Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.[Spaltenumbruch] die verdient in das Narrenbuch, wie einige witzige Leute zu Stockach vielleicht eins angelegt hatten, eingeschrieben zu werden. An andern Orten hatte man Schelmen- und Todtenbücher oder gar Narrenzünfte, wie zu Rottweil, in welcher über zweihundert Personen eingeschrieben waren. Narrenfest. * Es ist ein wahres Narrenfest. Ein Fest, wie es heitere Gesellschaften, meist mit dem Zweck, die Thorheiten der Zeit zu verspotten, zu begehen pflegen. Festen dieser Art blieben früher die Kirchen sogar nicht verschlossen. Ein von Priestern und Weltgeistlichen unter lächerlichen Gebräuchen gewählter Narrenbischof wurde mit grossem Pomp in die Kirche geführt. Die Theilnehmer hatten das Gesicht bemalt oder maskirt und waren als Frauenzimmer, Thiere und Possenreisser verkleidet. In den Kirchen, die unmittelbar unter dem Papste standen, wählte man einen Narrenpapst, dem man den päpstlichen Schmuck unter ebenso lächerlichen Gebräuchen anlegte. Der Narrenbischof hielt alsdann einen feierlichen Gottesdienst und sprach parodirend den Segen. Die vermummten Geistlichen begaben sich tanzend und springend nach dem Chor und sangen Zotenlieder. Die Diakone und Subdiakone assen auf dem Altar vor den Augen des messelesenden Priesters Würste, spielten Karte und Würfel, thaten ins Rauchfass statt des Weihrauchs alte Schuhsohlen u. s. w. Nach der Messe lief, sprang, tanzte jedermann nach Belieben in der Kirche herum und erlaubte sich die cynischsten Ausschweifungen. Manche thaten dies sogar vollständig entkleidet. Die Ausschweifungen setzten sich dann in der Stadt fort, durch die man sich auf einem mit Unrath beladenen Wagen fahren liess. Viele weltliche Personen nahmen an dem Feste theil, um unter der Kleidung der Priester, Mönche und Nonnen den Narren zu spielen. Das Narrenfest wurde nicht allein in den Kirchen der Weltgeistlichen, sondern auch in den Mönchs- und Nonnenklöstern gefeiert. Es kamen hier und da die Priester nicht ins Chor, sondern die Laienbrüder nahmen ihre Sitze ein; sie zogen zerrissene priesterliche Kleider, und zwar umgewandt an, und hielten auch die Bücher, in denen sie scheinbar lasen, verkehrt, hatten Brillengestelle auf den Nasen, in denen sie statt der Gläser Pomeranzenschalen befanden, bliesen die Asche aus den Rauchfässern einander ins Gesicht oder streuten sie sich auf die Köpfe, sangen nicht Psalmen, sondern murmelten unverständliche Worte und blökten wie das Vieh. (Vgl. darüber Flögel, Geschichte des Grotesk Komischen, und den Artikel Ostermännchen und Ostergelächter in der Europa, Leipzig 1871, Nr. 15, S. 457.) Narrenfieber. Das Narrenfieber ist schwer zu heilen. It.: Chi e ammalato di pazzia tarda molto a guarire. (Pazzaglia, 270, 4.) Narrenfleisch. Jeder hat etwas Narrenfleisch gekostet. Narrenfresser. Der Narrenfresser kompt, hüte dich! - Agricola II, 129; Sailer, 122. Wird gebraucht, um fremde Narrheit zu rügen. - Bei Lehmann heisst es: "Der Narrenfresser ist gar feist und der Männerfresser, die im Haus regieren, gar dürr; jener hat zur Morgensuppe, zu Abend und Vesper vollauf, dieser gar nichts, oder dürre Zehen alter Männer zu fressen." - "Einer fragt, warumb es jetzt nicht so viel Narren gebe, als vor Zeiten. Antwort: weil jetzunder so viel Narrenfresser wären." (Zinkgref, III, 228.) Narrenfreude. Narrenfrewd mehret Hertzeleid. - Petri, II, 489. Narrenfreundschaft. Narrenfreundschaft ist süss, sie macht beim Trennen kein Kümmerniss. Narrenfuss. Narrenfuss hat harte Buss. Böhm.: Zle noham pod blaznovskou hlavou. (Celakovsky, 213.) Narrengätterle. * Er muss (möchte, sollte) am Narrengätterle stehen. So hiess ein kleines Gegitter auf dem Markte zu Breslau, in das man, wie die Beschreibungen Breslaus sagen, ehedem Leute, welche andere betrogen .... zum Auslachen hineingestellt. (Bresl. Erzähler, 1800, S. 334.) Narrengebet. Narrengebet wird nicht erhört. Narrengesicht. * Man muss zuweilen das Narrengesicht aufstecken. Zuweilen ist es gut, sich einfältig zu stellen, oder als Narr zu erscheinen. In Warschau jüdisch-deutsch: Män müss a muhl das Narresch- Peniml (Diminutiv von Punim = Gesicht) unthün. Narrengewand. Narrengewand - Narrengeist. "Inneres dummes Flickwerk kann sich äusserlich nur in bunten Lappen gefallen. Philister von aussen, Philister von innen." (Welt und Zeit, I, 22, 1.) Narrenglück. Narrenglück steht krumm und schlägt gar leichtlich um. Dän.: Narre-lykken slaaer ofte feyl. (Prov. dan., 425.) Schwed.: Narrelyckan slär ofta feelt. (Grubb, 566.) Narrenhall. Narrenhall ist Maskenball. Narrenhand. 1 Narren Hände beschmeissen alle Wände. - Lehmann, II, 423, 17. Holl.: Zotten handen bes chrijven alle wänden. (Harrebomee, II, 511b.) 2 Narrenhand und Pfaffensack sind schwer zu füllen. Die Russen: Narrenhände können nie gefüllt werden. (Altmann VI, 452.) 3 Narrenhände besudeln Tisch und Wände. - Simrock, 7397; Gaal, 1202; Körte, 4479; Braun, I, 2955; Lohrengel, I, 533. "Narrenhände beschmieren Tisch und Wände, doch manches Mal auch ein Journal." (Gubitz, Gesellschafter, Jan. 1831.) Engl.: A white wall is a fool's writing paper. (Gaal, 1202.) - He is fool, and ever shall, that writes his name upon a wall. (Masson, 259.) Frz.: Il n'y a que les fous qui evrivent leurs noms partout. - Les murailles blanches sont le papier des fous. (Bohn I, 39; Gaal, 1202; Lendroy, 1143.) - Les parois et les murailles sont le papier de la canaille. (Marin, 16.) Holl.: Gekken en kwasten schrijven hun namen op tafels en kasten. (Harrebomee, II, 113b.) It.: Le muraglie sono la carta de' pazzi. - Muro bianco carta de' matti. (Gaal, 1202.) Lat.: Nomina stultorum leguntur ubique locorum. (Egeria, 169; Gaal, 1202.) - Parietes, papyrus stultorum. (Bovill, I, 143.) Schwed.: Hwita wäggar äro darars papper. (Marin, 16.) Ung.: A bolond, hogy hiret terjessze, a' nevet mindenattfeljegyzi. (Gaal, 1202.) Narrenhandwerk. Das Narrenhandwerk ist gemein in der Welt. - Petri, II, 68. Narrenhaus. 1 Der ist reif fürs Narrenhaus, der voll geht in eine Stadt und hungrig heraus. 2 Geh gescheit ins Narrenhaus, kommst doch meist verrückt heraus. "Gehst du gescheit ins Narrenhaus, kommst meistens du verrückt heraus; gehst aber du als Narr hinein, wirst du beim Ausgang klüger sein." (Schücking, Welt und Zeit, 26, 103.) 3 In einem Narrenhause predigt jeder zu seinem Schmause. Wo jeder spricht, aber niemand hört. *4 Der kommt im Narrenhaus nach Prima. Holl.: Hij is te gek, om allein te loopen. - Hij is te gek, om in het dolhuis te zitten. (Harrebomee, I, 214b.) Narrenhäuslein. * Der ist im Narrenhäuslein. - Fischart. Hat zu tief ins Glas gesehen. Narrenhaut. 1 Narrenhaut hält wol Stich, lässt sich aber nicht flicken. - Simrock, 7361. 2 Narrenhaut helt kein Stich vnd lest sich nicht flicken. - Lehmann, II, 456, 40; Petri, II, 489; Sailer, 169; Simrock, 7360-61; Körte, 4480. Wo Lehre und Ermahnung vergeblich ist. "Narrnhaut helt kein Stich nicht, sie ist vngeflickt." (Mathesy, I, 138a.) 3 Narrenhaut lässt sich nicht flicken. - Braun, I, 2956. Narrenhetze. Für Narrenhetze gibt's keine Gesetze. Narrenholz. * Am Narrenholz tragen. Narrenjacke. * Die Narrenjacke1 anziehen. 1) Eine geschmacklose, lächerliche, meist aus bunten Lappen zusammengesetzte Kleidung. (Campe, Wb., III, 454a.) - Wie ein Narr sich betragen, sich lächerlich machen. Narrenkappe. 1 An der Narrenkappe muss jeder sein Theil haben. Die Narrenkappe ist eine an den Zipfeln mit Schellen versehene Kappe, dergleichen ehemals die Hofnarren trugen. "Tragt die Kappe willig, habt nur Muth, ein Narr zu sein; klug zu sein, ist billig." (R. Prutz.) 2 Eine Narrenkappen ist bald zu ertappen. - Parömiakon, 8.
