Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.Quellen betraf, wiederhergestellt werden, wobei natürlich viel Sprichwörter, die aus der Lektüre vor einigen Jahrzehnten gesammelt worden sind, ohne Quellenangabe bleiben mussten, wenn solche nicht im einzelnen Falle den Sprichwörtern beigeschrieben worden war. Ein grosser Theil dieser Sprichwörter musste zu meinem Bedauern meist der Quellenangabe entbehren, soweit ich nicht inzwischen andere Quellen dafür auffand. Mit jedem Bogen ist nun aber die Quellenangabe vollständiger geworden. Manchen für den innern Ausbau des Werks ausgesprochenen Wunsch habe ich nicht erfüllen können, weil die Kraft begrenzt ist. Indess beziehen sich die gemachten Ausstellungen meist nur auf untergeordnete Punkte, wie Druckfehler, Irrthümer in den Erklärungen, Wiederholungen u. dgl. Was ich indess selbst als eine wesentliche Verbesserung des Lexikons erkannt habe, ist, soweit mir bekannt, bisjetzt noch nirgends als Bedürfniss empfunden worden. Es war nämlich meine Absicht, wie ich der Kritik gegenüber, welche behufs des andern Ausbaues ihre Wünsche ausgesprochen hat, ergänzend hinzufüge, da, wo sich bei einem Sprichwort mehrere Citate finden, sie so zu ordnen, dass dadurch gewissermassen zugleich die Literaturgeschichte der betreffenden Sprichwörter gegeben sei und vor Augen träte. Das Sprichwort sollte stets in der Fassung der ältesten Quelle, der erstgenannten gedruckt werden, und dann sollten die übrigen chronologisch dahinter folgen, also z. B. Tunnicius (1515), Agricola (1528), Franck (1541), Tappius (1545), Eyering (1601), Petri (1605), Gruter (1610), Henisch (1616), Lehmann (1630), Schottel (1663), Sutor (1740) u. s. w. Am liebsten hätte ich das betreffende Sprichwort, nachdem es in der ältesten Lesart mit laufender Zahl im Text des Lexikons aufgenommen war, mit kleiner Schrift in den abweichenden Lesarten der bedeutendsten Schriftsteller abdrucken lassen, um die Sprachentwickelung oder den Charakter der Sprache daran zu veranschaulichen. Es sollten in ähnlicher Weise, soweit dies ausführbar, die citirten Schriften wissenschaftlich gruppirt werden, also z. B. bei Rechtssprichwörtern Pistorius (1716), Hertius (1760), Estor (1757-67), Eisenhart (1823), Hillebrand (1858), Graf (1862), es würde dann in den Allegaten nicht allein die Geschichte des betreffenden Sprichworts, und seine sprachliche Entwickelung, sondern in einer Gruppe seine verschiedenen pädagogischen, juridischen, medicinischen, landwirthschaftlichen u. s. w. Bearbeitungen hervorgetreten sein. Ein fernerer Wunsch ging dahin, den Sprichwörtern in hochdeutscher Fassung dasselbe in den verschiedenen Dialekten unmittelbar folgen zu lassen. Die Sprichwörter, welche jetzt z. B. unter Einem Stichwort hochdeutsch unter Nr. 10, ostfriesisch unter 20, nordfriesisch unter 15 u. s. w. stehen, würden stets eine Gruppe unter derselben Zahl, mit der hochdeutschen Fassung an der Spitze, gebildet haben. Es würde dies, nebst den Verweisungen auf verwandte oder widersprechende Sprichwörter u. s. w., wovon an einer andern Stelle die Rede ist, eine wesentliche Verbesserung gebildet haben. Allein ich musste von der Ausführung dieser und anderer Ideen wegen Mangels an Hülfskräften und Unterstützung abstehen, da diese Arbeiten meine Kräfte übersteigen; ich musste ihrer aber hier gedenken, damit nicht etwa von anderer Seite diese Ideen als mir unbekannte Verbesserungen hervorgehoben werden. Nur Herr Kreisgerichtsdirector Ottow in Landeshut, dessen vielseitiger und ausdauernder Unterstützung an einer andern Stelle dankbar gedacht ist, hat wiederholentlich eine historische Anordnung der Allegate als wünschenswerth in Erinnerung gebracht. Aber kaum ist es mir möglich, die Citate einzutragen, und dahin zu wirken, dass der Abdruck in der Lesart der ersten, womöglich ältesten Quelle erfolgt. Nur unter sehr günstigen Umständen, wie bei kurzen Artikeln und, wenn nicht viel Nachschlagungen und Vergleichungen nothwendig werden, vermag ich mehr als einhundert Citate täglich bei der angestrengtesten Thätigkeit beizufügen; meist wird diese Zahl gar nicht erreicht. Wer die Allegate auch nur eines einzigen Bogens zählt, wird beurtheilen können, welche Zeit und Kraft die Quellenangabe erfordert. Zur Ausführung dieser und anderer Wünsche hätte ich mindestens einer zweiten sehr tüchtigen Arbeitskraft, wahrscheinlich zweier Hülfskräfte bedurft. Ich besitze nur die meinige, die an sich schon für zwei in Anspruch genommen ist. Da ich glaube, es gehört zur Geschichte, wenn man will, zur Leidensgeschichte des Deutschen Sprichwörter-Lexikon, so wird es wol hier gestattet sein, davon zu reden. Ich befand mich vor Beginn des Drucks in der That in dem Aberglauben, es würden sich in Deutschland irgendwo die Mittel zur Unterhaltung der erforderlichen Hülfe bei der Herausgabe finden; aber sie haben sich nicht gefunden. Ich habe für jeden Bogen Manuscript, der in die Druckerei geht, zu prüfen, ob aus der gesammten hochdeutschen Sprichwörterliteratur alles aufgenommen ist; ich habe aus allen handschriftlichen Zusendungen im Manuscript die Nachträge zu besorgen, aus funfzig bis sechzig deutschen Mundarten die Auszüge zu machen und aus dem Sprichwörterschatz von zehn bis zwölf fremden Sprachen die sinnverwandten Sprichwörter herauszufinden, ihnen ihre Stelle anzuweisen, und nebenbei die Correcturen und Revisionsbogen zu lesen, von denen einzelne bei umfangreichen Artikeln wie: "Frau", "Geld", "Gott" u. a. eine volle Woche bis zur völligsten Erschöpfung in Anspruch nehmen. Und diese Arbeit ist nicht im Abnehmen, sie wächst täglich. Habe ich mich nun über die deutsche Kritik, soweit ich von der genialen Mustersammlung von Leberflecken, Muttermalen und Sommersprossen, die ein "specifischer Gelehrter" in den Blättern für literarische Unterhaltung (Nr. 30 für 1863 und Nr. 50 für 1866) zwar unter dem Titel Zur Sprichwörterliteratur, aber wol nur für den Zweck anlegt, die Unwissenheit eines "Schulmeisters" dem zünftigen Quellen betraf, wiederhergestellt werden, wobei natürlich viel Sprichwörter, die aus der Lektüre vor einigen Jahrzehnten gesammelt worden sind, ohne Quellenangabe bleiben mussten, wenn solche nicht im einzelnen Falle den Sprichwörtern beigeschrieben worden war. Ein grosser Theil dieser Sprichwörter musste zu meinem Bedauern meist der Quellenangabe entbehren, soweit ich nicht inzwischen andere Quellen dafür auffand. Mit jedem Bogen ist nun aber die Quellenangabe vollständiger geworden. Manchen für den innern Ausbau des Werks ausgesprochenen Wunsch habe ich nicht erfüllen können, weil die Kraft begrenzt ist. Indess beziehen sich die gemachten Ausstellungen meist nur auf untergeordnete Punkte, wie Druckfehler, Irrthümer in den Erklärungen, Wiederholungen u. dgl. Was ich indess selbst als eine wesentliche Verbesserung des Lexikons erkannt habe, ist, soweit mir bekannt, bisjetzt noch nirgends als Bedürfniss empfunden worden. Es war nämlich meine Absicht, wie ich der Kritik gegenüber, welche behufs des andern Ausbaues ihre Wünsche ausgesprochen hat, ergänzend hinzufüge, da, wo sich bei einem Sprichwort mehrere Citate finden, sie so zu ordnen, dass dadurch gewissermassen zugleich die Literaturgeschichte der betreffenden Sprichwörter gegeben sei und vor Augen träte. Das Sprichwort sollte stets in der Fassung der ältesten Quelle, der erstgenannten gedruckt werden, und dann sollten die übrigen chronologisch dahinter folgen, also z. B. Tunnicius (1515), Agricola (1528), Franck (1541), Tappius (1545), Eyering (1601), Petri (1605), Gruter (1610), Henisch (1616), Lehmann (1630), Schottel (1663), Sutor (1740) u. s. w. Am liebsten hätte ich das betreffende Sprichwort, nachdem es in der ältesten Lesart mit laufender Zahl im Text des Lexikons aufgenommen war, mit kleiner Schrift in den abweichenden Lesarten der bedeutendsten Schriftsteller abdrucken lassen, um die Sprachentwickelung oder den Charakter der Sprache daran zu veranschaulichen. Es sollten in ähnlicher Weise, soweit dies ausführbar, die citirten Schriften wissenschaftlich gruppirt werden, also z. B. bei Rechtssprichwörtern Pistorius (1716), Hertius (1760), Estor (1757-67), Eisenhart (1823), Hillebrand (1858), Graf (1862), es würde dann in den Allegaten nicht allein die Geschichte des betreffenden Sprichworts, und seine sprachliche Entwickelung, sondern in einer Gruppe seine verschiedenen pädagogischen, juridischen, medicinischen, landwirthschaftlichen u. s. w. Bearbeitungen hervorgetreten sein. Ein fernerer Wunsch ging dahin, den Sprichwörtern in hochdeutscher Fassung dasselbe in den verschiedenen Dialekten unmittelbar folgen zu lassen. Die Sprichwörter, welche jetzt z. B. unter Einem Stichwort hochdeutsch unter Nr. 10, ostfriesisch unter 20, nordfriesisch unter 15 u. s. w. stehen, würden stets eine Gruppe unter derselben Zahl, mit der hochdeutschen Fassung an der Spitze, gebildet haben. Es würde dies, nebst den Verweisungen auf verwandte oder widersprechende Sprichwörter u. s. w., wovon an einer andern Stelle die Rede ist, eine wesentliche Verbesserung gebildet haben. Allein ich musste von der Ausführung dieser und anderer Ideen wegen Mangels an Hülfskräften und Unterstützung abstehen, da diese Arbeiten meine Kräfte übersteigen; ich musste ihrer aber hier gedenken, damit nicht etwa von anderer Seite diese Ideen als mir unbekannte Verbesserungen hervorgehoben werden. Nur Herr Kreisgerichtsdirector Ottow in Landeshut, dessen vielseitiger und ausdauernder Unterstützung an einer andern Stelle dankbar gedacht ist, hat wiederholentlich eine historische Anordnung der Allegate als wünschenswerth in Erinnerung gebracht. Aber kaum ist es mir möglich, die Citate einzutragen, und dahin zu wirken, dass der Abdruck in der Lesart der ersten, womöglich ältesten Quelle erfolgt. Nur unter sehr günstigen Umständen, wie bei kurzen Artikeln und, wenn nicht viel Nachschlagungen und Vergleichungen nothwendig werden, vermag ich mehr als einhundert Citate täglich bei der angestrengtesten Thätigkeit beizufügen; meist wird diese Zahl gar nicht erreicht. Wer die Allegate auch nur eines einzigen Bogens zählt, wird beurtheilen können, welche Zeit und Kraft die Quellenangabe erfordert. Zur Ausführung dieser und anderer Wünsche hätte ich mindestens einer zweiten sehr tüchtigen Arbeitskraft, wahrscheinlich zweier Hülfskräfte bedurft. Ich besitze nur die meinige, die an sich schon für zwei in Anspruch genommen ist. Da ich glaube, es gehört zur Geschichte, wenn man will, zur Leidensgeschichte des Deutschen Sprichwörter-Lexikon, so wird es wol hier gestattet sein, davon zu reden. Ich befand mich vor Beginn des Drucks in der That in dem Aberglauben, es würden sich in Deutschland irgendwo die Mittel zur Unterhaltung der erforderlichen Hülfe bei der Herausgabe finden; aber sie haben sich nicht gefunden. Ich habe für jeden Bogen Manuscript, der in die Druckerei geht, zu prüfen, ob aus der gesammten hochdeutschen Sprichwörterliteratur alles aufgenommen ist; ich habe aus allen handschriftlichen Zusendungen im Manuscript die Nachträge zu besorgen, aus funfzig bis sechzig deutschen Mundarten die Auszüge zu machen und aus dem Sprichwörterschatz von zehn bis zwölf fremden Sprachen die sinnverwandten Sprichwörter herauszufinden, ihnen ihre Stelle anzuweisen, und nebenbei die Correcturen und Revisionsbogen zu lesen, von denen einzelne bei umfangreichen Artikeln wie: „Frau“, „Geld“, „Gott“ u. a. eine volle Woche bis zur völligsten Erschöpfung in Anspruch nehmen. Und diese Arbeit ist nicht im Abnehmen, sie wächst täglich. Habe ich mich nun über die deutsche Kritik, soweit ich von der genialen Mustersammlung von Leberflecken, Muttermalen und Sommersprossen, die ein „specifischer Gelehrter“ in den Blättern für literarische Unterhaltung (Nr. 30 für 1863 und Nr. 50 für 1866) zwar unter dem Titel Zur Sprichwörterliteratur, aber wol nur für den Zweck anlegt, die Unwissenheit eines „Schulmeisters“ dem zünftigen <TEI> <text> <front> <div type="preface" n="1"> <p><pb facs="#f0023" n="XXV"/> Quellen betraf, wiederhergestellt werden, wobei natürlich viel Sprichwörter, die aus der Lektüre vor einigen Jahrzehnten gesammelt worden sind, ohne Quellenangabe bleiben mussten, wenn solche nicht im einzelnen Falle den Sprichwörtern beigeschrieben worden war. Ein grosser Theil dieser Sprichwörter musste zu meinem Bedauern meist der Quellenangabe entbehren, soweit ich nicht inzwischen andere Quellen dafür auffand. 