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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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und dort drucken lassen, während sie in Deutschland noch nicht gedruckt sind? Ich habe in den Vereinigten Staaten Amerikas im Verkehr mit den Deutschen viel Sprichwörter vernommen, die ich bisher in keiner deutschen Sammlung gefunden hatte; denn mancher deutsche Verein ist dort eine lebendige Mundartensammlung, da seine Mitglieder vielleicht allen deutschen Volksstämmen angehören können. Es erscheint mir unerheblich, zu wissen, und vielleicht nur im Ausnahmefalle zu ermitteln, ob ein gewisses Sprichwort ursprünglich ein deutsches, oder ob es ein eingewandertes ist, denn jedenfalls sind aus Deutschland mehr Sprichwörter aus- als eingewandert. Wirkliche ausländische Sprichwörter werden sich stets durch ihr Gepräge als solche kennzeichnen.

Betrachten wir den deutschen Sprichwörterschatz - und dasselbe gilt von jedem andern beziehungsweise auch -, so finden wir darin Sprichwörter, welche in ganz Deutschland jedermann bekannt sind, und, wie sie vor Jahrhunderten gesprochen worden, noch heute in jedem Munde leben. Allein bei weitem die wenigsten Sprichwörter jedes, nicht blos des deutschen Volks gehören dieser Klasse an. Wie es Menschen gibt, deren Namen allbekannt sind, nicht nur im eigenen Lande und Volke und weit darüber hinaus, wieder andere, deren Wirksamkeit sich nur auf eine Provinz oder einen Kreis erstreckt, und solche, die nie in ihrem Leben über die Feldmarken ihres Orts hinausgekommen sind; so ist es auch mit den Sprichwörtern. Aber Sprichwörter, die nur von wenigen gekannt und gesprochen werden, sind dessenungeachtet ebenso gut Sprichwörter, wie jene Personen Menschen. Wie es wieder Menschen gibt, deren Namen von Volk zu Volk, durch die Geschichte von Jahrtausenden gehen, und andere, die, kaum geboren, wieder sterben; so gilt auch ein Gleiches von den Sprichwörtern. Jeder Sprichwörterschatz, nicht blos der deutsche, besteht daher aus Sprichwörtern sehr verschiedener Art, sowol was den Umfang des Wirkungskreises, als die Lebensdauer derselben betrifft; in Betreff des Umfangs aus Sprichwörtern, die im ganzen Volke von jedem gekannt sind, bis zu solchen, die, fast persönlich, nur dem engsten Kreis angehören; in Betreff des Lebens derselben aus solchen, die noch im Volksmunde oder in der Literatur leben, und andern, die vor längerer oder kürzerer Zeit gelebt haben und in Vergessenheit gekommen sind, aber deshalb nicht aufgehört haben, Sprichwörter zu sein.

Von diesen allgemeinen Bemerkungen gehe ich zu dem über, was ich über die vorliegende Arbeit selbst zu sagen habe.

Als im November 1862 die erste Lieferung des Deutschen Sprichwörter-Lexikon ausgegeben werden sollte, kam die Frage zur Erwägung, ob sie mit einer Vorrede zu begleiten, oder ob es vorzuziehen sei, dies bis zum Schlusse des ersten Bandes aufzuschieben. So wünschenswerth das erstere in vieler Hinsicht gewesen wäre, so sprachen doch überwiegende Gründe für den letztern Weg. Allerdings mussten dadurch die geehrten Abnehmer des Werks und musste auch die Kritik über viele Punkte, die zur Aufklärung und zum Verständniss zu wissen nothwendig erschienen, mehr oder minder im Dunkeln bleiben; allein bei einem Werke wie diesem, das seine ersten Lieferungen gewissermassen nur als Pionniere aussenden kann, um anzufragen, in welcher Richtung und Weise die Arbeiten der Herausgabe zu erfolgen haben, liess sich voraus über vieles nichts Bestimmtes sagen. Es erschien daher angemessener, am Schluss des ersten Bandes, nach einer vierjährigen Arbeit über das, was geschehen und warum es so geschehen, zu berichten, als ein Programm aufzustellen, das durch Eröffnung neuer Gesichtspunkte wie neuer Quellen, durch gerechte Forderungen der Kritik u. s. w. von einer Lieferung zur andern hätte abgeändert werden müssen.

Von der Ueberzeugung ausgehend, dass ein grosser, wenn nicht der überwiegend grössere Theil des deutschen Sprichwörterschatzes ausschliesslich nur im Volksmunde lebe und, wenn überhaupt je gedruckt, doch nur in der Literatur zerstreut und noch nie in eine Sprichwörtersammlung gekommen sei, sollte das Erscheinen des Deutschen Sprichwörter-Lexikon zugleich den Auftrag erhalten, zu Sammlungen aus dem Volksmunde und der Literatur anzuregen. Für diesen Zweck ward zur Vermittelung jeder Lieferung ein kurzes Begleitwort beigegeben. Die Erfahrung hat bewiesen, dass der eingeschlagene Weg der richtige gewesen ist.

Wenn es nun auch keineswegs in meiner Absicht liegt, mich über das Sprichwort und seine Literatur nach allen Seiten zu verbreiten, so halte ich es doch für geboten, in möglicher Kürze über einzelne Punkte der Arbeit selbst mich auszusprechen.

Zur Entstehungsgeschichte. So weit meine Erinnerung zurückreicht, habe ich stets lebhaftes Interesse für Sprichwörter gehabt. Schon in Schulbüchern las ich sie vorzugsweise gern und las wiederholentlich gerade die Abschnitte, welche Sprichwörter boten. Ich benutzte sie später als Hülfslehrer in der Schule; und schon in den ersten Jahren, nachdem ich nach Hirschberg als Lehrer berufen war, veranlassten sie mich zu weitern Arbeiten. Ich gab unter dem Titel Scheidemünze (1831-32, I und II) neue Sprichwörter heraus, liess unter dem Titel Weihnachtsnüsse (1832) 500, unter dem Titel Nüsse für Kinder (1835) eine weitere Sammlung Sprichwörter für Kinder drucken, die ich (1838) im Sprichwörtergarten behandelte, zog die Sprichwörter aus den Schriften Abraham a Sancta Clara's aus und liess sie als Abrahamisches

und dort drucken lassen, während sie in Deutschland noch nicht gedruckt sind? Ich habe in den Vereinigten Staaten Amerikas im Verkehr mit den Deutschen viel Sprichwörter vernommen, die ich bisher in keiner deutschen Sammlung gefunden hatte; denn mancher deutsche Verein ist dort eine lebendige Mundartensammlung, da seine Mitglieder vielleicht allen deutschen Volksstämmen angehören können. Es erscheint mir unerheblich, zu wissen, und vielleicht nur im Ausnahmefalle zu ermitteln, ob ein gewisses Sprichwort ursprünglich ein deutsches, oder ob es ein eingewandertes ist, denn jedenfalls sind aus Deutschland mehr Sprichwörter aus- als eingewandert. Wirkliche ausländische Sprichwörter werden sich stets durch ihr Gepräge als solche kennzeichnen.

Betrachten wir den deutschen Sprichwörterschatz – und dasselbe gilt von jedem andern beziehungsweise auch –, so finden wir darin Sprichwörter, welche in ganz Deutschland jedermann bekannt sind, und, wie sie vor Jahrhunderten gesprochen worden, noch heute in jedem Munde leben. Allein bei weitem die wenigsten Sprichwörter jedes, nicht blos des deutschen Volks gehören dieser Klasse an. Wie es Menschen gibt, deren Namen allbekannt sind, nicht nur im eigenen Lande und Volke und weit darüber hinaus, wieder andere, deren Wirksamkeit sich nur auf eine Provinz oder einen Kreis erstreckt, und solche, die nie in ihrem Leben über die Feldmarken ihres Orts hinausgekommen sind; so ist es auch mit den Sprichwörtern. Aber Sprichwörter, die nur von wenigen gekannt und gesprochen werden, sind dessenungeachtet ebenso gut Sprichwörter, wie jene Personen Menschen. Wie es wieder Menschen gibt, deren Namen von Volk zu Volk, durch die Geschichte von Jahrtausenden gehen, und andere, die, kaum geboren, wieder sterben; so gilt auch ein Gleiches von den Sprichwörtern. Jeder Sprichwörterschatz, nicht blos der deutsche, besteht daher aus Sprichwörtern sehr verschiedener Art, sowol was den Umfang des Wirkungskreises, als die Lebensdauer derselben betrifft; in Betreff des Umfangs aus Sprichwörtern, die im ganzen Volke von jedem gekannt sind, bis zu solchen, die, fast persönlich, nur dem engsten Kreis angehören; in Betreff des Lebens derselben aus solchen, die noch im Volksmunde oder in der Literatur leben, und andern, die vor längerer oder kürzerer Zeit gelebt haben und in Vergessenheit gekommen sind, aber deshalb nicht aufgehört haben, Sprichwörter zu sein.

Von diesen allgemeinen Bemerkungen gehe ich zu dem über, was ich über die vorliegende Arbeit selbst zu sagen habe.

Als im November 1862 die erste Lieferung des Deutschen Sprichwörter-Lexikon ausgegeben werden sollte, kam die Frage zur Erwägung, ob sie mit einer Vorrede zu begleiten, oder ob es vorzuziehen sei, dies bis zum Schlusse des ersten Bandes aufzuschieben. So wünschenswerth das erstere in vieler Hinsicht gewesen wäre, so sprachen doch überwiegende Gründe für den letztern Weg. Allerdings mussten dadurch die geehrten Abnehmer des Werks und musste auch die Kritik über viele Punkte, die zur Aufklärung und zum Verständniss zu wissen nothwendig erschienen, mehr oder minder im Dunkeln bleiben; allein bei einem Werke wie diesem, das seine ersten Lieferungen gewissermassen nur als Pionniere aussenden kann, um anzufragen, in welcher Richtung und Weise die Arbeiten der Herausgabe zu erfolgen haben, liess sich voraus über vieles nichts Bestimmtes sagen. Es erschien daher angemessener, am Schluss des ersten Bandes, nach einer vierjährigen Arbeit über das, was geschehen und warum es so geschehen, zu berichten, als ein Programm aufzustellen, das durch Eröffnung neuer Gesichtspunkte wie neuer Quellen, durch gerechte Forderungen der Kritik u. s. w. von einer Lieferung zur andern hätte abgeändert werden müssen.

Von der Ueberzeugung ausgehend, dass ein grosser, wenn nicht der überwiegend grössere Theil des deutschen Sprichwörterschatzes ausschliesslich nur im Volksmunde lebe und, wenn überhaupt je gedruckt, doch nur in der Literatur zerstreut und noch nie in eine Sprichwörtersammlung gekommen sei, sollte das Erscheinen des Deutschen Sprichwörter-Lexikon zugleich den Auftrag erhalten, zu Sammlungen aus dem Volksmunde und der Literatur anzuregen. Für diesen Zweck ward zur Vermittelung jeder Lieferung ein kurzes Begleitwort beigegeben. Die Erfahrung hat bewiesen, dass der eingeschlagene Weg der richtige gewesen ist.

Wenn es nun auch keineswegs in meiner Absicht liegt, mich über das Sprichwort und seine Literatur nach allen Seiten zu verbreiten, so halte ich es doch für geboten, in möglicher Kürze über einzelne Punkte der Arbeit selbst mich auszusprechen.

Zur Entstehungsgeschichte. So weit meine Erinnerung zurückreicht, habe ich stets lebhaftes Interesse für Sprichwörter gehabt. Schon in Schulbüchern las ich sie vorzugsweise gern und las wiederholentlich gerade die Abschnitte, welche Sprichwörter boten. Ich benutzte sie später als Hülfslehrer in der Schule; und schon in den ersten Jahren, nachdem ich nach Hirschberg als Lehrer berufen war, veranlassten sie mich zu weitern Arbeiten. Ich gab unter dem Titel Scheidemünze (1831-32, I und II) neue Sprichwörter heraus, liess unter dem Titel Weihnachtsnüsse (1832) 500, unter dem Titel Nüsse für Kinder (1835) eine weitere Sammlung Sprichwörter für Kinder drucken, die ich (1838) im Sprichwörtergarten behandelte, zog die Sprichwörter aus den Schriften Abraham a Sancta Clara's aus und liess sie als Abrahamisches

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Wie es wieder Menschen gibt, deren Namen von Volk zu Volk, durch die Geschichte von Jahrtausenden gehen, und andere, die, kaum geboren, wieder sterben; so gilt auch ein Gleiches von den Sprichwörtern. Jeder Sprichwörterschatz, nicht blos der deutsche, besteht daher aus Sprichwörtern sehr verschiedener Art, sowol was den Umfang des Wirkungskreises, als die Lebensdauer derselben betrifft; in Betreff des Umfangs aus Sprichwörtern, die im ganzen Volke von jedem gekannt sind, bis zu solchen, die, fast persönlich, nur dem engsten Kreis angehören; in Betreff des Lebens derselben aus solchen, die noch im Volksmunde oder in der Literatur leben, und andern, die vor längerer oder kürzerer Zeit gelebt haben und in Vergessenheit gekommen sind, aber deshalb nicht aufgehört haben, Sprichwörter zu sein. Von diesen allgemeinen Bemerkungen gehe ich zu dem über, was ich über die vorliegende Arbeit selbst zu sagen habe. Als im November 1862 die erste Lieferung des Deutschen Sprichwörter-Lexikon ausgegeben werden sollte, kam die Frage zur Erwägung, ob sie mit einer Vorrede zu begleiten, oder ob es vorzuziehen sei, dies bis zum Schlusse des ersten Bandes aufzuschieben. So wünschenswerth das erstere in vieler Hinsicht gewesen wäre, so sprachen doch überwiegende Gründe für den letztern Weg. Allerdings mussten dadurch die geehrten Abnehmer des Werks und musste auch die Kritik über viele Punkte, die zur Aufklärung und zum Verständniss zu wissen nothwendig erschienen, mehr oder minder im Dunkeln bleiben; allein bei einem Werke wie diesem, das seine ersten Lieferungen gewissermassen nur als Pionniere aussenden kann, um anzufragen, in welcher Richtung und Weise die Arbeiten der Herausgabe zu erfolgen haben, liess sich voraus über vieles nichts Bestimmtes sagen. Es erschien daher angemessener, am Schluss des ersten Bandes, nach einer vierjährigen Arbeit über das, was geschehen und warum es so geschehen, zu berichten, als ein Programm aufzustellen, das durch Eröffnung neuer Gesichtspunkte wie neuer Quellen, durch gerechte Forderungen der Kritik u. s. w. von einer Lieferung zur andern hätte abgeändert werden müssen. Von der Ueberzeugung ausgehend, dass ein grosser, wenn nicht der überwiegend grössere Theil des deutschen Sprichwörterschatzes ausschliesslich nur im Volksmunde lebe und, wenn überhaupt je gedruckt, doch nur in der Literatur zerstreut und noch nie in eine Sprichwörtersammlung gekommen sei, sollte das Erscheinen des Deutschen Sprichwörter-Lexikon zugleich den Auftrag erhalten, zu Sammlungen aus dem Volksmunde und der Literatur anzuregen. Für diesen Zweck ward zur Vermittelung jeder Lieferung ein kurzes Begleitwort beigegeben. Die Erfahrung hat bewiesen, dass der eingeschlagene Weg der richtige gewesen ist. Wenn es nun auch keineswegs in meiner Absicht liegt, mich über das Sprichwort und seine Literatur nach allen Seiten zu verbreiten, so halte ich es doch für geboten, in möglicher Kürze über einzelne Punkte der Arbeit selbst mich auszusprechen. Zur Entstehungsgeschichte. So weit meine Erinnerung zurückreicht, habe ich stets lebhaftes Interesse für Sprichwörter gehabt. Schon in Schulbüchern las ich sie vorzugsweise gern und las wiederholentlich gerade die Abschnitte, welche Sprichwörter boten. Ich benutzte sie später als Hülfslehrer in der Schule; und schon in den ersten Jahren, nachdem ich nach Hirschberg als Lehrer berufen war, veranlassten sie mich zu weitern Arbeiten. Ich gab unter dem Titel Scheidemünze (1831-32, I und II) neue Sprichwörter heraus, liess unter dem Titel Weihnachtsnüsse (1832) 500, unter dem Titel Nüsse für Kinder (1835) eine weitere Sammlung Sprichwörter für Kinder drucken, die ich (1838) im Sprichwörtergarten behandelte, zog die Sprichwörter aus den Schriften Abraham a Sancta Clara's aus und liess sie als Abrahamisches

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/5>, abgerufen am 21.11.2024.