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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867.

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[Spaltenumbruch] 33 Geschenke grosser Herrn haben mehr Schale als Kern.

"Ein gutmüthiger Gutsherr schenkte seinen Leibeigenen, weil sie so sehr die Heringe liebten und doch aus Armuth keine kaufen konnten, einen Heringsschwanz. Mit edler Publicität steckte man diesen an einen grossen Pfahl mitten im Dorfe, und jeder durfte nun sein Brot daran reiben, bis nichts mehr von ihm übrig war und man nur noch emsig nach einigem Geschmack am leeren Holze rieb." (W. Menzel, Streckverse, 196.)

34 Geschenke haben ihre Schwänke. - Eiselein, 229; Simrock, 3479.

Lat.: Nec omnia, nec passim, nec ab omnibus. (Eiselein, 229.)

35 Geschenke halten die Freundschaft warm. - Körte, 2057; Simrock, 3483; Braun, I, 748.

Ueber das Schenken und Empfangen, wie es von edeln Herzen geschieht und das vorstehende Sprichwort im Sinn hat, schreibt Jean Paul unter dem 17. August 1796 an Frau Herder: "Ein Geschenk ist der geistige Wärmemesser des Empfängers. Gibt ihm jenes den Druck der Verbindlichkeit, die Last der Dankbarkeit, so liebt er wenig. Aber die Gabe aus einer geliebten Hand löst alle zarten Ketten auf, und das Herz voll Liebe schlägt ungefesselt freier. Blos in der hohen Freundschaft wird es streitig, was süsser sei, empfangen oder geben." (Herder's Nachlass, Frankfurt a. M. 1857, I, 279.)

Dän.: Gave volder at venskab holder. (Bohn I, 390.)

36 Geschenke machen, dass das Wasser rückwärts fliesst.

37 Geschenke machen (dem Wort) Gelenke. - Steiger, 470; Eiselein, 229; Simrock, 3481; Braun, II, 493; Volksbote, IX, 155.

Lat.: Ipse licet venias Musis comitatus, Homere, si nihil attuleris, ibis, Homere, foras. (Eiselein, 229.) - Muneribus vel Dii capiuntur. (Eiselein, 229; Philippi, I, 264.) - Munerum animus optimus. (Gaal, 684.)

38 Geschenke machen Gunst.

It.: Per il dono si ha spesso perdono. (Pazzaglia, 96, 8.)

39 Geschenke machen stumm. - Sprichwörtergarten, 482.

40 Geschenke machen Weiber willig, Pfaffen frumm und die Gesetze krumm.

Dän.: Med gave giör man munke andaegtige, fiender venlige, alle villige. (Prov. dan., 219.)

Frz.: Grant don fait juge aveugler, droit abatre, tort alever. - Qui plus convoite que ne doit, sa convoitise le decoit. (Leroux, II, 98.)

41 Geschenke müssen sich gleichbleiben oder wachsen. - Eiselein, 229; Simrock, 3484.

Lat.: Munera aut stare, aut crescere debent. (Eiselein, 229.)

42 Geschenke nimmt man, wie sie gegeben werden.

D. h. mit der Gesinnung, aus der sie kommen, man unterwirft sie keiner Kritik. Was Liebe gibt, nimmt die Liebe.

Lat.: Donum quodcunque probato. (Gaal, 588.)

43 Geschenke nähren die Freundschaft.

In Aegypten hat man das Sprichwort: Die Geschenke der Freunde sind uns so theuer, als wären sie auf den Blättern der Weinraute. (Burckhardt, 695.) Man legt nämlich im Morgenlande die Geschenke, die man sich gegenseitig macht, gern auf die Blätter wohlriechender Pflanzen oder Blumen, und übergibt sie so. Die Weinraute ist bei den Arabern und Türken ganz besonders beliebt, sie schmückt, in Töpfen gezogen, häufig ihre Zimmer.

44 Geschenke sind der angenehmste Erwerb.

Dennoch lehnte Franz I. von Frankreich die Stadt Konstantinopel, die ihm der Papst schenken wollte, wenn er hingehe und sie erobere, mit der Bemerkung ab, seine Schatzkammer sei für ein so grosses Geschenk zu klein.

