Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 2. Gera, 1800.
sonst kein Mensch meine Mutter aufnehmen wollte, brachte ich sie aus Kindes-Pflicht ins Hospital, und gab, so gütig war ich, einen Theil meiner letz- ten Barschaft zu ihrer neuen Einrichtung her. Als dieß geschehn war, verließ ich sie geschwind, weil mir ihre Angst und ihr Weherufen widrig klang; nach der Zeit erfuhr ich, daß sie nur noch einige Mona- te gelebt und jeden Augenblick, wo sie bei Verstand gewesen, zu Klagen über mich angewandt habe. Jch weiß nicht, ob meine lieben Leser die Ba- roninn von Treff beklagen oder den Ausspruch thun werden, es sei ihr nach Verdienst gelohnt worden? Welches von beiden Jhnen auch Anlaß zu Refle- tions verschiedener Art geben möge, so wird es Jhnen doch, wenn sie gemacht sind, lieb sein, die Dame abgefertigt zu sehn und es nun mit mir allein zu thun zu haben. Auch werde ich, da sichs hier am besten schickt, diesen Abschnit zu schließen, im fol- genden den heroischen Fortgang auf meiner Helden- bahn desto ungestörter mittheilen. Sechster Abschnitt. Meine Wanderungen und Schicksale bis an den Galgen enthaltend. Als ich von meiner Mutter Abschied genom- armen
ſonſt kein Menſch meine Mutter aufnehmen wollte, brachte ich ſie aus Kindes-Pflicht ins Hoſpital, und gab, ſo guͤtig war ich, einen Theil meiner letz- ten Barſchaft zu ihrer neuen Einrichtung her. Als dieß geſchehn war, verließ ich ſie geſchwind, weil mir ihre Angſt und ihr Weherufen widrig klang; nach der Zeit erfuhr ich, daß ſie nur noch einige Mona- te gelebt und jeden Augenblick, wo ſie bei Verſtand geweſen, zu Klagen uͤber mich angewandt habe. Jch weiß nicht, ob meine lieben Leſer die Ba- roninn von Treff beklagen oder den Ausſpruch thun werden, es ſei ihr nach Verdienſt gelohnt worden? Welches von beiden Jhnen auch Anlaß zu Refle- tions verſchiedener Art geben moͤge, ſo wird es Jhnen doch, wenn ſie gemacht ſind, lieb ſein, die Dame abgefertigt zu ſehn und es nun mit mir allein zu thun zu haben. Auch werde ich, da ſichs hier am beſten ſchickt, dieſen Abſchnit zu ſchließen, im fol- genden den heroiſchen Fortgang auf meiner Helden- bahn deſto ungeſtoͤrter mittheilen. Sechſter Abſchnitt. Meine Wanderungen und Schickſale bis an den Galgen enthaltend. Als ich von meiner Mutter Abſchied genom- armen
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <sp who="#JCH"> <p><pb facs="#f0458" n="454"/> ſonſt kein Menſch meine Mutter aufnehmen wollte,<lb/> brachte ich ſie aus Kindes-Pflicht ins Hoſpital,<lb/> und gab, ſo guͤtig war ich, einen Theil meiner letz-<lb/> ten Barſchaft zu ihrer neuen Einrichtung her. Als<lb/> dieß geſchehn war, verließ ich ſie geſchwind, weil<lb/> mir ihre Angſt und ihr Weherufen widrig klang; nach<lb/> der Zeit erfuhr ich, daß ſie nur noch einige Mona-<lb/> te gelebt und jeden Augenblick, wo ſie bei Verſtand<lb/> geweſen, zu Klagen uͤber mich angewandt habe.</p><lb/> <p>Jch weiß nicht, ob meine lieben Leſer die Ba-<lb/> roninn von Treff beklagen oder den Ausſpruch thun<lb/> werden, es ſei ihr nach Verdienſt gelohnt worden?<lb/> Welches von beiden Jhnen auch Anlaß zu Refle-<lb/> tions verſchiedener Art geben moͤge, ſo wird es<lb/> Jhnen doch, wenn ſie gemacht ſind, lieb ſein, die<lb/> Dame abgefertigt zu ſehn und es nun mit mir allein<lb/> zu thun zu haben. Auch werde ich, da ſichs hier am<lb/> beſten ſchickt, dieſen Abſchnit zu ſchließen, im fol-<lb/> genden den heroiſchen Fortgang auf meiner Helden-<lb/> bahn deſto ungeſtoͤrter mittheilen.</p> </sp> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head><hi rendition="#g">Sechſter Abſchnitt.</hi><lb/> Meine Wanderungen und Schickſale bis<lb/> an den Galgen enthaltend.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p><hi rendition="#in">A</hi>ls ich von meiner Mutter Abſchied genom-<lb/> men hatte, ſpatzierte ich vor die Stadt, in deren<lb/> <fw place="bottom" type="catch">armen</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [454/0458]
ſonſt kein Menſch meine Mutter aufnehmen wollte,
brachte ich ſie aus Kindes-Pflicht ins Hoſpital,
und gab, ſo guͤtig war ich, einen Theil meiner letz-
ten Barſchaft zu ihrer neuen Einrichtung her. Als
dieß geſchehn war, verließ ich ſie geſchwind, weil
mir ihre Angſt und ihr Weherufen widrig klang; nach
der Zeit erfuhr ich, daß ſie nur noch einige Mona-
te gelebt und jeden Augenblick, wo ſie bei Verſtand
geweſen, zu Klagen uͤber mich angewandt habe.
Jch weiß nicht, ob meine lieben Leſer die Ba-
roninn von Treff beklagen oder den Ausſpruch thun
werden, es ſei ihr nach Verdienſt gelohnt worden?
Welches von beiden Jhnen auch Anlaß zu Refle-
tions verſchiedener Art geben moͤge, ſo wird es
Jhnen doch, wenn ſie gemacht ſind, lieb ſein, die
Dame abgefertigt zu ſehn und es nun mit mir allein
zu thun zu haben. Auch werde ich, da ſichs hier am
beſten ſchickt, dieſen Abſchnit zu ſchließen, im fol-
genden den heroiſchen Fortgang auf meiner Helden-
bahn deſto ungeſtoͤrter mittheilen.
Sechſter Abſchnitt.
Meine Wanderungen und Schickſale bis
an den Galgen enthaltend.
Als ich von meiner Mutter Abſchied genom-
men hatte, ſpatzierte ich vor die Stadt, in deren
armen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |