Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 2. Leipzig, 1870.Diese Bemerkung soll durchaus keinen polemischen Charakter haben; sie soll blos die Kritik, welche gerade gegen diesen Punkt Sturm läuft, beruhigen. Als ich mich in den vierziger Jahren, nachdem die erste Reinschrift eine Arbeit in Stärke von 700 Bogen hergestellt hatte, vergeblich bemühte, eine Verlagshandlung für den Druck zu finden, "weil das Buch zu stark werde", bedauerte ich dies gar sehr, liess mich indess von der Fortsetzung der Arbeit auch dann nicht abhalten, als der Durchschuss das frühere Manuscript auf 1400 Bogen gebracht hatte. Erst nach einer Reihe von Jahren, als sich die Handschrift mittels Durchschuss noch einmal verdoppelt hatte, gewann die jetzige Verlagshandlung Vertrauen zu dem Unternehmen; und ich würde es für jetzt nicht nur aufs äusserste bedauern, wenn das erste Manuscript gedruckt worden wäre; ich würde es ebenso stark beklagen, wenn das jetzige Manuscript so zum Abdruck gelangt wäre, wie es beim Abschluss vorlag, Ich habe schon in der Vorrede zum ersten Bande hervorgehoben, in welchem Grade erst in neuerer Zeit der mundartlichen und sprichwörtlichen Literatur, infolge des Erwachens eines neuen nationalen Geistes, Beachtung geworden ist. Nicht nur das Quellenverzeichniss des ersten Bandes, auch das des zweiten liefert den Beweis von einer Anzahl neu erschienener, dies Gebiet berührender Schriften. Ein Blick in die 1822 erschienene Literatur der Sprichwörter von Nopitsch, wie in die spätern ergänzenden Arbeiten dieser Art von Duplessis und Zacher wird die Ueberzeugung gewähren, wie dürftig die Bearbeitung dieses Literaturzweigs in früherer Zeit gewesen ist. Allein das, was seit Beginn des Drucks aus dem Volksmunde aller Gauen Deutschlands wie aus der Literatur in allen ihren Zweigen an Sprichwörtern gesammelt und in unser Deutsches Sprichwörter-Lexikon übergegangen ist, übersteigt ohne Uebertreibung alles, was in den von Nopitsch aufgeführten deutschen Arbeiten enthalten ist. Es wird erlaubt sein, von dem zu sprechen, was in dieser Hinsicht das Deutsche Sprichwörter-Lexikon geleistet hat. Vollständig einsehen wird man es erst, wenn die Quellenkunde des Deutschen Sprichworts, an der mein Freund J. Franck in Annweiler seit dreissig Jahren arbeitet, erschienen ist, ein Werk deutscher Gründlichkeit und Ausdauer, wie demselben schwerlich ein anderes Volk ein ähnlicheswird zur Seite stellen können.1 1 Vor einiger Zeit fragte ich Herrn Franck, wie weit seine Arbeit vorgeschritten sei und wann er die Herausgabe zu beginnen gedenke. Es wird den Freunden der Sprichwörterliteratur gewiss erwünscht sein, darüber einige Nachricht zu erhalten. Herr Franck schrieb mir vor kurzem:
"Sie fragen mich schliesslich nach dem Fortschritt meiner langjährigen Arbeit: Bibliographie des deutschen Sprichworts. Obgleich ich von vornherein die Schwierigkeiten keineswegs unterschätzte, die mit der Veranschaulichung einer über alle Jahrhunderte sich erstreckenden und, soweit dies eines Einzigen Kraft vermag, auch vollständigen systematisch geordneten Quellenkunde unserer deutschen Sprichwörter verbunden sind; so war ich doch weit entfernt, zu ahnen, bis zu welchem Grade diese Schwierigkeiten bei der Ausführung selbst sich steigern würden und die nur der in ihrem vollen Umfange zu würdigen versteht, der je einmal mit ähnlichen Arbeiten sich