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Aber kaum ist es mir möglich, die Citate einzutragen, und dahin zu wirken, dass der Abdruck in der Lesart der ersten, womöglich ältesten Quelle erfolgt. Nur unter sehr günstigen Umständen, wie bei kurzen Artikeln und, wenn nicht viel Nachschlagungen und Vergleichungen nothwendig werden, vermag ich mehr als einhundert Citate täglich bei der angestrengtesten Thätigkeit beizufügen; meist wird diese Zahl gar nicht erreicht. Wer die Allegate auch nur eines einzigen Bogens zählt, wird beurtheilen können, welche Zeit und Kraft die Quellenangabe erfordert. Zur Ausführung dieser und anderer Wünsche hätte ich mindestens einer zweiten sehr tüchtigen Arbeitskraft, wahrscheinlich zweier Hülfskräfte bedurft. Ich besitze nur die meinige, die an sich schon für zwei in Anspruch genommen ist. Da ich glaube, es gehört zur Geschichte, wenn man will, zur Leidensgeschichte des <hi rendition="#i">Deutschen Sprichwörter-Lexikon,</hi> so wird es wol hier gestattet sein, davon zu reden. 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Quellen betraf, wiederhergestellt werden, wobei natürlich viel Sprichwörter, die aus der Lektüre vor einigen Jahrzehnten gesammelt worden sind, ohne Quellenangabe bleiben mussten, wenn solche nicht im einzelnen Falle den Sprichwörtern beigeschrieben worden war. Ein grosser Theil dieser Sprichwörter musste zu meinem Bedauern meist der Quellenangabe entbehren, soweit ich nicht inzwischen andere Quellen dafür auffand. Mit jedem Bogen ist nun aber die Quellenangabe vollständiger geworden.
Manchen für den innern Ausbau des Werks ausgesprochenen Wunsch habe ich nicht erfüllen können, weil die Kraft begrenzt ist. Indess beziehen sich die gemachten Ausstellungen meist nur auf untergeordnete Punkte, wie Druckfehler, Irrthümer in den Erklärungen, Wiederholungen u. dgl. Was ich indess selbst als eine wesentliche Verbesserung des Lexikons erkannt habe, ist, soweit mir bekannt, bisjetzt noch nirgends als Bedürfniss empfunden worden. Es war nämlich meine Absicht, wie ich der Kritik gegenüber, welche behufs des andern Ausbaues ihre Wünsche ausgesprochen hat, ergänzend hinzufüge, da, wo sich bei einem Sprichwort mehrere Citate finden, sie so zu ordnen, dass dadurch gewissermassen zugleich die Literaturgeschichte der betreffenden Sprichwörter gegeben sei und vor Augen träte. Das Sprichwort sollte stets in der Fassung der ältesten Quelle, der erstgenannten gedruckt werden, und dann sollten die übrigen chronologisch dahinter folgen, also z. B. Tunnicius (1515), Agricola (1528), Franck (1541), Tappius (1545), Eyering (1601), Petri (1605), Gruter (1610), Henisch (1616), Lehmann (1630), Schottel (1663), Sutor (1740) u. s. w. Am liebsten hätte ich das betreffende Sprichwort, nachdem es in der ältesten Lesart mit laufender Zahl im Text des Lexikons aufgenommen war, mit kleiner Schrift in den abweichenden Lesarten der bedeutendsten Schriftsteller abdrucken lassen, um die Sprachentwickelung oder den Charakter der Sprache daran zu veranschaulichen. Es sollten in ähnlicher Weise, soweit dies ausführbar, die citirten Schriften wissenschaftlich gruppirt werden, also z. B. bei Rechtssprichwörtern Pistorius (1716), Hertius (1760), Estor (1757-67), Eisenhart (1823), Hillebrand (1858), Graf (1862), es würde dann in den Allegaten nicht allein die Geschichte des betreffenden Sprichworts, und seine sprachliche Entwickelung, sondern in einer Gruppe seine verschiedenen pädagogischen, juridischen, medicinischen, landwirthschaftlichen u. s. w. Bearbeitungen hervorgetreten sein. Ein fernerer Wunsch ging dahin, den Sprichwörtern in hochdeutscher Fassung dasselbe in den verschiedenen Dialekten unmittelbar folgen zu lassen. Die Sprichwörter, welche jetzt z. B. unter Einem Stichwort hochdeutsch unter Nr. 10, ostfriesisch unter 20, nordfriesisch unter 15 u. s. w. stehen, würden stets eine Gruppe unter derselben Zahl, mit der hochdeutschen Fassung an der Spitze, gebildet haben.
Es würde dies, nebst den Verweisungen auf verwandte oder widersprechende Sprichwörter u. s. w., wovon an einer andern Stelle die Rede ist, eine wesentliche Verbesserung gebildet haben. Allein ich musste von der Ausführung dieser und anderer Ideen wegen Mangels an Hülfskräften und Unterstützung abstehen, da diese Arbeiten meine Kräfte übersteigen; ich musste ihrer aber hier gedenken, damit nicht etwa von anderer Seite diese Ideen als mir unbekannte Verbesserungen hervorgehoben werden. Nur Herr Kreisgerichtsdirector Ottow in Landeshut, dessen vielseitiger und ausdauernder Unterstützung an einer andern Stelle dankbar gedacht ist, hat wiederholentlich eine historische Anordnung der Allegate als wünschenswerth in Erinnerung gebracht. Aber kaum ist es mir möglich, die Citate einzutragen, und dahin zu wirken, dass der Abdruck in der Lesart der ersten, womöglich ältesten Quelle erfolgt. Nur unter sehr günstigen Umständen, wie bei kurzen Artikeln und, wenn nicht viel Nachschlagungen und Vergleichungen nothwendig werden, vermag ich mehr als einhundert Citate täglich bei der angestrengtesten Thätigkeit beizufügen; meist wird diese Zahl gar nicht erreicht. Wer die Allegate auch nur eines einzigen Bogens zählt, wird beurtheilen können, welche Zeit und Kraft die Quellenangabe erfordert. Zur Ausführung dieser und anderer Wünsche hätte ich mindestens einer zweiten sehr tüchtigen Arbeitskraft, wahrscheinlich zweier Hülfskräfte bedurft. Ich besitze nur die meinige, die an sich schon für zwei in Anspruch genommen ist. Da ich glaube, es gehört zur Geschichte, wenn man will, zur Leidensgeschichte des Deutschen Sprichwörter-Lexikon, so wird es wol hier gestattet sein, davon zu reden. Ich befand mich vor Beginn des Drucks in der That in dem Aberglauben, es würden sich in Deutschland irgendwo die Mittel zur Unterhaltung der erforderlichen Hülfe bei der Herausgabe finden; aber sie haben sich nicht gefunden. Ich habe für jeden Bogen Manuscript, der in die Druckerei geht, zu prüfen, ob aus der gesammten hochdeutschen Sprichwörterliteratur alles aufgenommen ist; ich habe aus allen handschriftlichen Zusendungen im Manuscript die Nachträge zu besorgen, aus funfzig bis sechzig deutschen Mundarten die Auszüge zu machen und aus dem Sprichwörterschatz von zehn bis zwölf fremden Sprachen die sinnverwandten Sprichwörter herauszufinden, ihnen ihre Stelle anzuweisen, und nebenbei die Correcturen und Revisionsbogen zu lesen, von denen einzelne bei umfangreichen Artikeln wie: „Frau“, „Geld“, „Gott“ u. a. eine volle Woche bis zur völligsten Erschöpfung in Anspruch nehmen. Und diese Arbeit ist nicht im Abnehmen, sie wächst täglich.
Habe ich mich nun über die deutsche Kritik, soweit ich von der genialen Mustersammlung von Leberflecken, Muttermalen und Sommersprossen, die ein „specifischer Gelehrter“ in den Blättern für literarische Unterhaltung (Nr. 30 für 1863 und Nr. 50 für 1866) zwar unter dem Titel Zur Sprichwörterliteratur, aber wol nur für den Zweck anlegt, die Unwissenheit eines „Schulmeisters“ dem zünftigen
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