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Walter, Marie: Das Frauenstimmrecht. Zürich, 1913.

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eine große Anzahl, die sich für die Frau noch besser eignen als für
den Mann. Sicherlich bleibt nicht zu befürchten, daß die Frauen
die spezifisch männlichen Berufe, jene des Bahnbeamten, Poli-
zisten, Packträgers usw. auswählen werden, um dafür den Män-
nern die weiblichen Berufe, wie Näherei, Blumenmachen, Putz
usw. zu überlassen. Vielmehr sorgt heute die Arbeitsteilung
schon dafür, und wird dies in der sozialistischen Gesellschaft noch
zweckdienlicher geschehen, daß jedes, Mann und Weib, diejenigen
Kulturwerte schafft, die seiner natürlichen Veranlagung und
seinem Charakter entsprechen.

Die gedankenlose Phrase: Die Frau gehört ins Haus, wird
millionenhaft Lügen gestraft. Kapitalistische Profitsucht und
proletarische Not treiben die Mutter oft genug vom Säugling
weg ins qualvolle, auf die Dauer schier unerträgliche Sklavenjoch
des Erwerbs. Wo findet sich übrigens heute ein Gegenstand, ein
Kunstprodukt, das ohne das Zutun der Frauen geschaffen
wird? Harte sehnige Frauenkörper, die allen Liebreiz verloren,
arbeiten gleich Männern im dunkeln Berginnern. Jch erinnere
hier nur an die plastischen, monumentalen Darstellungen eines
Meunier. Frauen sind es, die hinaufsteigen auf die schwankenden
Gerüste, Frauen, die schaffen am feuerlohenden Gießofen. Ströme
warmen, lebendigen, lustglühenden Blutes verrauchen in den von
Dunst und Staub erfüllten Arbeitszwingern. Selbst die Macht
der Religion weicht zurück vor dem Kommandoruf des Kapitals,
das gefühllos hinwegschreitet über Legionen in seinem Dienst er-
töteter Menschenleiber und Menschenseelen. Die von den klas-
sischen Weltphilosophen gekündete Heiligkeit des Lebens ist in den
Staub getreten. Denn heilig ist allein der Besitz, heilig ist nur
das Kapital.

Allein die drängende Flut des Lebens, das geschichtliche Ver-
gehen und Werden, wandelt alles Bestehende, schafft neue Formen,
neue Jdeen, neue Daseinsnormen. Das Dogma von der Heilig-
keit des Besitzes ist bereits vom wissenschaftlichen Sozialismus,
durch seine großen Bekenner, Marx und Engels, als ein unrecht-
mäßiges heuchlerisches Jnstrument in der Hand brutalen Eigen-
nutzes gebrandmarkt worden. Jn gleicher Weise mußte die bür-
gerliche Wissenschaft die Lehre von der Minderwertigkeit der
weiblichen Begabung, dieses Ergebnis allzu kühnen Forschergeistes,
einer Revision unterziehen. Diese Theorie spuckt zwar bewußt
und unbewußt noch in manchem Männerkopf. Doch lassen wir
die Theorie und begnügen wir uns mit der Tatsache, daß die Pro-
duktion auf die Arbeitskraft und die besonderen Fähigkeiten der
Frau geradezu angewiesen ist und ihrer nicht mehr entraten kann.

Aus dem kleinen Haus, der engumgrenzten Häuslichkeit, hat
der unaufhaltsame Entwicklungsprozeß in der Gesellschaft die

eine große Anzahl, die sich für die Frau noch besser eignen als für
den Mann. Sicherlich bleibt nicht zu befürchten, daß die Frauen
die spezifisch männlichen Berufe, jene des Bahnbeamten, Poli-
zisten, Packträgers usw. auswählen werden, um dafür den Män-
nern die weiblichen Berufe, wie Näherei, Blumenmachen, Putz
usw. zu überlassen. Vielmehr sorgt heute die Arbeitsteilung
schon dafür, und wird dies in der sozialistischen Gesellschaft noch
zweckdienlicher geschehen, daß jedes, Mann und Weib, diejenigen
Kulturwerte schafft, die seiner natürlichen Veranlagung und
seinem Charakter entsprechen.

Die gedankenlose Phrase: Die Frau gehört ins Haus, wird
millionenhaft Lügen gestraft. Kapitalistische Profitsucht und
proletarische Not treiben die Mutter oft genug vom Säugling
weg ins qualvolle, auf die Dauer schier unerträgliche Sklavenjoch
des Erwerbs. Wo findet sich übrigens heute ein Gegenstand, ein
Kunstprodukt, das ohne das Zutun der Frauen geschaffen
wird? Harte sehnige Frauenkörper, die allen Liebreiz verloren,
arbeiten gleich Männern im dunkeln Berginnern. Jch erinnere
hier nur an die plastischen, monumentalen Darstellungen eines
Meunier. Frauen sind es, die hinaufsteigen auf die schwankenden
Gerüste, Frauen, die schaffen am feuerlohenden Gießofen. Ströme
warmen, lebendigen, lustglühenden Blutes verrauchen in den von
Dunst und Staub erfüllten Arbeitszwingern. Selbst die Macht
der Religion weicht zurück vor dem Kommandoruf des Kapitals,
das gefühllos hinwegschreitet über Legionen in seinem Dienst er-
töteter Menschenleiber und Menschenseelen. Die von den klas-
sischen Weltphilosophen gekündete Heiligkeit des Lebens ist in den
Staub getreten. Denn heilig ist allein der Besitz, heilig ist nur
das Kapital.

Allein die drängende Flut des Lebens, das geschichtliche Ver-
gehen und Werden, wandelt alles Bestehende, schafft neue Formen,
neue Jdeen, neue Daseinsnormen. Das Dogma von der Heilig-
keit des Besitzes ist bereits vom wissenschaftlichen Sozialismus,
durch seine großen Bekenner, Marx und Engels, als ein unrecht-
mäßiges heuchlerisches Jnstrument in der Hand brutalen Eigen-
nutzes gebrandmarkt worden. Jn gleicher Weise mußte die bür-
gerliche Wissenschaft die Lehre von der Minderwertigkeit der
weiblichen Begabung, dieses Ergebnis allzu kühnen Forschergeistes,
einer Revision unterziehen. Diese Theorie spuckt zwar bewußt
und unbewußt noch in manchem Männerkopf. Doch lassen wir
die Theorie und begnügen wir uns mit der Tatsache, daß die Pro-
duktion auf die Arbeitskraft und die besonderen Fähigkeiten der
Frau geradezu angewiesen ist und ihrer nicht mehr entraten kann.

Aus dem kleinen Haus, der engumgrenzten Häuslichkeit, hat
der unaufhaltsame Entwicklungsprozeß in der Gesellschaft die

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[16/0016] eine große Anzahl, die sich für die Frau noch besser eignen als für den Mann. Sicherlich bleibt nicht zu befürchten, daß die Frauen die spezifisch männlichen Berufe, jene des Bahnbeamten, Poli- zisten, Packträgers usw. auswählen werden, um dafür den Män- nern die weiblichen Berufe, wie Näherei, Blumenmachen, Putz usw. zu überlassen. Vielmehr sorgt heute die Arbeitsteilung schon dafür, und wird dies in der sozialistischen Gesellschaft noch zweckdienlicher geschehen, daß jedes, Mann und Weib, diejenigen Kulturwerte schafft, die seiner natürlichen Veranlagung und seinem Charakter entsprechen. Die gedankenlose Phrase: Die Frau gehört ins Haus, wird millionenhaft Lügen gestraft. Kapitalistische Profitsucht und proletarische Not treiben die Mutter oft genug vom Säugling weg ins qualvolle, auf die Dauer schier unerträgliche Sklavenjoch des Erwerbs. Wo findet sich übrigens heute ein Gegenstand, ein Kunstprodukt, das ohne das Zutun der Frauen geschaffen wird? Harte sehnige Frauenkörper, die allen Liebreiz verloren, arbeiten gleich Männern im dunkeln Berginnern. Jch erinnere hier nur an die plastischen, monumentalen Darstellungen eines Meunier. Frauen sind es, die hinaufsteigen auf die schwankenden Gerüste, Frauen, die schaffen am feuerlohenden Gießofen. Ströme warmen, lebendigen, lustglühenden Blutes verrauchen in den von Dunst und Staub erfüllten Arbeitszwingern. Selbst die Macht der Religion weicht zurück vor dem Kommandoruf des Kapitals, das gefühllos hinwegschreitet über Legionen in seinem Dienst er- töteter Menschenleiber und Menschenseelen. Die von den klas- sischen Weltphilosophen gekündete Heiligkeit des Lebens ist in den Staub getreten. Denn heilig ist allein der Besitz, heilig ist nur das Kapital. Allein die drängende Flut des Lebens, das geschichtliche Ver- gehen und Werden, wandelt alles Bestehende, schafft neue Formen, neue Jdeen, neue Daseinsnormen. Das Dogma von der Heilig- keit des Besitzes ist bereits vom wissenschaftlichen Sozialismus, durch seine großen Bekenner, Marx und Engels, als ein unrecht- mäßiges heuchlerisches Jnstrument in der Hand brutalen Eigen- nutzes gebrandmarkt worden. Jn gleicher Weise mußte die bür- gerliche Wissenschaft die Lehre von der Minderwertigkeit der weiblichen Begabung, dieses Ergebnis allzu kühnen Forschergeistes, einer Revision unterziehen. Diese Theorie spuckt zwar bewußt und unbewußt noch in manchem Männerkopf. Doch lassen wir die Theorie und begnügen wir uns mit der Tatsache, daß die Pro- duktion auf die Arbeitskraft und die besonderen Fähigkeiten der Frau geradezu angewiesen ist und ihrer nicht mehr entraten kann. Aus dem kleinen Haus, der engumgrenzten Häuslichkeit, hat der unaufhaltsame Entwicklungsprozeß in der Gesellschaft die

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-10T14:18:39Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-10T14:18:39Z)

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Zitationshilfe: Walter, Marie: Das Frauenstimmrecht. Zürich, 1913, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walter_frauenstimmrecht_1913/16>, abgerufen am 03.12.2024.