Willen zu haben als Rike, und ſo kuͤndigte<lb/> ich meiner Mutter ein fuͤr allemal an, daß jene<lb/> ſo lange im Hauſe bleiben wuͤrde, als ich, weil es<lb/> mir doch wohl eben ſo erlaubt ſein wuͤrde eine<lb/> Freundinn, als ihr es billig ſei, einen Freund zu<lb/> haben, und es ja auch noͤthig waͤre, daß ich, in-<lb/> dem ſie geheime Unterhaltungen mit Schlupflochen<lb/> haͤtte, auch meinen Zeitvertreib genoͤße; ich will,<lb/> ſetzte ich hinzu, nicht hoffen, daß Sie Jhren ein-<lb/> zigen Sohn hierinnen hinderlich ſein werden! Es<lb/> wuͤrde auch ſehr zu Jhrem Nachtheil gereichen!<lb/> Weinend und Haarausraufend bezeigte ſie nun zwar<lb/> ihr Entſetzen uͤber die eben erhaltene Erklaͤrung,<lb/> fuͤhlte ſich aber zu ohnmaͤtig zum Widerſtand, alſo<lb/> war Rike etabilirt.</p><lb/> <p>Jetzt war ich nicht mehr meiner Mutter Gold-<lb/> fritzel, ihre Liebe hatte ſich in Haß verwandelt, ſie<lb/> ſprach von nichts, als meinem Undank, hatte nicht<lb/> mehr, wie ſonſt Gefallen an meiner Lebhaftigkeit,<lb/> meinem Witz und meiner vollkommenen Gabe, mich<lb/> zu benehmen, und mich in alles zu ſchicken; ſchon zu-<lb/> viel hatte ſie dadurch gelitten, und ſie ſahe, es<lb/> ging auf ihren gaͤnzlichen Ruin los. Aber all das<lb/> das Einſehn, Haͤnderingen und Jammern half<lb/> nichts, ſie mußte unter meinem eiſernen Scepter<lb/> ſo fort wanken, bis ſie gluͤcklich im Hoſpital ange-<lb/> langt war.</p><lb/> <p>Schon ſeit einiger Zeit fand ſie Geſchmack an<lb/> Liqueurs, zu dieſen nahm ſie Zuflucht um ihre Lei-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">den</fw><lb/></p> </sp> </div> </body> </text> </TEI> [446/0450]
ſehr an ſie und ihre gefaͤlligen Manieren gewoͤhnt,
auch ſtand es laͤngſt nicht mehr in meiner Macht, einen
andern Willen zu haben als Rike, und ſo kuͤndigte
ich meiner Mutter ein fuͤr allemal an, daß jene
ſo lange im Hauſe bleiben wuͤrde, als ich, weil es
mir doch wohl eben ſo erlaubt ſein wuͤrde eine
Freundinn, als ihr es billig ſei, einen Freund zu
haben, und es ja auch noͤthig waͤre, daß ich, in-
dem ſie geheime Unterhaltungen mit Schlupflochen
haͤtte, auch meinen Zeitvertreib genoͤße; ich will,
ſetzte ich hinzu, nicht hoffen, daß Sie Jhren ein-
zigen Sohn hierinnen hinderlich ſein werden! Es
wuͤrde auch ſehr zu Jhrem Nachtheil gereichen!
Weinend und Haarausraufend bezeigte ſie nun zwar
ihr Entſetzen uͤber die eben erhaltene Erklaͤrung,
fuͤhlte ſich aber zu ohnmaͤtig zum Widerſtand, alſo
war Rike etabilirt.
Jetzt war ich nicht mehr meiner Mutter Gold-
fritzel, ihre Liebe hatte ſich in Haß verwandelt, ſie
ſprach von nichts, als meinem Undank, hatte nicht
mehr, wie ſonſt Gefallen an meiner Lebhaftigkeit,
meinem Witz und meiner vollkommenen Gabe, mich
zu benehmen, und mich in alles zu ſchicken; ſchon zu-
viel hatte ſie dadurch gelitten, und ſie ſahe, es
ging auf ihren gaͤnzlichen Ruin los. Aber all das
das Einſehn, Haͤnderingen und Jammern half
nichts, ſie mußte unter meinem eiſernen Scepter
ſo fort wanken, bis ſie gluͤcklich im Hoſpital ange-
langt war.
Schon ſeit einiger Zeit fand ſie Geſchmack an
Liqueurs, zu dieſen nahm ſie Zuflucht um ihre Lei-
den
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |