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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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Anliegen.

Den leid' et on, wie em Wolf et Heufressen. (Eifel.)

Ironisch von jemand, der zu etwas wenig Neigung hat, weil dem Wolfe das Heufressen wenig anliegt.


Anlügen.

*1 Er lügt einen an, dass man könnte blau werden.

*2 Er lügt Gott und die Welt an.


Anmessen.

* Er misst der Laus den Schuh an.

Der Ueberkluge.


Anmuth.

1 Anmuth geht über Schönheit. - Tendlau, 738.

Lat.: Gratior est pulchro veniens in corpore virtus.

2 Anmuth macht keine Suppe (fett).

3 Anmuth muss angeboren sein.

Engl.: Grace must be natural.

*4 Die Anmuth Joseph's. - Tendlau, 13.

Jüd.-deutsch: Der Cheen von Jossef.


Anna.

1 Eine Anna und zwei Greten können den Teufel aus der Hölle nöthen (vertreiben).

*2 Dar löpt von Sünt-Annen (Sanct-Anna) wat mit unner. - Sprenger II.

Die Sache ist so rein nicht. Es wird erzählt: Im Münsterlande war es auf einem Dorfe üblich, dass ein Violinspieler das Paar, welches sich zur Ehe begeben wollte, nach der Kirche begleitete, wo die Trauung vollzogen werden sollte. Man musste dabei über eine Brücke gehen und war des Glaubens, dass die Brücke, falls die Braut bereits schwanger sei, brechen werde, es sei denn, dass der Violinist ein Lied zur Ehre der Sanct-Anna spiele, wofür er besonders bezahlt wurde. Nun geschah es wol, dass eine Braut, deren Zustand nicht mehr zweifelhaft war, beim Weggange aus dem Hause von dem Violinisten an die Brücke erinnert wurde, denselben aber nicht sehr glimpflich abfertigte. Bei der Brücke angekommen, sah derselbe die Braut ernst fragend an: "Was nun?" So leise, dass nur er und der Bräutigam es hören konnte, sagt sie: "Lass nur was von Sanct-Anna mit unterlaufen." Eine ähnliche Erklärung bezieht sich auf das Läuten der Glocken zu Sanct-Barbara und Sanct-Anna (s. Unterlaufen). Die Redensart wird häufig gebraucht, wenn jemand in sein Gespräch, in seine Rede u. s. w. etwas Fremdartiges, zur Sache nicht Gehörendes, Unpassendes einmischt. Bei Heinrich Stephanus ("Apologie des Herodot") finden sich eine Menge Fälle mit Geldbussen von 10-20 Stüber für Sanct-Anna aufgeführt, z. B. wenn man sprach, ohne an der Reihe zu sein, wenn jemand den Advocaten unterbrach, eine unwahre Anklage vorbrachte u. s. w. Dass die heilige Anna gerade in dieser Angelegenheit angerufen wird, scheint mit der sogenannten unbefleckten Empfängniss zusammenzuhängen.


Annaberg.

Annaberg die liebste, Freiberg die grösste, Chemnitz die höchste, Leipzig die beste.

Sprichwörter wie diese sind nur eine gewisse Zeit und auch da nur in gewisser Hinsicht wahr, also auch nur aus ihrer Zeit zu erklären.


Anna Regine.

Hopp, Ann-Schienke. (Ostpreussen.)

Hüpfe, Anna Regine. Gewöhnlicher Zuruf, z. B. beim Aufhelfen einer Last, um die Gleichzeitigkeit des Hebens zu bewirken.


Annehmen.

1 Man muss annehmen, was geboten wird.

Lat.: Arripienda quae offeruntur. (Homer.) (Erasm., 656.)

2 Man muss annehmen, was geboten wird, sagte der Bauer zum Executor, und gab ihm eine Ohrfeige.

3 Man muss es annehmen, wie es kommt. - Schonheim, Q, 23.

Lat.: Quo nos fata trahunt retrahunt que sequamur. (Virgil, Aen., I, 5.)

4 Nimm Lehre und Unterricht an, selbst wenn er kommt aus dem Maule der Kuh. - Burckhardt, 234.

Verschmähe keine Quelle nützlicher Kenntnisse.

5 Wer annimmt, ist gefangen.

6 Wer annimmt, verkauft seine Freiheit.

Frz.: Qui prend s'engage, ou qui prend se vend.

7 Wer nicht annehmen will, braucht auch nicht zu geben.

*8 Er nimmt's an, wie der Belli die Knechte. - Kirchhofer, 23.

Gutes und Schlechtes, ohne Auswahl und Unterschied. Dieser sprichwörtlich gewordene Belli war der Baillif von Dijon, Anton von Bessey, einer der geschicktesten Unterhändler der Franzosen in der Schweiz, der in kurzer Zeit durch seine Bestechungen grosse Heere von Reisläufern zusammenbrachte. Obgleich er die Leute in der Regel genau musterte, so nahm er in der Noth doch alles, was ihm zulief. Daher das Sprichwort.


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Annliese.

* Es ist eine desperate Annliese. (Marburg.)

Von einer frechen Frauensperson.


Anno.

*1 Anne ähs, bi di Wärr' hoatt gebrahnt. (Henneberg.)

Anno eins, als die Werra gebrannt, d. i. vor sehr langer Zeit. Die Franzosen sagen, wenn sie ausdrücken wollen, dass etwas vor uralter Zeit gewesen sei: Zur Zeit, als man sich die Nase an die Aermel wischte. (Du temps qu'on se mouchait sur la manche.)

*2 Anno ent (eins) als de grote Wind wär (war) -

sagt man in Königsberg (Ostpreussen), wenn man ausser Stande ist, eine geforderte Zeitangabe genau zu machen. Man meint damit den am 3. November 1801 in Königsberg wüthenden Orkan, der grosse Verwüstungen anrichtete und an den noch heute eine Denkmünze erinnert. Man sagt auch abgekürzt: Anno Wind.

*3 Von Anno eins her.

*4 Von Anno Toback her.

An die Zeit des Bekanntwerdens des Tabacks und seines Gebrauchs erinnernd. Die Franzosen sagen, um Altväterisches und eine alte Zeit, besonders in der Mode zu bezeichnen: Es ist noch aus der Zeit der stehenden Halskragen, die man aus Eisendraht oder Pappe trug. (Cela est du temps des collets montes. Lendroy, 469.)


Anpacken.

1 Man muss einen anpacken, wo's ihm wehe thut.

2 Wei 't sulwst anpäcket, dei heat 't in 'n Hännen. (Westf.)


Anpissen.

* Es pisst ihn kein Hund mehr an.

So verachtet ist er.


Anraken.

Dat rakt ken Wall of Kant an. (Oldenburg.) - Frommann, III, 428.


Anranzen.

Einen anranzen, wie die Sau den Bettelsack. (Pennsylvanien.)


Anrede.

Auf gute Anrede folgt guter Bescheid. (Russ.)

Russ.: Na dobryj priwjet dobryj i otwjet.


Anrennen.

Bald (gut) angerennt, ist halb gefochten.


Anrichten.

1 Es wird manches anders angerichtet als gekocht.

2 Richte nicht mehr an, als du schmalzen kannst.

3 Ungleiches Anrichten macht schielende Brüder.

*4 Er richtet gern an aus anderer Leute Häfen. - Egenolff, 98a.

Engl.: All men are free of other men's goods.


Anrichter.

Viel Anrichter, wenig Arbeiter.


Anriechen.

1 Dar rauk an, as Kasper an de Saurkol (Sauerkraut). (Oldenburg.) - Frommann, II, 536.

2 Da rük an, sä' Hans, da slaug hei Jürgen up Näse. (Hildesheim.)


Anrühren.

1 Am Anrühren des Klaviers erkennt man den Spieler.

It.: Al toccar de tasti si conosce il buon organista.

2 Angerührt - heimgeführt. - Steiger, 475.

In Bezug auf Buhlschaft zu Gunsten der Dirnen.

3 Was dich nicht anrührt (angeht), das rühre du auch nicht an.

It.: Non toccar cio che non ti tocca.


Anschaffen.

1 Schaffe dir ein gutes Gedächtniss an, wenn du ein Lügner wirst. - Burckhardt, 564.

2 Wer vieles anschafft, hat vieles zu verwahren.


Anschauen.

1 Anschauen macht Gedanken.

2 Anschauen macht Liebe und Gelegenheit Diebe.

Was das erstere betrifft, so lässt sich oft über eine Sache nicht eher richtig urtheilen, als bis man sie selbst gesehen und von allen Seiten gehörig beobachtet hat.

3 Treck, schau an, segt Meier. (Hildesheim.)

4 Was hilft das Anschauen, wenn ich's nicht brauchen darf!


Anscheren.

Man muss nicht mehr anscheren, als man weben kann.

Frz.: Il ne faut pas plus ordir qu'on ne peut tisser.


[Spaltenumbruch]
Anliegen.

Den leid' et on, wie em Wolf et Heufressen. (Eifel.)

Ironisch von jemand, der zu etwas wenig Neigung hat, weil dem Wolfe das Heufressen wenig anliegt.


Anlügen.

*1 Er lügt einen an, dass man könnte blau werden.

*2 Er lügt Gott und die Welt an.


Anmessen.

* Er misst der Laus den Schuh an.

Der Ueberkluge.


Anmuth.

1 Anmuth geht über Schönheit.Tendlau, 738.

Lat.: Gratior est pulchro veniens in corpore virtus.

2 Anmuth macht keine Suppe (fett).

3 Anmuth muss angeboren sein.

Engl.: Grace must be natural.

*4 Die Anmuth Joseph's.Tendlau, 13.

Jüd.-deutsch: Der Cheen von Jossef.


Anna.

1 Eine Anna und zwei Greten können den Teufel aus der Hölle nöthen (vertreiben).

*2 Dar löpt von Sünt-Annen (Sanct-Anna) wat mit unner.Sprenger II.

Die Sache ist so rein nicht. Es wird erzählt: Im Münsterlande war es auf einem Dorfe üblich, dass ein Violinspieler das Paar, welches sich zur Ehe begeben wollte, nach der Kirche begleitete, wo die Trauung vollzogen werden sollte. Man musste dabei über eine Brücke gehen und war des Glaubens, dass die Brücke, falls die Braut bereits schwanger sei, brechen werde, es sei denn, dass der Violinist ein Lied zur Ehre der Sanct-Anna spiele, wofür er besonders bezahlt wurde. Nun geschah es wol, dass eine Braut, deren Zustand nicht mehr zweifelhaft war, beim Weggange aus dem Hause von dem Violinisten an die Brücke erinnert wurde, denselben aber nicht sehr glimpflich abfertigte. Bei der Brücke angekommen, sah derselbe die Braut ernst fragend an: „Was nun?“ So leise, dass nur er und der Bräutigam es hören konnte, sagt sie: „Lass nur was von Sanct-Anna mit unterlaufen.“ Eine ähnliche Erklärung bezieht sich auf das Läuten der Glocken zu Sanct-Barbara und Sanct-Anna (s. Unterlaufen). Die Redensart wird häufig gebraucht, wenn jemand in sein Gespräch, in seine Rede u. s. w. etwas Fremdartiges, zur Sache nicht Gehörendes, Unpassendes einmischt. Bei Heinrich Stephanus („Apologie des Herodot“) finden sich eine Menge Fälle mit Geldbussen von 10-20 Stüber für Sanct-Anna aufgeführt, z. B. wenn man sprach, ohne an der Reihe zu sein, wenn jemand den Advocaten unterbrach, eine unwahre Anklage vorbrachte u. s. w. Dass die heilige Anna gerade in dieser Angelegenheit angerufen wird, scheint mit der sogenannten unbefleckten Empfängniss zusammenzuhängen.


Annaberg.

Annaberg die liebste, Freiberg die grösste, Chemnitz die höchste, Leipzig die beste.

Sprichwörter wie diese sind nur eine gewisse Zeit und auch da nur in gewisser Hinsicht wahr, also auch nur aus ihrer Zeit zu erklären.


Anna Regine.

Hopp, Ann-Schienke. (Ostpreussen.)

Hüpfe, Anna Regine. Gewöhnlicher Zuruf, z. B. beim Aufhelfen einer Last, um die Gleichzeitigkeit des Hebens zu bewirken.


Annehmen.

1 Man muss annehmen, was geboten wird.

Lat.: Arripienda quae offeruntur. (Homer.) (Erasm., 656.)

2 Man muss annehmen, was geboten wird, sagte der Bauer zum Executor, und gab ihm eine Ohrfeige.

3 Man muss es annehmen, wie es kommt.Schonheim, Q, 23.

Lat.: Quo nos fata trahunt retrahunt que sequamur. (Virgil, Aen., I, 5.)

4 Nimm Lehre und Unterricht an, selbst wenn er kommt aus dem Maule der Kuh.Burckhardt, 234.

Verschmähe keine Quelle nützlicher Kenntnisse.

5 Wer annimmt, ist gefangen.

6 Wer annimmt, verkauft seine Freiheit.

Frz.: Qui prend s'engage, ou qui prend se vend.

7 Wer nicht annehmen will, braucht auch nicht zu geben.

*8 Er nimmt's an, wie der Belli die Knechte.Kirchhofer, 23.

Gutes und Schlechtes, ohne Auswahl und Unterschied. Dieser sprichwörtlich gewordene Belli war der Baillif von Dijon, Anton von Bessey, einer der geschicktesten Unterhändler der Franzosen in der Schweiz, der in kurzer Zeit durch seine Bestechungen grosse Heere von Reisläufern zusammenbrachte. Obgleich er die Leute in der Regel genau musterte, so nahm er in der Noth doch alles, was ihm zulief. Daher das Sprichwort.


[Spaltenumbruch]
Annliese.

* Es ist eine desperate Annliese. (Marburg.)

Von einer frechen Frauensperson.


Anno.

*1 Anne ähs, bi di Wärr' hoatt gebrahnt. (Henneberg.)

Anno eins, als die Werra gebrannt, d. i. vor sehr langer Zeit. Die Franzosen sagen, wenn sie ausdrücken wollen, dass etwas vor uralter Zeit gewesen sei: Zur Zeit, als man sich die Nase an die Aermel wischte. (Du temps qu'on se mouchait sur la manche.)

*2 Anno ent (eins) als de grote Wind wär (war) –

sagt man in Königsberg (Ostpreussen), wenn man ausser Stande ist, eine geforderte Zeitangabe genau zu machen. Man meint damit den am 3. November 1801 in Königsberg wüthenden Orkan, der grosse Verwüstungen anrichtete und an den noch heute eine Denkmünze erinnert. Man sagt auch abgekürzt: Anno Wind.

*3 Von Anno eins her.

*4 Von Anno Toback her.

An die Zeit des Bekanntwerdens des Tabacks und seines Gebrauchs erinnernd. Die Franzosen sagen, um Altväterisches und eine alte Zeit, besonders in der Mode zu bezeichnen: Es ist noch aus der Zeit der stehenden Halskragen, die man aus Eisendraht oder Pappe trug. (Cela est du temps des collets montés. Lendroy, 469.)


Anpacken.

1 Man muss einen anpacken, wo's ihm wehe thut.

2 Wei 't sulwst anpäcket, dei heat 't in 'n Hännen. (Westf.)


Anpissen.

* Es pisst ihn kein Hund mehr an.

So verachtet ist er.


Anraken.

Dat râkt kên Wall of Kant an. (Oldenburg.) – Frommann, III, 428.


Anranzen.

Einen anranzen, wie die Sau den Bettelsack. (Pennsylvanien.)


Anrede.

Auf gute Anrede folgt guter Bescheid. (Russ.)

Russ.: Na dobryj priwjet dobryj i otwjet.


Anrennen.

Bald (gut) angerennt, ist halb gefochten.


Anrichten.

1 Es wird manches anders angerichtet als gekocht.

2 Richte nicht mehr an, als du schmalzen kannst.

3 Ungleiches Anrichten macht schielende Brüder.

*4 Er richtet gern an aus anderer Leute Häfen.Egenolff, 98a.

Engl.: All men are free of other men's goods.


Anrichter.

Viel Anrichter, wenig Arbeiter.


Anriechen.

1 Dar rûk an, as Kasper an de Sûrkôl (Sauerkraut). (Oldenburg.) – Frommann, II, 536.

2 Da rük an, sä' Hans, da slaug hei Jürgen up Näse. (Hildesheim.)


Anrühren.

1 Am Anrühren des Klaviers erkennt man den Spieler.

It.: Al toccar de tasti si conosce il buon organista.

2 Angerührt – heimgeführt.Steiger, 475.

In Bezug auf Buhlschaft zu Gunsten der Dirnen.

3 Was dich nicht anrührt (angeht), das rühre du auch nicht an.

It.: Non toccar ciò che non ti tocca.


Anschaffen.

1 Schaffe dir ein gutes Gedächtniss an, wenn du ein Lügner wirst.Burckhardt, 564.

2 Wer vieles anschafft, hat vieles zu verwahren.


Anschauen.

1 Anschauen macht Gedanken.

2 Anschauen macht Liebe und Gelegenheit Diebe.

Was das erstere betrifft, so lässt sich oft über eine Sache nicht eher richtig urtheilen, als bis man sie selbst gesehen und von allen Seiten gehörig beobachtet hat.

3 Treck, schau an, segt Meier. (Hildesheim.)

4 Was hilft das Anschauen, wenn ich's nicht brauchen darf!


Anscheren.

Man muss nicht mehr anscheren, als man weben kann.

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[[48]/0076] Anliegen. Den leid' et on, wie em Wolf et Heufressen. (Eifel.) Ironisch von jemand, der zu etwas wenig Neigung hat, weil dem Wolfe das Heufressen wenig anliegt. Anlügen. *1 Er lügt einen an, dass man könnte blau werden. *2 Er lügt Gott und die Welt an. Anmessen. * Er misst der Laus den Schuh an. Der Ueberkluge. Anmuth. 1 Anmuth geht über Schönheit. – Tendlau, 738. Lat.: Gratior est pulchro veniens in corpore virtus. 2 Anmuth macht keine Suppe (fett). 3 Anmuth muss angeboren sein. Engl.: Grace must be natural. *4 Die Anmuth Joseph's. – Tendlau, 13. Jüd.-deutsch: Der Cheen von Jossef. Anna. 1 Eine Anna und zwei Greten können den Teufel aus der Hölle nöthen (vertreiben). *2 Dar löpt von Sünt-Annen (Sanct-Anna) wat mit unner. – Sprenger II. Die Sache ist so rein nicht. Es wird erzählt: Im Münsterlande war es auf einem Dorfe üblich, dass ein Violinspieler das Paar, welches sich zur Ehe begeben wollte, nach der Kirche begleitete, wo die Trauung vollzogen werden sollte. Man musste dabei über eine Brücke gehen und war des Glaubens, dass die Brücke, falls die Braut bereits schwanger sei, brechen werde, es sei denn, dass der Violinist ein Lied zur Ehre der Sanct-Anna spiele, wofür er besonders bezahlt wurde. Nun geschah es wol, dass eine Braut, deren Zustand nicht mehr zweifelhaft war, beim Weggange aus dem Hause von dem Violinisten an die Brücke erinnert wurde, denselben aber nicht sehr glimpflich abfertigte. Bei der Brücke angekommen, sah derselbe die Braut ernst fragend an: „Was nun?“ So leise, dass nur er und der Bräutigam es hören konnte, sagt sie: „Lass nur was von Sanct-Anna mit unterlaufen.“ Eine ähnliche Erklärung bezieht sich auf das Läuten der Glocken zu Sanct-Barbara und Sanct-Anna (s. Unterlaufen). Die Redensart wird häufig gebraucht, wenn jemand in sein Gespräch, in seine Rede u. s. w. etwas Fremdartiges, zur Sache nicht Gehörendes, Unpassendes einmischt. Bei Heinrich Stephanus („Apologie des Herodot“) finden sich eine Menge Fälle mit Geldbussen von 10-20 Stüber für Sanct-Anna aufgeführt, z. B. wenn man sprach, ohne an der Reihe zu sein, wenn jemand den Advocaten unterbrach, eine unwahre Anklage vorbrachte u. s. w. Dass die heilige Anna gerade in dieser Angelegenheit angerufen wird, scheint mit der sogenannten unbefleckten Empfängniss zusammenzuhängen. Annaberg. Annaberg die liebste, Freiberg die grösste, Chemnitz die höchste, Leipzig die beste. Sprichwörter wie diese sind nur eine gewisse Zeit und auch da nur in gewisser Hinsicht wahr, also auch nur aus ihrer Zeit zu erklären. Anna Regine. Hopp, Ann-Schienke. (Ostpreussen.) Hüpfe, Anna Regine. Gewöhnlicher Zuruf, z. B. beim Aufhelfen einer Last, um die Gleichzeitigkeit des Hebens zu bewirken. Annehmen. 1 Man muss annehmen, was geboten wird. Lat.: Arripienda quae offeruntur. (Homer.) (Erasm., 656.) 2 Man muss annehmen, was geboten wird, sagte der Bauer zum Executor, und gab ihm eine Ohrfeige. 3 Man muss es annehmen, wie es kommt. – Schonheim, Q, 23. Lat.: Quo nos fata trahunt retrahunt que sequamur. (Virgil, Aen., I, 5.) 4 Nimm Lehre und Unterricht an, selbst wenn er kommt aus dem Maule der Kuh. – Burckhardt, 234. Verschmähe keine Quelle nützlicher Kenntnisse. 5 Wer annimmt, ist gefangen. 6 Wer annimmt, verkauft seine Freiheit. Frz.: Qui prend s'engage, ou qui prend se vend. 7 Wer nicht annehmen will, braucht auch nicht zu geben. *8 Er nimmt's an, wie der Belli die Knechte. – Kirchhofer, 23. Gutes und Schlechtes, ohne Auswahl und Unterschied. Dieser sprichwörtlich gewordene Belli war der Baillif von Dijon, Anton von Bessey, einer der geschicktesten Unterhändler der Franzosen in der Schweiz, der in kurzer Zeit durch seine Bestechungen grosse Heere von Reisläufern zusammenbrachte. Obgleich er die Leute in der Regel genau musterte, so nahm er in der Noth doch alles, was ihm zulief. Daher das Sprichwort. Annliese. * Es ist eine desperate Annliese. (Marburg.) Von einer frechen Frauensperson. Anno. *1 Anne ähs, bi di Wärr' hoatt gebrahnt. (Henneberg.) Anno eins, als die Werra gebrannt, d. i. vor sehr langer Zeit. Die Franzosen sagen, wenn sie ausdrücken wollen, dass etwas vor uralter Zeit gewesen sei: Zur Zeit, als man sich die Nase an die Aermel wischte. (Du temps qu'on se mouchait sur la manche.) *2 Anno ent (eins) als de grote Wind wär (war) – sagt man in Königsberg (Ostpreussen), wenn man ausser Stande ist, eine geforderte Zeitangabe genau zu machen. Man meint damit den am 3. November 1801 in Königsberg wüthenden Orkan, der grosse Verwüstungen anrichtete und an den noch heute eine Denkmünze erinnert. Man sagt auch abgekürzt: Anno Wind. *3 Von Anno eins her. *4 Von Anno Toback her. An die Zeit des Bekanntwerdens des Tabacks und seines Gebrauchs erinnernd. Die Franzosen sagen, um Altväterisches und eine alte Zeit, besonders in der Mode zu bezeichnen: Es ist noch aus der Zeit der stehenden Halskragen, die man aus Eisendraht oder Pappe trug. (Cela est du temps des collets montés. Lendroy, 469.) Anpacken. 1 Man muss einen anpacken, wo's ihm wehe thut. 2 Wei 't sulwst anpäcket, dei heat 't in 'n Hännen. (Westf.) Anpissen. * Es pisst ihn kein Hund mehr an. So verachtet ist er. Anraken. Dat râkt kên Wall of Kant an. (Oldenburg.) – Frommann, III, 428. Anranzen. Einen anranzen, wie die Sau den Bettelsack. (Pennsylvanien.) Anrede. Auf gute Anrede folgt guter Bescheid. (Russ.) Russ.: Na dobryj priwjet dobryj i otwjet. Anrennen. Bald (gut) angerennt, ist halb gefochten. Anrichten. 1 Es wird manches anders angerichtet als gekocht. 2 Richte nicht mehr an, als du schmalzen kannst. 3 Ungleiches Anrichten macht schielende Brüder. *4 Er richtet gern an aus anderer Leute Häfen. – Egenolff, 98a. Engl.: All men are free of other men's goods. Anrichter. Viel Anrichter, wenig Arbeiter. Anriechen. 1 Dar rûk an, as Kasper an de Sûrkôl (Sauerkraut). (Oldenburg.) – Frommann, II, 536. 2 Da rük an, sä' Hans, da slaug hei Jürgen up Näse. (Hildesheim.) Anrühren. 1 Am Anrühren des Klaviers erkennt man den Spieler. It.: Al toccar de tasti si conosce il buon organista. 2 Angerührt – heimgeführt. – Steiger, 475. In Bezug auf Buhlschaft zu Gunsten der Dirnen. 3 Was dich nicht anrührt (angeht), das rühre du auch nicht an. It.: Non toccar ciò che non ti tocca. Anschaffen. 1 Schaffe dir ein gutes Gedächtniss an, wenn du ein Lügner wirst. – Burckhardt, 564. 2 Wer vieles anschafft, hat vieles zu verwahren. Anschauen. 1 Anschauen macht Gedanken. 2 Anschauen macht Liebe und Gelegenheit Diebe. Was das erstere betrifft, so lässt sich oft über eine Sache nicht eher richtig urtheilen, als bis man sie selbst gesehen und von allen Seiten gehörig beobachtet hat. 3 Treck, schau an, segt Meier. (Hildesheim.) 4 Was hilft das Anschauen, wenn ich's nicht brauchen darf! Anscheren. Man muss nicht mehr anscheren, als man weben kann. Frz.: Il ne faut pas plus ordir qu'on ne peut tisser.

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. [48]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/76>, abgerufen am 22.11.2024.