beschäftigt hat. Diese häufen sich aber ganz besonders für die ältesten Zeiten und bis zum Ausgang des Mittelalters. Die Durchforschung so vieler in diese frühern Perioden fallender Schriftwerke, den Quellen und Grundlagen eines bedeutenden Theils unserer heutigen Sprichwörter, absorbirt vorweg die beste Kraft. Dass es aber keineswegs genüge, für diese Zeiten blos auf die deutschen Sprichwörter sich zu beschränken, sondern dass den lateinischen eine völlig gleiche Berücksichtigung zu schenken sei, das liegt wol ausser aller Frage; die letztern sind älter und haben häufig einen formalen und materiellen Einfluss auf die erstern ausgeübt. Hierzu kommt der fast absolute Mangel aller bezüglichen Vorarbeiten. Denn was Nopitsch und Zacher, die zwei einzigen Parömiographen für das deutsche Sprichwort, in dieser Beziehung aufzeichneten, darf jetzt wol ungenügend und mangelhaft genannt werden, selbst wenn man von dem völligen Mangel aller Bezüge in Haupt- und Nebenwerken absieht, die jenseit des 15. Jahrhunderts liegen. Und es hat denn auch in beiden Schriften unsere so reiche gnomologische Literatur des Mittelalters ebenso wenig Beachtung gefunden als die werthvollen und noch grösstentheils intacten Schätze der secundären Quellen des 16. Jahrhunderts, der goldenen Zeit des Sprichworts, oder die der folgenden Zeiten bis herab zu ihrer eigenen. Endlich kommt noch hinzu die Zerstreutheit und die schwierige und kostspielige (weil möglichst autoptisch zu benutzende) Beschaffung der Quellenschriften, die weite Entfernung aller grössern Bibliotheken und eine auf das knappste zugemessene Zeit, die, wie leider seit so manchen Jahren, nur Lucubrationsstunden sind. "Inzwischen aber haben sich im Laufe der Zeit meine Collectaneen auf so bedenkliche Weise angehäuft, dass ich, sollen mir dieselben nicht über den Kopf und das Grab wachsen und ungeachtet dessen, dass meine Desideratenlisten noch keineswegs erschöpft sind, auf das ernstlichste daran denke, an deren Ordnung und beziehentlich Ausarbeitung Hand zu legen. Und damit soll denn nun der Anfang gemacht werden, sodass im Laufe des nächsten Jahres, so Gott und ein Verleger will, der erste Band im Druck erscheinen kann. Dieser wird zunächst die proverbiale Literatur des 10. bis einschliesslich des 15. Jahrhunderts in sich fassen und an ihn werden dann in weitern Bänden, für diese in einer grössern Zahl Aehnliches und Verwandtes zusammenfassende Gruppen zerlegt, die Erscheinungen der folgenden Jahrhunderte sich anschliessen. Ein letzter wird gegen 500 grössere Originalsprach- und Stilproben bringen, als Belege zu allen Jahrhunderten. "Nach welchen Grundsätzen aber der Auf- und Ausbau der ganzen Arbeit geschehen und dass in deren Bereich nicht blos die Sprichwörtersammlungen im engern Sinne, sondern, was ganz unerlasslich, auch das gesammte übrige Schriftenthum jedes Fachs, insoweit dieses irgendeinen Beitrag von Belang liefert, zu ziehen sei, darüber habe ich mich schon vor Jahren des Nähern ausgesprochen, Ich beziehe mich unter anderm auf die Jahrgänge 1868-1869 des Anzeigers für die Kunde der deutschen Vorzeit, Herrig's Archiv, XL, 47 fg., und Serapeum, 1866, Nr. 12 und 22. "Ich will nur noch die (nach Obigem) vielleicht überflüssige Bemerkung hinzufügen, dass nach einem seitdem natur- und sachgemäss erweiterten Plane diese Quellenkunde des deutschen Sprichworts nicht erst in den Incunabeln des Drucks, sondern in den ältesten Jahrhunderten ihre Anfänge zu suchen hat. "Möchte seinerzeit meine Arbeit, die Frucht eines dreissigjährigen mühereichen und arbeitsvollen Forschens und Sammelns, bei allen Freunden der Literatur und namentlich der ältern, ganz besonders aber bei denen unsers Sprichworts eine willkommene Aufnahme finden!" Diese Bemerkung soll durchaus keinen polemischen Charakter haben; sie soll blos die Kritik, welche gerade gegen diesen Punkt Sturm läuft, beruhigen. Als ich mich in den vierziger Jahren, nachdem die erste Reinschrift eine Arbeit in Stärke von 700 Bogen hergestellt hatte, vergeblich bemühte, eine Verlagshandlung für den Druck zu finden, „weil das Buch zu stark werde“, bedauerte ich dies gar sehr, liess mich indess von der Fortsetzung der Arbeit auch dann nicht abhalten, als der Durchschuss das frühere Manuscript auf 1400 Bogen gebracht hatte. Erst nach einer Reihe von Jahren, als sich die Handschrift mittels Durchschuss noch einmal verdoppelt hatte, gewann die jetzige Verlagshandlung Vertrauen zu dem Unternehmen; und ich würde es für jetzt nicht nur aufs äusserste bedauern, wenn das erste Manuscript gedruckt worden wäre; ich würde es ebenso stark beklagen, wenn das jetzige Manuscript so zum Abdruck gelangt wäre, wie es beim Abschluss vorlag, Ich habe schon in der Vorrede zum ersten Bande hervorgehoben, in welchem Grade erst in neuerer Zeit der mundartlichen und sprichwörtlichen Literatur, infolge des Erwachens eines neuen nationalen Geistes, Beachtung geworden ist. Nicht nur das Quellenverzeichniss des ersten Bandes, auch das des zweiten liefert den Beweis von einer Anzahl neu erschienener, dies Gebiet berührender Schriften. Ein Blick in die 1822 erschienene Literatur der Sprichwörter von Nopitsch, wie in die spätern ergänzenden Arbeiten dieser Art von Duplessis und Zacher wird die Ueberzeugung gewähren, wie dürftig die Bearbeitung dieses Literaturzweigs in früherer Zeit gewesen ist. Allein das, was seit Beginn des Drucks aus dem Volksmunde aller Gauen Deutschlands wie aus der Literatur in allen ihren Zweigen an Sprichwörtern gesammelt und in unser Deutsches Sprichwörter-Lexikon übergegangen ist, übersteigt ohne Uebertreibung alles, was in den von Nopitsch aufgeführten deutschen Arbeiten enthalten ist. Es wird erlaubt sein, von dem zu sprechen, was in dieser Hinsicht das Deutsche Sprichwörter-Lexikon geleistet hat. Vollständig einsehen wird man es erst, wenn die Quellenkunde des Deutschen Sprichworts, an der mein Freund J. Franck in Annweiler seit dreissig Jahren arbeitet, erschienen ist, ein Werk deutscher Gründlichkeit und Ausdauer, wie demselben schwerlich ein anderes Volk ein ähnlicheswird zur Seite stellen können.1 1 Vor einiger Zeit fragte ich Herrn Franck, wie weit seine Arbeit vorgeschritten sei und wann er die Herausgabe zu beginnen gedenke. Es wird den Freunden der Sprichwörterliteratur gewiss erwünscht sein, darüber einige Nachricht zu erhalten. Herr Franck schrieb mir vor kurzem:
„Sie fragen mich schliesslich nach dem Fortschritt meiner langjährigen Arbeit: Bibliographie des deutschen Sprichworts. Obgleich ich von vornherein die Schwierigkeiten keineswegs unterschätzte, die mit der Veranschaulichung einer über alle Jahrhunderte sich erstreckenden und, soweit dies eines Einzigen Kraft vermag, auch vollständigen systematisch geordneten Quellenkunde unserer deutschen Sprichwörter verbunden sind; so war ich doch weit entfernt, zu ahnen, bis zu welchem Grade diese Schwierigkeiten bei der Ausführung selbst sich steigern würden und die nur der in ihrem vollen Umfange zu würdigen versteht, der je einmal mit ähnlichen Arbeiten sich beschäftigt hat. Diese häufen sich aber ganz besonders für die ältesten Zeiten und bis zum Ausgang des Mittelalters. Die Durchforschung so vieler in diese frühern Perioden fallender Schriftwerke, den Quellen und Grundlagen eines bedeutenden Theils unserer heutigen Sprichwörter, absorbirt vorweg die beste Kraft. Dass es aber keineswegs genüge, für diese Zeiten blos auf die deutschen Sprichwörter sich zu beschränken, sondern dass den lateinischen eine völlig gleiche Berücksichtigung zu schenken sei, das liegt wol ausser aller Frage; die letztern sind älter und haben häufig einen formalen und materiellen Einfluss auf die erstern ausgeübt. Hierzu kommt der fast absolute Mangel aller bezüglichen Vorarbeiten. Denn was Nopitsch und Zacher, die zwei einzigen Parömiographen für das deutsche Sprichwort, in dieser Beziehung aufzeichneten, darf jetzt wol ungenügend und mangelhaft genannt werden, selbst wenn man von dem völligen Mangel aller Bezüge in Haupt- und Nebenwerken absieht, die jenseit des 15. Jahrhunderts liegen. Und es hat denn auch in beiden Schriften unsere so reiche gnomologische Literatur des Mittelalters ebenso wenig Beachtung gefunden als die werthvollen und noch grösstentheils intacten Schätze der secundären Quellen des 16. Jahrhunderts, der goldenen Zeit des Sprichworts, oder die der folgenden Zeiten bis herab zu ihrer eigenen. Endlich kommt noch hinzu die Zerstreutheit und die schwierige und kostspielige (weil möglichst autoptisch zu benutzende) Beschaffung der Quellenschriften, die weite Entfernung aller grössern Bibliotheken und eine auf das knappste zugemessene Zeit, die, wie leider seit so manchen Jahren, nur Lucubrationsstunden sind. „Inzwischen aber haben sich im Laufe der Zeit meine Collectaneen auf so bedenkliche Weise angehäuft, dass ich, sollen mir dieselben nicht über den Kopf und das Grab wachsen und ungeachtet dessen, dass meine Desideratenlisten noch keineswegs erschöpft sind, auf das ernstlichste daran denke, an deren Ordnung und beziehentlich Ausarbeitung Hand zu legen. Und damit soll denn nun der Anfang gemacht werden, sodass im Laufe des nächsten Jahres, so Gott und ein Verleger will, der erste Band im Druck erscheinen kann. Dieser wird zunächst die proverbiale Literatur des 10. bis einschliesslich des 15. Jahrhunderts in sich fassen und an ihn werden dann in weitern Bänden, für diese in einer grössern Zahl Aehnliches und Verwandtes zusammenfassende Gruppen zerlegt, die Erscheinungen der folgenden Jahrhunderte sich anschliessen. Ein letzter wird gegen 500 grössere Originalsprach- und Stilproben bringen, als Belege zu allen Jahrhunderten. „Nach welchen Grundsätzen aber der Auf- und Ausbau der ganzen Arbeit geschehen und dass in deren Bereich nicht blos die Sprichwörtersammlungen im engern Sinne, sondern, was ganz unerlasslich, auch das gesammte übrige Schriftenthum jedes Fachs, insoweit dieses irgendeinen Beitrag von Belang liefert, zu ziehen sei, darüber habe ich mich schon vor Jahren des Nähern ausgesprochen, Ich beziehe mich unter anderm auf die Jahrgänge 1868-1869 des Anzeigers für die Kunde