Frz.: Il n'y a si bel, pas de plus bel acquit que le don. (Kritzinger, 244a.) - Plus chere est un don que chose aschaptee, voit on.

45 Geschenke sind Pferde im Galop.

Man darf nicht zaudern, sie zu nehmen, muss vielmehr im Laufe danach greifen.

46 Geschenke sprengen eiserne Thore.

47 Geschenke stillen den Zorn.

It.: Colli presenti, si placano li reggi piu potenti. (Pazzaglia, 306, 6.)

48 Geschenke verhexen das Gesetz.

Die Finnen fügen hinzu: Die Schmiere bringt das Rad zum Rollen.

49 Geschenke vom Feind ist schlimm (oder: selten gut) gemeint. (S. Feind 82-84.)

Laokoon, als er das Riesenpferd der Griechen vor den Mauern Trojas erblickt: Quidquid id est, timeo Danaos, et dona ferentes (Virgil.), wie Büchmann (315) bemerkt, eine Nachbildung des 665. Verses des Rasenden Ajax des Sophokles: "Der Feinde Geschenke sind wie keine Geschenke und nicht nützlich." Ferner: Hostium [Spaltenumbruch] munera non munera. (Binder I, 682; II, 1346; Erasm., 213 u. 651; Faselius, 108; Philippi, I, 183; Seybold, 224; Wiegand, 65.) Erasmus glaubt, dass dies Sprichwort, welches den Gedanken ausspricht: Geschenke vom Feinde sind keine Geschenke, der Erzählung des Homer (Ilias, B. 7) seinen Ursprung verdanke, nach welcher die beiden Feinde Hektor und Ajax bei einer freundschaftlichen Zusammenkunft sich beschenken, jener diesen mit einem Schwert, dieser jenen mit einem Wehrgehäng, welche Gegenstände beiden in der Folge zum Verderben gereichten, was aber nicht wahrscheinlich erscheint, da Ajax sein Geschenk aufrichtigen Herzens gab. Eher dürfte, wie Faselius meint, das Sprichwort seine Quelle in den beiden Mythen von der Medea und Dejanira finden, nach denen jene der Gattin Jason's, diese aber dem Hercules ein vergiftetes Kleid sendet, da diese Geschenke mit der Absicht zu schaden gegeben wurden.

Dän.: Fiende-gave - ingen gave. (Prov. dan., 219.)

Engl.: Gifts from enemies are dangerous. (Bohn II, 360.)

It.: Da chi ti dona, guardati. (Bohn I, 90.)

Span.: Dadiva de ruin, a su duenno semeja. (Cahier, 3360.)

50 Grosse Geschenke binden die Gelenke. - Gaal, 684; Körte, 2058.

Frz.: Qui prend, s'engage. (Gaal, 684.)

51 Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. - Körte, 2057 u. 2531; Wurzbach II, 140.

Dän.: Gave skal gieldes om venskab. - Gived skal gieldes, om venskab skal holdes. (Prov. dan., 240.) - Naar gave gaaer af dör, gaaer venskab med. (Prov. dan., 218.)

Frz.: Les petits presens entretiennent l'amitie. (Leroux, II, 129; Lendroy, 31; Cahier, 1464; Kritzinger, 561b.)

It.: Conto spesso, amicizia longa.

Der Ursprung des französischen Sprichworts soll folgender sein: Der Marschall Jacques de Chabanes de la Palire (1524) hat einen grossen schwarzen Hund, Le Diable genannt, der seinem Namen alle Ehre machte, und sein Herr rühmte sich in Gesellschaft des Dichters Clement Marot am Hofe Franz' I. einst, dass er seinem Hunde das Kostbarste im freien Hofe zur Bewahrung anvertrauen wolle und sehr unbesorgt schlafen werde. Marot behauptete, er wolle es dem Hunde dessenungeachtet wegnehmen. Man ging eine Wette ein. Palire übergab seinem Hunde eine kostbare goldene Dose zur Bewachung, die aber Marot am folgenden Morgen dem Besitzer derselben zu dessen nicht geringer Verwunderung überbrachte. "Sagen Sie mir Ihr Geheimniss", rief der Marschall. "Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft", antwortete Marot. Dieser hatte nämlich eine Liebschaft im Hofe des Marschalls und daher zur Vorsicht eine genaue Bekanntschaft, auf Geschenke gegründet, mit Le Diable angeknüpft. - Bekannt ist auch die witzige Anwendung, die einst Montesquieu von diesem Sprichwort machte, als sich ein Rath bei ihm mit seinem Kopfe für die Wahrheit einer Sache verbürgte. "Ich nehme ihn an", antwortete er; "kleine Geschenke erhalten die Freundschaft." - Sie können aber auch in manchen Fällen die Freundschaft zerstören, z. B. zwischen Volk und Fürst. Vgl. darüber Des Magister Plumper's kurzes, jedoch gründliches Votum über geschenkte Constitutionen. (Welt und Zeit, IV, 143, 25.)

52 Man soll kein Geschenk ausschlagen. (S. Gaul 25.)

Lat.: Nihil recusandum, quod donatur. (Binder II, 2081; Philippi, II, 24; Seybold, 350.)

53 Mit Geschenken ist gut (oder: kann man alles) lenken.

It.: Deve dare chi vuol ricevere. (Pazzaglia, 78, 1.)

Lat.: Munera per gentes corrumpunt undique mentes. (Gaal, 685.)

54 Mit Geschenken kann man Mutter und Tochter lenken.

Dän.: Mens gave raekker er moder og daatter venner. (Prov. dan., 218.)

55 Nach Geschenken muss man rasch greifen.

Der Litauer sagt: Sie gleichen einem geschwinden Pferde, das man im Laufe erhaschen muss. (Dowanos reik greito arklio. Wurzbach I, 370.) Die Türken sind übrigens anderer Meinung, sie sagen: Nimm kein Geschenk an, denn man wird es dir wieder abfordern, sei es am Hochzeits-, sei es am Festtag. (Cahier, 2724.) Denn, behaupten die Basken: Ein Geschenk erwartet etwas Besseres (als Gegengeschenk). (Reinsberg IV, 146.)

56 Nehm' ich keine Geschenke, so behalt' ich freie Gelenke.

Lat.: Spernens omne datum non se facit esse ligatum. (Altdorf, 217; Binder II, 3191.)

57 Niemand thut Geschenck verachten, sondern alle thun darnach trachten. - Lehmann, II, 428, 118.

58 Schenck vnd Gaben sind zeugen der Lieb.

59 Unverhofftes Geschenk ist doppelt lieb.

It.: Grazie non aspettate sono sempre piu grate. (Pazzaglia, 160 1.)

60 Vorgerücktes Geschenk verliert seinen Werth.

Dän.: Breidet gave er ei laenger gave. (Prov. dan., 89.)

[Spaltenumbruch] 33 Geschenke grosser Herrn haben mehr Schale als Kern.

„Ein gutmüthiger Gutsherr schenkte seinen Leibeigenen, weil sie so sehr die Heringe liebten und doch aus Armuth keine kaufen konnten, einen Heringsschwanz. Mit edler Publicität steckte man diesen an einen grossen Pfahl mitten im Dorfe, und jeder durfte nun sein Brot daran reiben, bis nichts mehr von ihm übrig war und man nur noch emsig nach einigem Geschmack am leeren Holze rieb.“ (W. Menzel, Streckverse, 196.)

34 Geschenke haben ihre Schwänke.Eiselein, 229; Simrock, 3479.

Lat.: Nec omnia, nec passim, nec ab omnibus. (Eiselein, 229.)

35 Geschenke halten die Freundschaft warm.Körte, 2057; Simrock, 3483; Braun, I, 748.

Ueber das Schenken und Empfangen, wie es von edeln Herzen geschieht und das vorstehende Sprichwort im Sinn hat, schreibt Jean Paul unter dem 17. August 1796 an Frau Herder: „Ein Geschenk ist der geistige Wärmemesser des Empfängers. Gibt ihm jenes den Druck der Verbindlichkeit, die Last der Dankbarkeit, so liebt er wenig. Aber die Gabe aus einer geliebten Hand löst alle zarten Ketten auf, und das Herz voll Liebe schlägt ungefesselt freier. Blos in der hohen Freundschaft wird es streitig, was süsser sei, empfangen oder geben.“ (Herder's Nachlass, Frankfurt a. M. 1857, I, 279.)

Dän.: Gave volder at venskab holder. (Bohn I, 390.)

36 Geschenke machen, dass das Wasser rückwärts fliesst.

37 Geschenke machen (dem Wort) Gelenke.Steiger, 470; Eiselein, 229; Simrock, 3481; Braun, II, 493; Volksbote, IX, 155.

Lat.: Ipse licet venias Musis comitatus, Homere, si nihil attuleris, ibis, Homere, foras. (Eiselein, 229.) – Muneribus vel Dii capiuntur. (Eiselein, 229; Philippi, I, 264.) – Munerum animus optimus. (Gaal, 684.)

38 Geschenke machen Gunst.

It.: Per il dono si ha spesso perdono. (Pazzaglia, 96, 8.)

39 Geschenke machen stumm.Sprichwörtergarten, 482.

40 Geschenke machen Weiber willig, Pfaffen frumm und die Gesetze krumm.

Dän.: Med gave giør man munke andægtige, fiender venlige, alle villige. (Prov. dan., 219.)

Frz.: Grant don fait juge aveugler, droit abatre, tort alever. – Qui plus convoite que ne doit, sa convoitise le deçoit. (Leroux, II, 98.)

41 Geschenke müssen sich gleichbleiben oder wachsen.Eiselein, 229; Simrock, 3484.

Lat.: Munera aut stare, aut crescere debent. (Eiselein, 229.)

42 Geschenke nimmt man, wie sie gegeben werden.

D. h. mit der Gesinnung, aus der sie kommen, man unterwirft sie keiner Kritik. Was Liebe gibt, nimmt die Liebe.

Lat.: Donum quodcunque probato. (Gaal, 588.)

43 Geschenke nähren die Freundschaft.

In Aegypten hat man das Sprichwort: Die Geschenke der Freunde sind uns so theuer, als wären sie auf den Blättern der Weinraute. (Burckhardt, 695.) Man legt nämlich im Morgenlande die Geschenke, die man sich gegenseitig macht, gern auf die Blätter wohlriechender Pflanzen oder Blumen, und übergibt sie so. Die Weinraute ist bei den Arabern und Türken ganz besonders beliebt, sie schmückt, in Töpfen gezogen, häufig ihre Zimmer.

44 Geschenke sind der angenehmste Erwerb.

Dennoch lehnte Franz I. von Frankreich die Stadt Konstantinopel, die ihm der Papst schenken wollte, wenn er hingehe und sie erobere, mit der Bemerkung ab, seine Schatzkammer sei für ein so grosses Geschenk zu klein.

Frz.: Il n'y a si bel, pas de plus bel acquit que le don. (Kritzinger, 244a.) – Plus chère est un don que chose aschaptée, voit on.

45 Geschenke sind Pferde im Galop.

Man darf nicht zaudern, sie zu nehmen, muss vielmehr im Laufe danach greifen.

46 Geschenke sprengen eiserne Thore.

47 Geschenke stillen den Zorn.

It.: Colli presenti, si placano li reggi più potenti. (Pazzaglia, 306, 6.)

48 Geschenke verhexen das Gesetz.

Die Finnen fügen hinzu: Die Schmiere bringt das Rad zum Rollen.

49 Geschenke vom Feind ist schlimm (oder: selten gut) gemeint. (S. Feind 82-84.)

Laokoon, als er das Riesenpferd der Griechen vor den Mauern Trojas erblickt: Quidquid id est, timeo Danaos, et dona ferentes (Virgil.), wie Büchmann (315) bemerkt, eine Nachbildung des 665. Verses des Rasenden Ajax des Sophokles: „Der Feinde Geschenke sind wie keine Geschenke und nicht nützlich.“ Ferner: Hostium [Spaltenumbruch] munera non munera. (Binder I, 682; II, 1346; Erasm., 213 u. 651; Faselius, 108; Philippi, I, 183; Seybold, 224; Wiegand, 65.) Erasmus glaubt, dass dies Sprichwort, welches den Gedanken ausspricht: Geschenke vom Feinde sind keine Geschenke, der Erzählung des Homer (Ilias, B. 7) seinen Ursprung verdanke, nach welcher die beiden Feinde Hektor und Ajax bei einer freundschaftlichen Zusammenkunft sich beschenken, jener diesen mit einem Schwert, dieser jenen mit einem Wehrgehäng, welche Gegenstände beiden in der Folge zum Verderben gereichten, was aber nicht wahrscheinlich erscheint, da Ajax sein Geschenk aufrichtigen Herzens gab. Eher dürfte, wie Faselius meint, das Sprichwort seine Quelle in den beiden Mythen von der Medea und Dejanira finden, nach denen jene der Gattin Jason's, diese aber dem Hercules ein vergiftetes Kleid sendet, da diese Geschenke mit der Absicht zu schaden gegeben wurden.

Dän.: Fiende-gave – ingen gave. (Prov. dan., 219.)

Engl.: Gifts from enemies are dangerous. (Bohn II, 360.)

It.: Da chi ti dona, guardati. (Bohn I, 90.)

Span.: Dádiva de ruin, á su dueño semeja. (Cahier, 3360.)

50 Grosse Geschenke binden die Gelenke.Gaal, 684; Körte, 2058.

Frz.: Qui prend, s'engage. (Gaal, 684.)

51 Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.Körte, 2057 u. 2531; Wurzbach II, 140.

Dän.: Gave skal gieldes om venskab. – Gived skal gieldes, om venskab skal holdes. (Prov. dan., 240.) – Naar gave gaaer af dør, gaaer venskab med. (Prov. dan., 218.)

Frz.: Les petits présens entretiennent l'amitié. (Leroux, II, 129; Lendroy, 31; Cahier, 1464; Kritzinger, 561b.)

It.: Conto spesso, amicizia longa.

Der Ursprung des französischen Sprichworts soll folgender sein: Der Marschall Jacques de Chabanes de la Palire (1524) hat einen grossen schwarzen Hund, Le Diable genannt, der seinem Namen alle Ehre machte, und sein Herr rühmte sich in Gesellschaft des Dichters Clement Marot am Hofe Franz' I. einst, dass er seinem Hunde das Kostbarste im freien Hofe zur Bewahrung anvertrauen wolle und sehr unbesorgt schlafen werde. Marot behauptete, er wolle es dem Hunde dessenungeachtet wegnehmen. Man ging eine Wette ein. Palire übergab seinem Hunde eine kostbare goldene Dose zur Bewachung, die aber Marot am folgenden Morgen dem Besitzer derselben zu dessen nicht geringer Verwunderung überbrachte. „Sagen Sie mir Ihr Geheimniss“, rief der Marschall. „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, antwortete Marot. Dieser hatte nämlich eine Liebschaft im Hofe des Marschalls und daher zur Vorsicht eine genaue Bekanntschaft, auf Geschenke gegründet, mit Le Diable angeknüpft. – Bekannt ist auch die witzige Anwendung, die einst Montesquieu von diesem Sprichwort machte, als sich ein Rath bei ihm mit seinem Kopfe für die Wahrheit einer Sache verbürgte. „Ich nehme ihn an“, antwortete er; „kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“ – Sie können aber auch in manchen Fällen die Freundschaft zerstören, z. B. zwischen Volk und Fürst. Vgl. darüber Des Magister Plumper's kurzes, jedoch gründliches Votum über geschenkte Constitutionen. (Welt und Zeit, IV, 143, 25.)

52 Man soll kein Geschenk ausschlagen. (S. Gaul 25.)

Lat.: Nihil recusandum, quod donatur. (Binder II, 2081; Philippi, II, 24; Seybold, 350.)

53 Mit Geschenken ist gut (oder: kann man alles) lenken.

It.: Deve dare chi vuol ricevere. (Pazzaglia, 78, 1.)

Lat.: Munera per gentes corrumpunt undique mentes. (Gaal, 685.)

54 Mit Geschenken kann man Mutter und Tochter lenken.

Dän.: Mens gave rækker er moder og daatter venner. (Prov. dan., 218.)

55 Nach Geschenken muss man rasch greifen.

Der Litauer sagt: Sie gleichen einem geschwinden Pferde, das man im Laufe erhaschen muss. (Dówanôs reik greito arklio. Wurzbach I, 370.) Die Türken sind übrigens anderer Meinung, sie sagen: Nimm kein Geschenk an, denn man wird es dir wieder abfordern, sei es am Hochzeits-, sei es am Festtag. (Cahier, 2724.) Denn, behaupten die Basken: Ein Geschenk erwartet etwas Besseres (als Gegengeschenk). (Reinsberg IV, 146.)

56 Nehm' ich keine Geschenke, so behalt' ich freie Gelenke.

Lat.: Spernens omne datum non se facit esse ligatum. (Altdorf, 217; Binder II, 3191.)

57 Niemand thut Geschenck verachten, sondern alle thun darnach trachten.Lehmann, II, 428, 118.

58 Schenck vnd Gaben sind zeugen der Lieb.

59 Unverhofftes Geschenk ist doppelt lieb.

It.: Grazie non aspettate sono sempre più grate. (Pazzaglia, 160 1.)

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[[796]/0824] 33 Geschenke grosser Herrn haben mehr Schale als Kern. „Ein gutmüthiger Gutsherr schenkte seinen Leibeigenen, weil sie so sehr die Heringe liebten und doch aus Armuth keine kaufen konnten, einen Heringsschwanz. Mit edler Publicität steckte man diesen an einen grossen Pfahl mitten im Dorfe, und jeder durfte nun sein Brot daran reiben, bis nichts mehr von ihm übrig war und man nur noch emsig nach einigem Geschmack am leeren Holze rieb.“ (W. Menzel, Streckverse, 196.) 34 Geschenke haben ihre Schwänke. – Eiselein, 229; Simrock, 3479. Lat.: Nec omnia, nec passim, nec ab omnibus. (Eiselein, 229.) 35 Geschenke halten die Freundschaft warm. – Körte, 2057; Simrock, 3483; Braun, I, 748. Ueber das Schenken und Empfangen, wie es von edeln Herzen geschieht und das vorstehende Sprichwort im Sinn hat, schreibt Jean Paul unter dem 17. August 1796 an Frau Herder: „Ein Geschenk ist der geistige Wärmemesser des Empfängers. Gibt ihm jenes den Druck der Verbindlichkeit, die Last der Dankbarkeit, so liebt er wenig. Aber die Gabe aus einer geliebten Hand löst alle zarten Ketten auf, und das Herz voll Liebe schlägt ungefesselt freier. Blos in der hohen Freundschaft wird es streitig, was süsser sei, empfangen oder geben.“ (Herder's Nachlass, Frankfurt a. M. 1857, I, 279.) Dän.: Gave volder at venskab holder. (Bohn I, 390.) 36 Geschenke machen, dass das Wasser rückwärts fliesst. 37 Geschenke machen (dem Wort) Gelenke. – Steiger, 470; Eiselein, 229; Simrock, 3481; Braun, II, 493; Volksbote, IX, 155. Lat.: Ipse licet venias Musis comitatus, Homere, si nihil attuleris, ibis, Homere, foras. (Eiselein, 229.) – Muneribus vel Dii capiuntur. (Eiselein, 229; Philippi, I, 264.) – Munerum animus optimus. (Gaal, 684.) 38 Geschenke machen Gunst. It.: Per il dono si ha spesso perdono. (Pazzaglia, 96, 8.) 39 Geschenke machen stumm. – Sprichwörtergarten, 482. 40 Geschenke machen Weiber willig, Pfaffen frumm und die Gesetze krumm. Dän.: Med gave giør man munke andægtige, fiender venlige, alle villige. (Prov. dan., 219.) Frz.: Grant don fait juge aveugler, droit abatre, tort alever. – Qui plus convoite que ne doit, sa convoitise le deçoit. (Leroux, II, 98.) 41 Geschenke müssen sich gleichbleiben oder wachsen. – Eiselein, 229; Simrock, 3484. Lat.: Munera aut stare, aut crescere debent. (Eiselein, 229.) 42 Geschenke nimmt man, wie sie gegeben werden. D. h. mit der Gesinnung, aus der sie kommen, man unterwirft sie keiner Kritik. Was Liebe gibt, nimmt die Liebe. Lat.: Donum quodcunque probato. (Gaal, 588.) 43 Geschenke nähren die Freundschaft. In Aegypten hat man das Sprichwort: Die Geschenke der Freunde sind uns so theuer, als wären sie auf den Blättern der Weinraute. (Burckhardt, 695.) Man legt nämlich im Morgenlande die Geschenke, die man sich gegenseitig macht, gern auf die Blätter wohlriechender Pflanzen oder Blumen, und übergibt sie so. Die Weinraute ist bei den Arabern und Türken ganz besonders beliebt, sie schmückt, in Töpfen gezogen, häufig ihre Zimmer. 44 Geschenke sind der angenehmste Erwerb. Dennoch lehnte Franz I. von Frankreich die Stadt Konstantinopel, die ihm der Papst schenken wollte, wenn er hingehe und sie erobere, mit der Bemerkung ab, seine Schatzkammer sei für ein so grosses Geschenk zu klein. Frz.: Il n'y a si bel, pas de plus bel acquit que le don. (Kritzinger, 244a.) – Plus chère est un don que chose aschaptée, voit on. 45 Geschenke sind Pferde im Galop. Man darf nicht zaudern, sie zu nehmen, muss vielmehr im Laufe danach greifen. 46 Geschenke sprengen eiserne Thore. 47 Geschenke stillen den Zorn. It.: Colli presenti, si placano li reggi più potenti. (Pazzaglia, 306, 6.) 48 Geschenke verhexen das Gesetz. Die Finnen fügen hinzu: Die Schmiere bringt das Rad zum Rollen. 49 Geschenke vom Feind ist schlimm (oder: selten gut) gemeint. (S. Feind 82-84.) Laokoon, als er das Riesenpferd der Griechen vor den Mauern Trojas erblickt: Quidquid id est, timeo Danaos, et dona ferentes (Virgil.), wie Büchmann (315) bemerkt, eine Nachbildung des 665. Verses des Rasenden Ajax des Sophokles: „Der Feinde Geschenke sind wie keine Geschenke und nicht nützlich.“ Ferner: Hostium munera non munera. (Binder I, 682; II, 1346; Erasm., 213 u. 651; Faselius, 108; Philippi, I, 183; Seybold, 224; Wiegand, 65.) Erasmus glaubt, dass dies Sprichwort, welches den Gedanken ausspricht: Geschenke vom Feinde sind keine Geschenke, der Erzählung des Homer (Ilias, B. 7) seinen Ursprung verdanke, nach welcher die beiden Feinde Hektor und Ajax bei einer freundschaftlichen Zusammenkunft sich beschenken, jener diesen mit einem Schwert, dieser jenen mit einem Wehrgehäng, welche Gegenstände beiden in der Folge zum Verderben gereichten, was aber nicht wahrscheinlich erscheint, da Ajax sein Geschenk aufrichtigen Herzens gab. Eher dürfte, wie Faselius meint, das Sprichwort seine Quelle in den beiden Mythen von der Medea und Dejanira finden, nach denen jene der Gattin Jason's, diese aber dem Hercules ein vergiftetes Kleid sendet, da diese Geschenke mit der Absicht zu schaden gegeben wurden. Dän.: Fiende-gave – ingen gave. (Prov. dan., 219.) Engl.: Gifts from enemies are dangerous. (Bohn II, 360.) It.: Da chi ti dona, guardati. (Bohn I, 90.) Span.: Dádiva de ruin, á su dueño semeja. (Cahier, 3360.) 50 Grosse Geschenke binden die Gelenke. – Gaal, 684; Körte, 2058. Frz.: Qui prend, s'engage. (Gaal, 684.) 51 Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft. – Körte, 2057 u. 2531; Wurzbach II, 140. Dän.: Gave skal gieldes om venskab. – Gived skal gieldes, om venskab skal holdes. (Prov. dan., 240.) – Naar gave gaaer af dør, gaaer venskab med. (Prov. dan., 218.) Frz.: Les petits présens entretiennent l'amitié. (Leroux, II, 129; Lendroy, 31; Cahier, 1464; Kritzinger, 561b.) It.: Conto spesso, amicizia longa. Der Ursprung des französischen Sprichworts soll folgender sein: Der Marschall Jacques de Chabanes de la Palire (1524) hat einen grossen schwarzen Hund, Le Diable genannt, der seinem Namen alle Ehre machte, und sein Herr rühmte sich in Gesellschaft des Dichters Clement Marot am Hofe Franz' I. einst, dass er seinem Hunde das Kostbarste im freien Hofe zur Bewahrung anvertrauen wolle und sehr unbesorgt schlafen werde. Marot behauptete, er wolle es dem Hunde dessenungeachtet wegnehmen. Man ging eine Wette ein. Palire übergab seinem Hunde eine kostbare goldene Dose zur Bewachung, die aber Marot am folgenden Morgen dem Besitzer derselben zu dessen nicht geringer Verwunderung überbrachte. „Sagen Sie mir Ihr Geheimniss“, rief der Marschall. „Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft“, antwortete Marot. Dieser hatte nämlich eine Liebschaft im Hofe des Marschalls und daher zur Vorsicht eine genaue Bekanntschaft, auf Geschenke gegründet, mit Le Diable angeknüpft. – Bekannt ist auch die witzige Anwendung, die einst Montesquieu von diesem Sprichwort machte, als sich ein Rath bei ihm mit seinem Kopfe für die Wahrheit einer Sache verbürgte. „Ich nehme ihn an“, antwortete er; „kleine Geschenke erhalten die Freundschaft.“ – Sie können aber auch in manchen Fällen die Freundschaft zerstören, z. B. zwischen Volk und Fürst. Vgl. darüber Des Magister Plumper's kurzes, jedoch gründliches Votum über geschenkte Constitutionen. (Welt und Zeit, IV, 143, 25.) 52 Man soll kein Geschenk ausschlagen. (S. Gaul 25.) Lat.: Nihil recusandum, quod donatur. (Binder II, 2081; Philippi, II, 24; Seybold, 350.) 53 Mit Geschenken ist gut (oder: kann man alles) lenken. It.: Deve dare chi vuol ricevere. (Pazzaglia, 78, 1.) Lat.: Munera per gentes corrumpunt undique mentes. (Gaal, 685.) 54 Mit Geschenken kann man Mutter und Tochter lenken. Dän.: Mens gave rækker er moder og daatter venner. (Prov. dan., 218.) 55 Nach Geschenken muss man rasch greifen. Der Litauer sagt: Sie gleichen einem geschwinden Pferde, das man im Laufe erhaschen muss. (Dówanôs reik greito arklio. Wurzbach I, 370.) Die Türken sind übrigens anderer Meinung, sie sagen: Nimm kein Geschenk an, denn man wird es dir wieder abfordern, sei es am Hochzeits-, sei es am Festtag. (Cahier, 2724.) Denn, behaupten die Basken: Ein Geschenk erwartet etwas Besseres (als Gegengeschenk). (Reinsberg IV, 146.) 56 Nehm' ich keine Geschenke, so behalt' ich freie Gelenke. Lat.: Spernens omne datum non se facit esse ligatum. (Altdorf, 217; Binder II, 3191.) 57 Niemand thut Geschenck verachten, sondern alle thun darnach trachten. – Lehmann, II, 428, 118. 58 Schenck vnd Gaben sind zeugen der Lieb. 59 Unverhofftes Geschenk ist doppelt lieb. It.: Grazie non aspettate sono sempre più grate. (Pazzaglia, 160 1.) 60 Vorgerücktes Geschenk verliert seinen Werth. Dän.: Breidet gave er ei længer gave. (Prov. dan., 89.)

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 1. Leipzig, 1867, S. [796]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon01_1867/824>, abgerufen am 24.06.2024.