Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

überzeugt, Sie werden sämmtlich die Lust verlieren, den Cretin, wie Sie ihn zu nennen belieben, in Zukunft zu necken. Rasch hatten sich die Streitenden in einen Kreis aufmerksam ruhiger Zuhörer verwandelt, und B. begann:

Der arme Josy, den Sie jetzt als bleiches Jammerbild verhöhnen, würde vor achtzehn Jahren Ihren Spott wohl nicht so ungestraft hingenommen haben; denn damals war er der schönste, aufgeweckteste und frischeste Bursche in der ganzen hiesigen Garnison. Dabei gutmüthig und rechtlich bis zum Excentrischen, genoß er die ungetheilte Liebe und Achtung Aller, die ihn kannten. Von seinen Vorgesetzten wurde er den Kameraden im Regimente stets als Muster und Beispiel angeführt, ohne je den Neid derselben zu erregen, die im Gegentheil mit einer Art von gerechtem Stolz über die Auszeichnung erfüllt waren, mit welcher der gute Josy überhäuft wurde. Mit beispielloser Freundschaft aber hing der treue Bursche an seinem Landsmann und Jugendgespielen Istvan (Ischtvan), der mit ihm in Einer Compagnie diente, mit dem er aufgewachsen, an den ihn jahrelanges Zusammensein, gleiche Gewohnheiten und erwiderte Herzlichkeiten mit tausend Banden fesselten. In einem hitzigen Nervenfieber hatte Istvan den dankbaren Josy mit aufopfernder Bruderliebe gepflegt, dieser den etwas leichtsinnigen Kumpan dagegen einmal vor einer bedeutenden Regimentsstrafe gerettet, indem er dessen Vergehen auf sich nahm und sich der

überzeugt, Sie werden sämmtlich die Lust verlieren, den Cretin, wie Sie ihn zu nennen belieben, in Zukunft zu necken. Rasch hatten sich die Streitenden in einen Kreis aufmerksam ruhiger Zuhörer verwandelt, und B. begann:

Der arme Josy, den Sie jetzt als bleiches Jammerbild verhöhnen, würde vor achtzehn Jahren Ihren Spott wohl nicht so ungestraft hingenommen haben; denn damals war er der schönste, aufgeweckteste und frischeste Bursche in der ganzen hiesigen Garnison. Dabei gutmüthig und rechtlich bis zum Excentrischen, genoß er die ungetheilte Liebe und Achtung Aller, die ihn kannten. Von seinen Vorgesetzten wurde er den Kameraden im Regimente stets als Muster und Beispiel angeführt, ohne je den Neid derselben zu erregen, die im Gegentheil mit einer Art von gerechtem Stolz über die Auszeichnung erfüllt waren, mit welcher der gute Josy überhäuft wurde. Mit beispielloser Freundschaft aber hing der treue Bursche an seinem Landsmann und Jugendgespielen Istvan (Ischtvan), der mit ihm in Einer Compagnie diente, mit dem er aufgewachsen, an den ihn jahrelanges Zusammensein, gleiche Gewohnheiten und erwiderte Herzlichkeiten mit tausend Banden fesselten. In einem hitzigen Nervenfieber hatte Istvan den dankbaren Josy mit aufopfernder Bruderliebe gepflegt, dieser den etwas leichtsinnigen Kumpan dagegen einmal vor einer bedeutenden Regimentsstrafe gerettet, indem er dessen Vergehen auf sich nahm und sich der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <p><pb facs="#f0017"/>
überzeugt, Sie werden sämmtlich die Lust                verlieren, den Cretin, wie Sie ihn zu nennen belieben, in Zukunft zu necken. Rasch                hatten sich die Streitenden in einen Kreis aufmerksam ruhiger Zuhörer verwandelt, und                B. begann:</p><lb/>
        <p>Der arme Josy, den Sie jetzt als bleiches Jammerbild verhöhnen, würde vor achtzehn                Jahren Ihren Spott wohl nicht so ungestraft hingenommen haben; denn damals war er der                schönste, aufgeweckteste und frischeste Bursche in der ganzen hiesigen Garnison.                Dabei gutmüthig und rechtlich bis zum Excentrischen, genoß er die ungetheilte Liebe                und Achtung Aller, die ihn kannten. Von seinen Vorgesetzten wurde er den Kameraden im                Regimente stets als Muster und Beispiel angeführt, ohne je den Neid derselben zu                erregen, die im Gegentheil mit einer Art von gerechtem Stolz über die Auszeichnung                erfüllt waren, mit welcher der gute Josy überhäuft wurde. Mit beispielloser                Freundschaft aber hing der treue Bursche an seinem Landsmann und Jugendgespielen                Istvan (Ischtvan), der mit ihm in Einer Compagnie diente, mit dem er aufgewachsen, an                den ihn jahrelanges Zusammensein, gleiche Gewohnheiten und erwiderte Herzlichkeiten                mit tausend Banden fesselten. In einem hitzigen Nervenfieber hatte Istvan den                dankbaren Josy mit aufopfernder Bruderliebe gepflegt, dieser den etwas leichtsinnigen                Kumpan dagegen einmal vor einer bedeutenden Regimentsstrafe gerettet, indem er dessen                Vergehen auf sich nahm und sich der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0017] überzeugt, Sie werden sämmtlich die Lust verlieren, den Cretin, wie Sie ihn zu nennen belieben, in Zukunft zu necken. Rasch hatten sich die Streitenden in einen Kreis aufmerksam ruhiger Zuhörer verwandelt, und B. begann: Der arme Josy, den Sie jetzt als bleiches Jammerbild verhöhnen, würde vor achtzehn Jahren Ihren Spott wohl nicht so ungestraft hingenommen haben; denn damals war er der schönste, aufgeweckteste und frischeste Bursche in der ganzen hiesigen Garnison. Dabei gutmüthig und rechtlich bis zum Excentrischen, genoß er die ungetheilte Liebe und Achtung Aller, die ihn kannten. Von seinen Vorgesetzten wurde er den Kameraden im Regimente stets als Muster und Beispiel angeführt, ohne je den Neid derselben zu erregen, die im Gegentheil mit einer Art von gerechtem Stolz über die Auszeichnung erfüllt waren, mit welcher der gute Josy überhäuft wurde. Mit beispielloser Freundschaft aber hing der treue Bursche an seinem Landsmann und Jugendgespielen Istvan (Ischtvan), der mit ihm in Einer Compagnie diente, mit dem er aufgewachsen, an den ihn jahrelanges Zusammensein, gleiche Gewohnheiten und erwiderte Herzlichkeiten mit tausend Banden fesselten. In einem hitzigen Nervenfieber hatte Istvan den dankbaren Josy mit aufopfernder Bruderliebe gepflegt, dieser den etwas leichtsinnigen Kumpan dagegen einmal vor einer bedeutenden Regimentsstrafe gerettet, indem er dessen Vergehen auf sich nahm und sich der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:02:20Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:02:20Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910/17
Zitationshilfe: Wallner, Franz: Der arme Josy. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 15. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 147–167. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallner_josy_1910/17>, abgerufen am 23.11.2024.