[Spaltenumbruch] die verdient in das Narrenbuch, wie einige witzige Leute zu Stockach vielleicht eins angelegt hatten, eingeschrieben zu werden. An andern Orten hatte man Schelmen- und Todtenbücher oder gar Narrenzünfte, wie zu Rottweil, in welcher über zweihundert Personen eingeschrieben waren. Narrenfest. * Es ist ein wahres Narrenfest. Ein Fest, wie es heitere Gesellschaften, meist mit dem Zweck, die Thorheiten der Zeit zu verspotten, zu begehen pflegen. Festen dieser Art blieben früher die Kirchen sogar nicht verschlossen. Ein von Priestern und Weltgeistlichen unter lächerlichen Gebräuchen gewählter Narrenbischof wurde mit grossem Pomp in die Kirche geführt. Die Theilnehmer hatten das Gesicht bemalt oder maskirt und waren als Frauenzimmer, Thiere und Possenreisser verkleidet. In den Kirchen, die unmittelbar unter dem Papste standen, wählte man einen Narrenpapst, dem man den päpstlichen Schmuck unter ebenso lächerlichen Gebräuchen anlegte. Der Narrenbischof hielt alsdann einen feierlichen Gottesdienst und sprach parodirend den Segen. Die vermummten Geistlichen begaben sich tanzend und springend nach dem Chor und sangen Zotenlieder. Die Diakone und Subdiakone assen auf dem Altar vor den Augen des messelesenden Priesters Würste, spielten Karte und Würfel, thaten ins Rauchfass statt des Weihrauchs alte Schuhsohlen u. s. w. Nach der Messe lief, sprang, tanzte jedermann nach Belieben in der Kirche herum und erlaubte sich die cynischsten Ausschweifungen. Manche thaten dies sogar vollständig entkleidet. Die Ausschweifungen setzten sich dann in der Stadt fort, durch die man sich auf einem mit Unrath beladenen Wagen fahren liess. Viele weltliche Personen nahmen an dem Feste theil, um unter der Kleidung der Priester, Mönche und Nonnen den Narren zu spielen. Das Narrenfest wurde nicht allein in den Kirchen der Weltgeistlichen, sondern auch in den Mönchs- und Nonnenklöstern gefeiert. Es kamen hier und da die Priester nicht ins Chor, sondern die Laienbrüder nahmen ihre Sitze ein; sie zogen zerrissene priesterliche Kleider, und zwar umgewandt an, und hielten auch die Bücher, in denen sie scheinbar lasen, verkehrt, hatten Brillengestelle auf den Nasen, in denen sie statt der Gläser Pomeranzenschalen befanden, bliesen die Asche aus den Rauchfässern einander ins Gesicht oder streuten sie sich auf die Köpfe, sangen nicht Psalmen, sondern murmelten unverständliche Worte und blökten wie das Vieh. (Vgl. darüber Flögel, Geschichte des Grotesk Komischen, und den Artikel Ostermännchen und Ostergelächter in der Europa, Leipzig 1871, Nr. 15, S. 457.) Narrenfieber. Das Narrenfieber ist schwer zu heilen. It.: Chi è ammalato di pazzia tarda molto a guarire. (Pazzaglia, 270, 4.) Narrenfleisch. Jeder hat etwas Narrenfleisch gekostet. Narrenfresser. Der Narrenfresser kompt, hüte dich! – Agricola II, 129; Sailer, 122. Wird gebraucht, um fremde Narrheit zu rügen. – Bei Lehmann heisst es: „Der Narrenfresser ist gar feist und der Männerfresser, die im Haus regieren, gar dürr; jener hat zur Morgensuppe, zu Abend und Vesper vollauf, dieser gar nichts, oder dürre Zehen alter Männer zu fressen.“ – „Einer fragt, warumb es jetzt nicht so viel Narren gebe, als vor Zeiten. Antwort: weil jetzunder so viel Narrenfresser wären.“ (Zinkgref, III, 228.) Narrenfreude. Narrenfrewd mehret Hertzeleid. – Petri, II, 489. Narrenfreundschaft. Narrenfreundschaft ist süss, sie macht beim Trennen kein Kümmerniss. Narrenfuss. Narrenfuss hat harte Buss. Böhm.: Zle nohám pod bláznovskou hlavou. (Čelakovský, 213.) Narrengätterle. * Er muss (möchte, sollte) am Narrengätterle stehen. So hiess ein kleines Gegitter auf dem Markte zu Breslau, in das man, wie die Beschreibungen Breslaus sagen, ehedem Leute, welche andere betrogen .... zum Auslachen hineingestellt. (Bresl. Erzähler, 1800, S. 334.) Narrengebet. Narrengebet wird nicht erhört. Narrengesicht. * Man muss zuweilen das Narrengesicht aufstecken. Zuweilen ist es gut, sich einfältig zu stellen, oder als Narr zu erscheinen. In Warschau jüdisch-deutsch: Män müss a muhl das Narresch- Peniml (Diminutiv von Punim = Gesicht) unthün. Narrengewand. Narrengewand – Narrengeist. „Inneres dummes Flickwerk kann sich äusserlich nur in bunten Lappen gefallen. Philister von aussen, Philister von innen.“ (Welt und Zeit, I, 22, 1.) Narrenglück. Narrenglück steht krumm und schlägt gar leichtlich um. Dän.: Narre-lykken slaaer ofte feyl. (Prov. dan., 425.) Schwed.: Narrelyckan slär ofta feelt. (Grubb, 566.) Narrenhall. Narrenhall ist Maskenball. Narrenhand. 1 Narren Hände beschmeissen alle Wände. – Lehmann, II, 423, 17. Holl.: Zotten handen bes chrijven alle wänden. (Harrebomée, II, 511b.) 2 Narrenhand und Pfaffensack sind schwer zu füllen. Die Russen: Narrenhände können nie gefüllt werden. (Altmann VI, 452.) 3 Narrenhände besudeln Tisch und Wände. – Simrock, 7397; Gaal, 1202; Körte, 4479; Braun, I, 2955; Lohrengel, I, 533. „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände, doch manches Mal auch ein Journal.“ (Gubitz, Gesellschafter, Jan. 1831.) Engl.: A white wall is a fool's writing paper. (Gaal, 1202.) – He is fool, and ever shall, that writes his name upon a wall. (Masson, 259.) Frz.: Il n'y a que les fous qui évrivent leurs noms partout. – Les murailles blanches sont le papier des fous. (Bohn I, 39; Gaal, 1202; Lendroy, 1143.) – Les parois et les murailles sont le papier de la canaille. (Marin, 16.) Holl.: Gekken en kwasten schrijven hun namen op tafels en kasten. (Harrebomée, II, 113b.) It.: Le muraglie sono la carta de' pazzi. – Muro bianco carta de' matti. (Gaal, 1202.) Lat.: Nomina stultorum leguntur ubique locorum. (Egeria, 169; Gaal, 1202.) – Parietes, papyrus stultorum. (Bovill, I, 143.) Schwed.: Hwita wäggar äro dårars papper. (Marin, 16.) Ung.: A bolond, hogy hirét terjessze, a' nevét mindenattfeljegyzi. (Gaal, 1202.) Narrenhandwerk. Das Narrenhandwerk ist gemein in der Welt. – Petri, II, 68. Narrenhaus. 1 Der ist reif fürs Narrenhaus, der voll geht in eine Stadt und hungrig heraus. 2 Geh gescheit ins Narrenhaus, kommst doch meist verrückt heraus. „Gehst du gescheit ins Narrenhaus, kommst meistens du verrückt heraus; gehst aber du als Narr hinein, wirst du beim Ausgang klüger sein.“ (Schücking, Welt und Zeit, 26, 103.) 3 In einem Narrenhause predigt jeder zu seinem Schmause. Wo jeder spricht, aber niemand hört. *4 Der kommt im Narrenhaus nach Prima. Holl.: Hij is te gek, om allein te loopen. – Hij is te gek, om in het dolhuis te zitten. (Harrebomée, I, 214b.) Narrenhäuslein. * Der ist im Narrenhäuslein. – Fischart. Hat zu tief ins Glas gesehen. Narrenhaut. 1 Narrenhaut hält wol Stich, lässt sich aber nicht flicken. – Simrock, 7361. 2 Narrenhaut helt kein Stich vnd lest sich nicht flicken. – Lehmann, II, 456, 40; Petri, II, 489; Sailer, 169; Simrock, 7360-61; Körte, 4480. Wo Lehre und Ermahnung vergeblich ist. „Narrnhaut helt kein Stich nicht, sie ist vngeflickt.“ (Mathesy, I, 138a.) 3 Narrenhaut lässt sich nicht flicken. – Braun, I, 2956. Narrenhetze. Für Narrenhetze gibt's keine Gesetze. Narrenholz. * Am Narrenholz tragen. Narrenjacke. * Die Narrenjacke1 anziehen. 1) Eine geschmacklose, lächerliche, meist aus bunten Lappen zusammengesetzte Kleidung. (Campe, Wb., III, 454a.) – Wie ein Narr sich betragen, sich lächerlich machen. Narrenkappe. 1 An der Narrenkappe muss jeder sein Theil haben. Die Narrenkappe ist eine an den Zipfeln mit Schellen versehene Kappe, dergleichen ehemals die Hofnarren trugen. „Tragt die Kappe willig, habt nur Muth, ein Narr zu sein; klug zu sein, ist billig.“ (R. Prutz.) 2 Eine Narrenkappen ist bald zu ertappen. – Parömiakon, 8.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p rendition="#et"><pb facs="#f0483" n="[469]"/><cb n="937"/> die verdient in das Narrenbuch, wie einige witzige Leute zu Stockach vielleicht eins angelegt hatten, eingeschrieben zu werden. An andern Orten hatte man Schelmen- und Todtenbücher oder gar Narrenzünfte, wie zu Rottweil, in welcher über zweihundert Personen eingeschrieben waren.</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenfest.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">* Es ist ein wahres Narrenfest.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">Ein Fest, wie es heitere Gesellschaften, meist mit dem Zweck, die Thorheiten der Zeit zu verspotten, zu begehen pflegen. Festen dieser Art blieben früher die Kirchen sogar nicht verschlossen. Ein von Priestern und Weltgeistlichen unter lächerlichen Gebräuchen gewählter Narrenbischof wurde mit grossem Pomp in die Kirche geführt. Die Theilnehmer hatten das Gesicht bemalt oder maskirt und waren als Frauenzimmer, Thiere und Possenreisser verkleidet. In den Kirchen, die unmittelbar unter dem Papste standen, wählte man einen Narrenpapst, dem man den päpstlichen Schmuck unter ebenso lächerlichen Gebräuchen anlegte. Der Narrenbischof hielt alsdann einen feierlichen Gottesdienst und sprach parodirend den Segen. Die vermummten Geistlichen begaben sich tanzend und springend nach dem Chor und sangen Zotenlieder. Die Diakone und Subdiakone assen auf dem Altar vor den Augen des messelesenden Priesters Würste, spielten Karte und Würfel, thaten ins Rauchfass statt des Weihrauchs alte Schuhsohlen u. s. w. Nach der Messe lief, sprang, tanzte jedermann nach Belieben in der Kirche herum und erlaubte sich die cynischsten Ausschweifungen. Manche thaten dies sogar vollständig entkleidet. Die Ausschweifungen setzten sich dann in der Stadt fort, durch die man sich auf einem mit Unrath beladenen Wagen fahren liess. Viele weltliche Personen nahmen an dem Feste theil, um unter der Kleidung der Priester, Mönche und Nonnen den Narren zu spielen. Das Narrenfest wurde nicht allein in den Kirchen der Weltgeistlichen, sondern auch in den Mönchs- und Nonnenklöstern gefeiert. Es kamen hier und da die Priester nicht ins Chor, sondern die Laienbrüder nahmen ihre Sitze ein; sie zogen zerrissene priesterliche Kleider, und zwar umgewandt an, und hielten auch die Bücher, in denen sie scheinbar lasen, verkehrt, hatten Brillengestelle auf den Nasen, in denen sie statt der Gläser Pomeranzenschalen befanden, bliesen die Asche aus den Rauchfässern einander ins Gesicht oder streuten sie sich auf die Köpfe, sangen nicht Psalmen, sondern murmelten unverständliche Worte und blökten wie das Vieh. (Vgl. darüber <hi rendition="#i">Flögel, Geschichte des Grotesk Komischen</hi>, und den Artikel <hi rendition="#i">Ostermännchen und Ostergelächter in der Europa, Leipzig 1871, Nr. 15, S. 457.