der deutschen Vorzeit, Herrig's Archiv, XL, 47 fg., und Serapeum, 1866, Nr. 12 und 22. „Ich will nur noch die (nach Obigem) vielleicht überflüssige Bemerkung hinzufügen, dass nach einem seitdem natur- und sachgemäss erweiterten Plane diese Quellenkunde des deutschen Sprichworts nicht erst in den Incunabeln des Drucks, sondern in den ältesten Jahrhunderten ihre Anfänge zu suchen hat. „Möchte seinerzeit meine Arbeit, die Frucht eines dreissigjährigen mühereichen und arbeitsvollen Forschens und Sammelns, bei allen Freunden der Literatur und namentlich der ältern, ganz besonders aber bei denen unsers Sprichworts eine willkommene Aufnahme finden!“ <TEI> <text> <front> <div type="preface" n="1"> <p><pb facs="#f0004" n="VI"/> Diese Bemerkung soll durchaus keinen polemischen Charakter haben; sie soll blos die Kritik, welche gerade gegen diesen Punkt Sturm läuft, beruhigen.</p><lb/> <p>Als ich mich in den vierziger Jahren, nachdem die erste Reinschrift eine Arbeit in Stärke von 700 Bogen hergestellt hatte, vergeblich bemühte, eine Verlagshandlung für den Druck zu finden, „weil das Buch zu stark werde“, bedauerte ich dies gar sehr, liess mich indess von der Fortsetzung der Arbeit auch dann nicht abhalten, als der Durchschuss das frühere Manuscript auf 1400 Bogen gebracht hatte. Erst nach einer Reihe von Jahren, als sich die Handschrift mittels Durchschuss noch einmal verdoppelt hatte, gewann die jetzige Verlagshandlung Vertrauen zu dem Unternehmen; und ich würde es für jetzt nicht nur aufs äusserste bedauern, wenn das erste Manuscript gedruckt worden wäre; ich würde es ebenso stark beklagen, wenn das jetzige Manuscript so zum Abdruck gelangt wäre, wie es beim Abschluss vorlag, Ich habe schon in der Vorrede zum ersten Bande hervorgehoben, in welchem Grade erst in neuerer Zeit der mundartlichen und sprichwörtlichen Literatur, infolge des Erwachens eines neuen nationalen Geistes, Beachtung geworden ist.</p><lb/> <p>Nicht nur das Quellenverzeichniss des ersten Bandes, auch das des zweiten liefert den Beweis von einer Anzahl neu erschienener, dies Gebiet berührender Schriften.</p><lb/> <p>Ein Blick in die 1822 erschienene Literatur der Sprichwörter von <hi rendition="#i">Nopitsch,</hi> wie in die spätern ergänzenden Arbeiten dieser Art von <hi rendition="#i">Duplessis</hi> und <hi rendition="#i">Zacher</hi> wird die Ueberzeugung gewähren, wie dürftig die Bearbeitung dieses Literaturzweigs in früherer Zeit gewesen ist.</p><lb/> <p>Allein das, was seit Beginn des Drucks aus dem Volksmunde aller Gauen Deutschlands wie aus der Literatur in allen ihren Zweigen an Sprichwörtern gesammelt und in unser <hi rendition="#i">Deutsches Sprichwörter-Lexikon</hi> übergegangen ist, übersteigt ohne Uebertreibung alles, was in den von <hi rendition="#i">Nopitsch</hi> aufgeführten deutschen Arbeiten enthalten ist.</p><lb/> <p>Es wird erlaubt sein, von dem zu sprechen, was in dieser Hinsicht das <hi rendition="#i">Deutsche Sprichwörter-Lexikon</hi> geleistet hat. 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Die Durchforschung so vieler in diese frühern Perioden fallender Schriftwerke, den Quellen und Grundlagen eines bedeutenden Theils unserer heutigen Sprichwörter, absorbirt vorweg die beste Kraft. Dass es aber keineswegs genüge, für diese Zeiten blos auf die deutschen Sprichwörter sich zu beschränken, sondern dass den lateinischen eine völlig gleiche Berücksichtigung zu schenken sei, das liegt wol ausser aller Frage; die letztern sind älter und haben häufig einen formalen und materiellen Einfluss auf die erstern ausgeübt. Hierzu kommt der fast absolute Mangel aller bezüglichen Vorarbeiten. Denn was <hi rendition="#i">Nopitsch</hi> und <hi rendition="#i">Zacher,</hi> die zwei einzigen Parömiographen für das deutsche Sprichwort, in dieser Beziehung aufzeichneten, darf jetzt wol ungenügend und mangelhaft genannt werden, selbst wenn man von dem völligen Mangel aller Bezüge in Haupt- und Nebenwerken absieht, die jenseit des 15. Jahrhunderts liegen. 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Endlich kommt noch hinzu die Zerstreutheit und die schwierige und kostspielige (weil möglichst autoptisch zu benutzende) Beschaffung der Quellenschriften, die weite Entfernung aller grössern Bibliotheken und eine auf das knappste zugemessene Zeit, die, wie leider seit so manchen Jahren, nur Lucubrationsstunden sind.</p><lb/><p>„Inzwischen aber haben sich im Laufe der Zeit meine Collectaneen auf so bedenkliche Weise angehäuft, dass ich, sollen mir dieselben nicht über den Kopf und das Grab wachsen und ungeachtet dessen, dass meine Desideratenlisten noch keineswegs erschöpft sind, auf das ernstlichste daran denke, an deren Ordnung und beziehentlich Ausarbeitung Hand zu legen. Und damit soll denn nun der Anfang gemacht werden, sodass im Laufe des nächsten Jahres, so Gott und ein Verleger will, der erste Band im Druck erscheinen kann. Dieser wird zunächst die proverbiale Literatur des 10. bis einschliesslich des 15. Jahrhunderts in sich fassen und an ihn werden dann in weitern Bänden, für diese in einer grössern Zahl Aehnliches und Verwandtes zusammenfassende Gruppen zerlegt, die Erscheinungen der folgenden Jahrhunderte sich anschliessen. Ein letzter wird gegen 500 grössere Originalsprach- und Stilproben bringen, als Belege zu allen Jahrhunderten.</p><lb/><p>„Nach welchen Grundsätzen aber der Auf- und Ausbau der ganzen Arbeit geschehen und dass in deren Bereich nicht blos die Sprichwörtersammlungen im engern Sinne, sondern, was ganz unerlasslich, auch das gesammte übrige Schriftenthum jedes Fachs, insoweit dieses irgendeinen Beitrag von Belang liefert, zu ziehen sei, darüber habe ich mich schon vor Jahren des Nähern ausgesprochen, Ich beziehe mich unter anderm auf die Jahrgänge 1868-1869 des <hi rendition="#i">Anzeigers für die Kunde der deutschen Vorzeit, Herrig's Archiv, XL,</hi> 47 fg., und <hi rendition="#i">Serapeum,</hi> 1866, Nr. 12 und 22.</p><lb/><p>„Ich will nur noch die (nach Obigem) vielleicht überflüssige Bemerkung hinzufügen, dass nach einem seitdem natur- und sachgemäss erweiterten Plane diese Quellenkunde des deutschen Sprichworts nicht erst in den Incunabeln des Drucks, sondern in den ältesten Jahrhunderten ihre Anfänge zu suchen hat.</p><lb/><p>„Möchte seinerzeit meine Arbeit, die Frucht eines dreissigjährigen mühereichen und arbeitsvollen Forschens und Sammelns, bei allen Freunden der Literatur und namentlich der ältern, ganz besonders aber bei denen unsers Sprichworts eine willkommene Aufnahme finden!“</p><lb/></note></p><lb/> <p> </p> </div> </front> </text> </TEI> [VI/0004]
Diese Bemerkung soll durchaus keinen polemischen Charakter haben; sie soll blos die Kritik, welche gerade gegen diesen Punkt Sturm läuft, beruhigen.
Als ich mich in den vierziger Jahren, nachdem die erste Reinschrift eine Arbeit in Stärke von 700 Bogen hergestellt hatte, vergeblich bemühte, eine Verlagshandlung für den Druck zu finden, „weil das Buch zu stark werde“, bedauerte ich dies gar sehr, liess mich indess von der Fortsetzung der Arbeit auch dann nicht abhalten, als der Durchschuss das frühere Manuscript auf 1400 Bogen gebracht hatte. Erst nach einer Reihe von Jahren, als sich die Handschrift mittels Durchschuss noch einmal verdoppelt hatte, gewann die jetzige Verlagshandlung Vertrauen zu dem Unternehmen; und ich würde es für jetzt nicht nur aufs äusserste bedauern, wenn das erste Manuscript gedruckt worden wäre; ich würde es ebenso stark beklagen, wenn das jetzige Manuscript so zum Abdruck gelangt wäre, wie es beim Abschluss vorlag, Ich habe schon in der Vorrede zum ersten Bande hervorgehoben, in welchem Grade erst in neuerer Zeit der mundartlichen und sprichwörtlichen Literatur, infolge des Erwachens eines neuen nationalen Geistes, Beachtung geworden ist.
Nicht nur das Quellenverzeichniss des ersten Bandes, auch das des zweiten liefert den Beweis von einer Anzahl neu erschienener, dies Gebiet berührender Schriften.
Ein Blick in die 1822 erschienene Literatur der Sprichwörter von Nopitsch, wie in die spätern ergänzenden Arbeiten dieser Art von Duplessis und Zacher wird die Ueberzeugung gewähren, wie dürftig die Bearbeitung dieses Literaturzweigs in früherer Zeit gewesen ist.
Allein das, was seit Beginn des Drucks aus dem Volksmunde aller Gauen Deutschlands wie aus der Literatur in allen ihren Zweigen an Sprichwörtern gesammelt und in unser Deutsches Sprichwörter-Lexikon übergegangen ist, übersteigt ohne Uebertreibung alles, was in den von Nopitsch aufgeführten deutschen Arbeiten enthalten ist.
Es wird erlaubt sein, von dem zu sprechen, was in dieser Hinsicht das Deutsche Sprichwörter-Lexikon geleistet hat. Vollständig einsehen wird man es erst, wenn die Quellenkunde des Deutschen Sprichworts, an der mein Freund J. Franck in Annweiler seit dreissig Jahren arbeitet, erschienen ist, ein Werk deutscher Gründlichkeit und Ausdauer, wie demselben schwerlich ein anderes Volk ein ähnlicheswird zur Seite stellen können. 1
1 Vor einiger Zeit fragte ich Herrn Franck, wie weit seine Arbeit vorgeschritten sei und wann er die Herausgabe zu beginnen gedenke. Es wird den Freunden der Sprichwörterliteratur gewiss erwünscht sein, darüber einige Nachricht zu erhalten. Herr Franck schrieb mir vor kurzem:
„Sie fragen mich schliesslich nach dem Fortschritt meiner langjährigen Arbeit: Bibliographie des deutschen Sprichworts. Obgleich ich von vornherein die Schwierigkeiten keineswegs unterschätzte, die mit der Veranschaulichung einer über alle Jahrhunderte sich erstreckenden und, soweit dies eines Einzigen Kraft vermag, auch vollständigen systematisch geordneten Quellenkunde unserer deutschen Sprichwörter verbunden sind; so war ich doch weit entfernt, zu ahnen, bis zu welchem Grade diese Schwierigkeiten bei der Ausführung selbst sich steigern würden und die nur der in ihrem vollen Umfange zu würdigen versteht, der je einmal mit ähnlichen Arbeiten sich beschäftigt hat. Diese häufen sich aber ganz besonders für die ältesten Zeiten und bis zum Ausgang des Mittelalters. Die Durchforschung so vieler in diese frühern Perioden fallender Schriftwerke, den Quellen und Grundlagen eines bedeutenden Theils unserer heutigen Sprichwörter, absorbirt vorweg die beste Kraft. Dass es aber keineswegs genüge, für diese Zeiten blos auf die deutschen Sprichwörter sich zu beschränken, sondern dass den lateinischen eine völlig gleiche Berücksichtigung zu schenken sei, das liegt wol ausser aller Frage; die letztern sind älter und haben häufig einen formalen und materiellen Einfluss auf die erstern ausgeübt. Hierzu kommt der fast absolute Mangel aller bezüglichen Vorarbeiten. Denn was Nopitsch und Zacher, die zwei einzigen Parömiographen für das deutsche Sprichwort, in dieser Beziehung aufzeichneten, darf jetzt wol ungenügend und mangelhaft genannt werden, selbst wenn man von dem völligen Mangel aller Bezüge in Haupt- und Nebenwerken absieht, die jenseit des 15. Jahrhunderts liegen. Und es hat denn auch in beiden Schriften unsere so reiche gnomologische Literatur des Mittelalters ebenso wenig Beachtung gefunden als die werthvollen und noch grösstentheils intacten Schätze der secundären Quellen des 16. Jahrhunderts, der goldenen Zeit des Sprichworts, oder die der folgenden Zeiten bis herab zu ihrer eigenen. Endlich kommt noch hinzu die Zerstreutheit und die schwierige und kostspielige (weil möglichst autoptisch zu benutzende) Beschaffung der Quellenschriften, die weite Entfernung aller grössern Bibliotheken und eine auf das knappste zugemessene Zeit, die, wie leider seit so manchen Jahren, nur Lucubrationsstunden sind.
„Inzwischen aber haben sich im Laufe der Zeit meine Collectaneen auf so bedenkliche Weise angehäuft, dass ich, sollen mir dieselben nicht über den Kopf und das Grab wachsen und ungeachtet dessen, dass meine Desideratenlisten noch keineswegs erschöpft sind, auf das ernstlichste daran denke, an deren Ordnung und beziehentlich Ausarbeitung Hand zu legen. Und damit soll denn nun der Anfang gemacht werden, sodass im Laufe des nächsten Jahres, so Gott und ein Verleger will, der erste Band im Druck erscheinen kann. Dieser wird zunächst die proverbiale Literatur des 10. bis einschliesslich des 15. Jahrhunderts in sich fassen und an ihn werden dann in weitern Bänden, für diese in einer grössern Zahl Aehnliches und Verwandtes zusammenfassende Gruppen zerlegt, die Erscheinungen der folgenden Jahrhunderte sich anschliessen. Ein letzter wird gegen 500 grössere Originalsprach- und Stilproben bringen, als Belege zu allen Jahrhunderten.
„Nach welchen Grundsätzen aber der Auf- und Ausbau der ganzen Arbeit geschehen und dass in deren Bereich nicht blos die Sprichwörtersammlungen im engern Sinne, sondern, was ganz unerlasslich, auch das gesammte übrige Schriftenthum jedes Fachs, insoweit dieses irgendeinen Beitrag von Belang liefert, zu ziehen sei, darüber habe ich mich schon vor Jahren des Nähern ausgesprochen, Ich beziehe mich unter anderm auf die Jahrgänge 1868-1869 des Anzeigers für die Kunde der deutschen Vorzeit, Herrig's Archiv, XL, 47 fg., und Serapeum, 1866, Nr. 12 und 22.
„Ich will nur noch die (nach Obigem) vielleicht überflüssige Bemerkung hinzufügen, dass nach einem seitdem natur- und sachgemäss erweiterten Plane diese Quellenkunde des deutschen Sprichworts nicht erst in den Incunabeln des Drucks, sondern in den ältesten Jahrhunderten ihre Anfänge zu suchen hat.
„Möchte seinerzeit meine Arbeit, die Frucht eines dreissigjährigen mühereichen und arbeitsvollen Forschens und Sammelns, bei allen Freunden der Literatur und namentlich der ältern, ganz besonders aber bei denen unsers Sprichworts eine willkommene Aufnahme finden!“
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