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenfieber.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Das Narrenfieber ist schwer zu heilen.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">It.</hi>: Chi è ammalato di pazzia tarda molto a guarire. (<hi rendition="#i">Pazzaglia, 270, 4.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenfleisch.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Jeder hat etwas Narrenfleisch gekostet.</hi> </p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenfresser.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Der Narrenfresser kompt, hüte dich!</hi> – <hi rendition="#i">Agricola II, 129; Sailer, 122.</hi></p><lb/> <p rendition="#et">Wird gebraucht, um fremde Narrheit zu rügen. – Bei <hi rendition="#i">Lehmann</hi> heisst es: „Der Narrenfresser ist gar feist und der Männerfresser, die im Haus regieren, gar dürr; jener hat zur Morgensuppe, zu Abend und Vesper vollauf, dieser gar nichts, oder dürre Zehen alter Männer zu fressen.“ – „Einer fragt, warumb es jetzt nicht so viel Narren gebe, als vor Zeiten. Antwort: weil jetzunder so viel Narrenfresser wären.“ (<hi rendition="#i">Zinkgref, III, 228.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenfreude.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Narrenfrewd mehret Hertzeleid.</hi> – <hi rendition="#i">Petri, II, 489.</hi></p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenfreundschaft.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Narrenfreundschaft ist süss, sie macht beim Trennen kein Kümmerniss.</hi> </p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenfuss.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Narrenfuss hat harte Buss.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Böhm.</hi>: Zle nohám pod bláznovskou hlavou. (<hi rendition="#i">Čelakovský, 213.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrengätterle.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">* Er muss (möchte, sollte) am Narrengätterle stehen.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">So hiess ein kleines Gegitter auf dem Markte zu Breslau, in das man, wie die Beschreibungen Breslaus sagen, ehedem Leute, welche andere betrogen .... zum Auslachen hineingestellt. (<hi rendition="#i">Bresl. Erzähler, 1800, S. 334.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrengebet.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Narrengebet wird nicht erhört.</hi> </p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrengesicht.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">* Man muss zuweilen das Narrengesicht aufstecken.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">Zuweilen ist es gut, sich einfältig zu stellen, oder als Narr zu erscheinen. In Warschau jüdisch-deutsch: Män müss a muhl das Narresch- Peniml (Diminutiv von Punim = Gesicht) unthün.</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrengewand.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Narrengewand – Narrengeist.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">„Inneres dummes Flickwerk kann sich äusserlich nur in bunten Lappen gefallen. Philister von aussen, Philister von innen.“ (<hi rendition="#i">Welt und Zeit, I, 22, 1.</hi>)</p><lb/> </div> <cb n="938"/> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenglück.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Narrenglück steht krumm und schlägt gar leichtlich um.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Dän.</hi>: Narre-lykken slaaer ofte feyl. (<hi rendition="#i">Prov. dan., 425.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Schwed.</hi>: Narrelyckan slär ofta feelt. (<hi rendition="#i">Grubb, 566.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenhall.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Narrenhall ist Maskenball.</hi> </p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenhand.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">1 Narren Hände beschmeissen alle Wände.</hi> – <hi rendition="#i">Lehmann, II, 423, 17.</hi></p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: Zotten handen bes chrijven alle wänden. (<hi rendition="#i">Harrebomée, II, 511<hi rendition="#sup">b</hi>.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">2 Narrenhand und Pfaffensack sind schwer zu füllen.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">Die Russen: Narrenhände können nie gefüllt werden. (<hi rendition="#i">Altmann VI, 452.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Narrenhände besudeln Tisch und Wände.</hi> – <hi rendition="#i">Simrock, 7397; Gaal, 1202; Körte, 4479; Braun, I, 2955; Lohrengel, I, 533.</hi></p><lb/> <p rendition="#et">„Narrenhände beschmieren Tisch und Wände, doch manches Mal auch ein Journal.“ (<hi rendition="#i">Gubitz, Gesellschafter, Jan. 1831.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Engl.</hi>: A white wall is a fool's writing paper. (<hi rendition="#i">Gaal, 1202.</hi>) – He is fool, and ever shall, that writes his name upon a wall. (<hi rendition="#i">Masson, 259.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Frz.</hi>: Il n'y a que les fous qui évrivent leurs noms partout. – Les murailles blanches sont le papier des fous. (<hi rendition="#i">Bohn I, 39; Gaal, 1202; Lendroy, 1143.</hi>) – Les parois et les murailles sont le papier de la canaille. (<hi rendition="#i">Marin, 16.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: Gekken en kwasten schrijven hun namen op tafels en kasten. (<hi rendition="#i">Harrebomée, II, 113<hi rendition="#sup">b</hi>.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">It.</hi>: Le muraglie sono la carta de' pazzi. – Muro bianco carta de' matti. (<hi rendition="#i">Gaal, 1202.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Lat.</hi>: Nomina stultorum leguntur ubique locorum. (<hi rendition="#i">Egeria, 169; Gaal, 1202.</hi>) – Parietes, papyrus stultorum. (<hi rendition="#i">Bovill, I, 143.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Schwed.</hi>: Hwita wäggar äro dårars papper. (<hi rendition="#i">Marin, 16.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Ung.</hi>: A bolond, hogy hirét terjessze, a' nevét mindenattfeljegyzi. (<hi rendition="#i">Gaal, 1202.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenhandwerk.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">Das Narrenhandwerk ist gemein in der Welt.</hi> – <hi rendition="#i">Petri, II, 68.</hi></p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenhaus.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">1 Der ist reif fürs Narrenhaus, der voll geht in eine Stadt und hungrig heraus.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">2 Geh gescheit ins Narrenhaus, kommst doch meist verrückt heraus.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">„Gehst du gescheit ins Narrenhaus, kommst meistens du verrückt heraus; gehst aber du als Narr hinein, wirst du beim Ausgang klüger sein.“ (<hi rendition="#i">Schücking, Welt und Zeit, 26, 103.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">3 In einem Narrenhause predigt jeder zu seinem Schmause.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">Wo jeder spricht, aber niemand hört.</p><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">*4 Der kommt im Narrenhaus nach Prima.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et2"><hi rendition="#i">Holl.</hi>: Hij is te gek, om allein te loopen. – Hij is te gek, om in het dolhuis te zitten. (<hi rendition="#i">Harrebomée, I, 214<hi rendition="#sup">b</hi>.</hi>)</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenhäuslein.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">* Der ist im Narrenhäuslein.</hi> – <hi rendition="#i">Fischart.</hi></p><lb/> <p rendition="#et">Hat zu tief ins Glas gesehen.</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenhaut.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">1 Narrenhaut hält wol Stich, lässt sich aber nicht flicken.</hi> – <hi rendition="#i">Simrock, 7361.</hi></p><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">2 Narrenhaut helt kein Stich vnd lest sich nicht flicken.</hi> – <hi rendition="#i">Lehmann, II, 456, 40; Petri, II, 489; Sailer, 169; Simrock, 7360-61; Körte, 4480.</hi></p><lb/> <p rendition="#et">Wo Lehre und Ermahnung vergeblich ist. „Narrnhaut helt kein Stich nicht, sie ist vngeflickt.“ (<hi rendition="#i">Mathesy, I, 138<hi rendition="#sup">a</hi>.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">3 Narrenhaut lässt sich nicht flicken.</hi> – <hi rendition="#i">Braun, I, 2956.</hi></p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenhetze.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">Für Narrenhetze gibt's keine Gesetze.</hi> </p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenholz.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">* Am Narrenholz tragen.</hi> </p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenjacke.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">* Die Narrenjacke<hi rendition="#sup">1</hi> anziehen.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#sup">1</hi>) Eine geschmacklose, lächerliche, meist aus bunten Lappen zusammengesetzte Kleidung. (<hi rendition="#i">Campe, Wb., III, 454<hi rendition="#sup">a</hi>.</hi>) – Wie ein Narr sich betragen, sich lächerlich machen.</p><lb/> </div> <div type="lexiconEntry" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Narrenkappe.</hi> </head><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger">1 An der Narrenkappe muss jeder sein Theil haben.</hi> </p><lb/> <p rendition="#et">Die Narrenkappe ist eine an den Zipfeln mit Schellen versehene Kappe, dergleichen ehemals die Hofnarren trugen. „Tragt die Kappe willig, habt nur Muth, ein Narr zu sein; klug zu sein, ist billig.“ (<hi rendition="#i">R. Prutz.</hi>)</p><lb/> <p rendition="#et"><hi rendition="#larger">2 Eine Narrenkappen ist bald zu ertappen.</hi> – <hi rendition="#i">Parömiakon, 8.</hi></p><lb/> <p rendition="#et"> <hi rendition="#larger"> </hi> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [[469]/0483]
die verdient in das Narrenbuch, wie einige witzige Leute zu Stockach vielleicht eins angelegt hatten, eingeschrieben zu werden. An andern Orten hatte man Schelmen- und Todtenbücher oder gar Narrenzünfte, wie zu Rottweil, in welcher über zweihundert Personen eingeschrieben waren.
Narrenfest.
* Es ist ein wahres Narrenfest.
Ein Fest, wie es heitere Gesellschaften, meist mit dem Zweck, die Thorheiten der Zeit zu verspotten, zu begehen pflegen. Festen dieser Art blieben früher die Kirchen sogar nicht verschlossen. Ein von Priestern und Weltgeistlichen unter lächerlichen Gebräuchen gewählter Narrenbischof wurde mit grossem Pomp in die Kirche geführt. Die Theilnehmer hatten das Gesicht bemalt oder maskirt und waren als Frauenzimmer, Thiere und Possenreisser verkleidet. In den Kirchen, die unmittelbar unter dem Papste standen, wählte man einen Narrenpapst, dem man den päpstlichen Schmuck unter ebenso lächerlichen Gebräuchen anlegte. Der Narrenbischof hielt alsdann einen feierlichen Gottesdienst und sprach parodirend den Segen. Die vermummten Geistlichen begaben sich tanzend und springend nach dem Chor und sangen Zotenlieder. Die Diakone und Subdiakone assen auf dem Altar vor den Augen des messelesenden Priesters Würste, spielten Karte und Würfel, thaten ins Rauchfass statt des Weihrauchs alte Schuhsohlen u. s. w. Nach der Messe lief, sprang, tanzte jedermann nach Belieben in der Kirche herum und erlaubte sich die cynischsten Ausschweifungen. Manche thaten dies sogar vollständig entkleidet. Die Ausschweifungen setzten sich dann in der Stadt fort, durch die man sich auf einem mit Unrath beladenen Wagen fahren liess. Viele weltliche Personen nahmen an dem Feste theil, um unter der Kleidung der Priester, Mönche und Nonnen den Narren zu spielen. Das Narrenfest wurde nicht allein in den Kirchen der Weltgeistlichen, sondern auch in den Mönchs- und Nonnenklöstern gefeiert. Es kamen hier und da die Priester nicht ins Chor, sondern die Laienbrüder nahmen ihre Sitze ein; sie zogen zerrissene priesterliche Kleider, und zwar umgewandt an, und hielten auch die Bücher, in denen sie scheinbar lasen, verkehrt, hatten Brillengestelle auf den Nasen, in denen sie statt der Gläser Pomeranzenschalen befanden, bliesen die Asche aus den Rauchfässern einander ins Gesicht oder streuten sie sich auf die Köpfe, sangen nicht Psalmen, sondern murmelten unverständliche Worte und blökten wie das Vieh. (Vgl. darüber Flögel, Geschichte des Grotesk Komischen, und den Artikel Ostermännchen und Ostergelächter in der Europa, Leipzig 1871, Nr. 15, S. 457.)
Narrenfieber.
Das Narrenfieber ist schwer zu heilen.
It.: Chi è ammalato di pazzia tarda molto a guarire. (Pazzaglia, 270, 4.)
Narrenfleisch.
Jeder hat etwas Narrenfleisch gekostet.
Narrenfresser.
Der Narrenfresser kompt, hüte dich! – Agricola II, 129; Sailer, 122.
Wird gebraucht, um fremde Narrheit zu rügen. – Bei Lehmann heisst es: „Der Narrenfresser ist gar feist und der Männerfresser, die im Haus regieren, gar dürr; jener hat zur Morgensuppe, zu Abend und Vesper vollauf, dieser gar nichts, oder dürre Zehen alter Männer zu fressen.“ – „Einer fragt, warumb es jetzt nicht so viel Narren gebe, als vor Zeiten. Antwort: weil jetzunder so viel Narrenfresser wären.“ (Zinkgref, III, 228.)
Narrenfreude.
Narrenfrewd mehret Hertzeleid. – Petri, II, 489.
Narrenfreundschaft.
Narrenfreundschaft ist süss, sie macht beim Trennen kein Kümmerniss.
Narrenfuss.
Narrenfuss hat harte Buss.
Böhm.: Zle nohám pod bláznovskou hlavou. (Čelakovský, 213.)
Narrengätterle.
* Er muss (möchte, sollte) am Narrengätterle stehen.
So hiess ein kleines Gegitter auf dem Markte zu Breslau, in das man, wie die Beschreibungen Breslaus sagen, ehedem Leute, welche andere betrogen .... zum Auslachen hineingestellt. (Bresl. Erzähler, 1800, S. 334.)
Narrengebet.
Narrengebet wird nicht erhört.
Narrengesicht.
* Man muss zuweilen das Narrengesicht aufstecken.
Zuweilen ist es gut, sich einfältig zu stellen, oder als Narr zu erscheinen. In Warschau jüdisch-deutsch: Män müss a muhl das Narresch- Peniml (Diminutiv von Punim = Gesicht) unthün.
Narrengewand.
Narrengewand – Narrengeist.
„Inneres dummes Flickwerk kann sich äusserlich nur in bunten Lappen gefallen. Philister von aussen, Philister von innen.“ (Welt und Zeit, I, 22, 1.)
Narrenglück.
Narrenglück steht krumm und schlägt gar leichtlich um.
Dän.: Narre-lykken slaaer ofte feyl. (Prov. dan., 425.)
Schwed.: Narrelyckan slär ofta feelt. (Grubb, 566.)
Narrenhall.
Narrenhall ist Maskenball.
Narrenhand.
1 Narren Hände beschmeissen alle Wände. – Lehmann, II, 423, 17.
Holl.: Zotten handen bes chrijven alle wänden. (Harrebomée, II, 511b.)
2 Narrenhand und Pfaffensack sind schwer zu füllen.
Die Russen: Narrenhände können nie gefüllt werden. (Altmann VI, 452.)
3 Narrenhände besudeln Tisch und Wände. – Simrock, 7397; Gaal, 1202; Körte, 4479; Braun, I, 2955; Lohrengel, I, 533.
„Narrenhände beschmieren Tisch und Wände, doch manches Mal auch ein Journal.“ (Gubitz, Gesellschafter, Jan. 1831.)
Engl.: A white wall is a fool's writing paper. (Gaal, 1202.) – He is fool, and ever shall, that writes his name upon a wall. (Masson, 259.)
Frz.: Il n'y a que les fous qui évrivent leurs noms partout. – Les murailles blanches sont le papier des fous. (Bohn I, 39; Gaal, 1202; Lendroy, 1143.) – Les parois et les murailles sont le papier de la canaille. (Marin, 16.)
Holl.: Gekken en kwasten schrijven hun namen op tafels en kasten. (Harrebomée, II, 113b.)
It.: Le muraglie sono la carta de' pazzi. – Muro bianco carta de' matti. (Gaal, 1202.)
Lat.: Nomina stultorum leguntur ubique locorum. (Egeria, 169; Gaal, 1202.) – Parietes, papyrus stultorum. (Bovill, I, 143.)
Schwed.: Hwita wäggar äro dårars papper. (Marin, 16.)
Ung.: A bolond, hogy hirét terjessze, a' nevét mindenattfeljegyzi. (Gaal, 1202.)
Narrenhandwerk.
Das Narrenhandwerk ist gemein in der Welt. – Petri, II, 68.
Narrenhaus.
1 Der ist reif fürs Narrenhaus, der voll geht in eine Stadt und hungrig heraus.
2 Geh gescheit ins Narrenhaus, kommst doch meist verrückt heraus.
„Gehst du gescheit ins Narrenhaus, kommst meistens du verrückt heraus; gehst aber du als Narr hinein, wirst du beim Ausgang klüger sein.“ (Schücking, Welt und Zeit, 26, 103.)
3 In einem Narrenhause predigt jeder zu seinem Schmause.
Wo jeder spricht, aber niemand hört.
*4 Der kommt im Narrenhaus nach Prima.
Holl.: Hij is te gek, om allein te loopen. – Hij is te gek, om in het dolhuis te zitten. (Harrebomée, I, 214b.)
Narrenhäuslein.
* Der ist im Narrenhäuslein. – Fischart.
Hat zu tief ins Glas gesehen.
Narrenhaut.
1 Narrenhaut hält wol Stich, lässt sich aber nicht flicken. – Simrock, 7361.
2 Narrenhaut helt kein Stich vnd lest sich nicht flicken. – Lehmann, II, 456, 40; Petri, II, 489; Sailer, 169; Simrock, 7360-61; Körte, 4480.
Wo Lehre und Ermahnung vergeblich ist. „Narrnhaut helt kein Stich nicht, sie ist vngeflickt.“ (Mathesy, I, 138a.)
3 Narrenhaut lässt sich nicht flicken. – Braun, I, 2956.
Narrenhetze.
Für Narrenhetze gibt's keine Gesetze.
Narrenholz.
* Am Narrenholz tragen.
Narrenjacke.
* Die Narrenjacke1 anziehen.
1) Eine geschmacklose, lächerliche, meist aus bunten Lappen zusammengesetzte Kleidung. (Campe, Wb., III, 454a.) – Wie ein Narr sich betragen, sich lächerlich machen.
Narrenkappe.
1 An der Narrenkappe muss jeder sein Theil haben.
Die Narrenkappe ist eine an den Zipfeln mit Schellen versehene Kappe, dergleichen ehemals die Hofnarren trugen. „Tragt die Kappe willig, habt nur Muth, ein Narr zu sein; klug zu sein, ist billig.“ (R. Prutz.)
2 Eine Narrenkappen ist bald zu ertappen. – Parömiakon, 8.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … zeno.org – Contumax GmbH & Co. KG: Bereitstellung der Texttranskription.
(2020-09-18T08:39:28Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Andreas Nolda: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2020-09-18T08:39:28Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht übernommen; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; Hervorhebungen I/J in Fraktur: keine Angabe; i/j in Fraktur: keine Angabe; Kolumnentitel: nicht übernommen; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): keine Angabe; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein Verzeichnisse im Vorspann wurden nicht transkribiert. Errata aus den Berichtigungen im Nachspann wurden stillschweigend integriert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |