Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 3. Leipzig, 1873.[Spaltenumbruch] 8 Willst wol Rathsherr werden, sagte der Bauer zu einem Knaben, der bald richtig lesen konnte. *9 Du kannst Rathsherr werden. - Frischbier2, 3066. Wenn ein unfertiger Leser ein Wort durch Errathen herauszubringen sucht. Auch fragweis: Willst du Rathsherr werden? *10 Er würde einen guten Rathsherrn abgeben, er sagt zu allem: ja. - Mayer, II, 86. *11 Es geht ihm wie jenem Rathsherrn, den einen Theil (geniesst er) gesotten, den andern gebraten. *12 Es ist ein Rathsherr wie Judas ein Apostel. Holl.: Het is een raadsman als Judas een apostel. (Harrebomee, II, 207.) *13 Es sind die golnower Rathsherren. Schmidt (Jubelschrift, 12) sagt darüber: "In der Volkssprache wurden früher die Dohlen >golnower Rathsherren< genannt. Da die genannten Vögel, namentlich beim Läuten der Glocke, aus den Thurmlöchern, in welchen sie in einigen pommerschen Städten nisten, mit lautem, nicht angenehmem Geschrei herausfliegen; so soll der Ausdruck wahrscheinlich die unparlamentarische, ungeordnete, aber lärmende Debatte der golnower Rathsherren bezeichnen. An eine frühere der Dohlenfarbe ähnliche Tracht der Rathsherren ist wol weniger zu denken." Rathsmann. * Ratzmann trinken. Eine Art Dreimännerwein (s. d. und Gesellschaftswein). Die Limburger Chronik (Ausgabe von Vogel, Marburg 1828, S. 113) sagt: "Anno 1329 wurden die Weine so sauer, dass sie wurden schmeckend als Safft von Holtzäpffeln. Der Wein hiesse Ratzmann, welch Wort Mechtel, ein Fortsetzer der Chronik also erklärt: Denn wie viel man dessen tranck, so liesse er doch den Mann bey Verstand, gleichwie alle Rathsleut verständig seyn sollen." Rathsthurm. Wer nichts hält vom Rathsthurm (gutem Rathe), kommt in den Schuldthurm. - Sprichwörtergarten, 364. Rathsversammlung. Bei Rathsversammlungen haben auch die Mauern Ohren. - Simrock, 8134. Ratio. * Ratio status in Acht nehmen. "Es scheint, er wisse nicht, dass heutiges Tages auch in den Heurathen ratio status wie in allem, in Acht genommen werde." (Köhler, 15, 12.) Ratio status, ragione del stato, raison d'etat, die Staatssaison, der Staatsnutzen. (S. Laster 62.) Sam. von Butschky (Hoffmann v. F., Spenden, I, 105) sagt: "Die sogenannte neue Statisterei lehret nichts anders als einen jeden Staat nach derjenigen Richtschnur, welche bei den Lateinischen ratio status, auf deutsch der Staatsnutzen heisset, es gehet nun recht oder unrecht zu, bei äusserlichem Wohlstande zu erhalten." Die ratio status ist im 17. Jahrhundert vielfach besprochen worden, z. B. in Grimmelhausen's satirischer Schrift: Der zweiköpfige Ratio status. In Rist's Friedewünschendem Teutschland tritt Meister Ratio status als Wundarzt oder Feldscher auf und verbindet das verwundete Deutschland. In dessen Friedejauchzendem Teutschland aber ist der "verfluchte, leichtfertige Staatsmann, welchen die Lateiner Ratio status nennen, von Mars zu seinem geheimen Rath genommen". (Vgl. Köhler, 217.) Ratschkatl. * Es ist ein Ratschkatl. In Tirol haben sich viele Vornamen in Gemeinnamen (Appellativa) verwandelt. So dienen zur Bezeichnung der Dummheit und Ungeschicklichkeit Jagg, Jaggl (Jakob), Thummai (Thomas), Lippl (Philipp), Hiesl (Mathias), Valtl (Valentin), Stoffel (s. d.) für dumm und unbeholfen zugleich und Veitl (Veit) für einfältig und zaghaft. So ist aus Kattl oder Katl (Katharina) Ratschkatl für Plaudertasche, aus Durl (Dorothea) mit Anspielung auf daudlen = trinken, eine trunksüchtige Person geworden, während eine naschhafte Eaverle (Eva) mit der Beifügung "blaugig" (lüstern, naschhaft) oder "g'schleckig" genannt wird. (Westermann, 25, 620.) Ratte (s. Maus). 1 Alte Ratten sind schwer zu fangen. Holl.: Eene oude rat wil niet in de val. - Het is slim, oude ratten te vangen. (Harrebomee, II, 210a u. 210b.) 2 Dat was hüm, se(de) Attohm, do hadde he de Rötte bei de Stert (Schwanz). (Ostfries.) - Bueren, 371; Frommann, II, 538, 177. 3 Den Ratten muss man nicht den Speck zu hüten geben. Holl.: Men moet geene ratten bij het spek vertrouwen. (Harrebomee, II, 210b.) [Spaltenumbruch] 4 Die Ratte weiss viel, aber die Katze noch mehr. - Winckler, I, 72. In den Sprichwörtern der englischen Neger in Surinam treten die Ratten sehr häufig auf. So haben sie, um den Gedanken auszudrücken: ich fürchte dich und deinen ganzen Anhang nicht, das Sprichwort: Die Ratte und ihr Schwanz sind nicht genug fürs Feuer. Um zu sagen: wenn du den Werth des Geldes kenntest, du würdest mit den Sachen anders und besser umgehen, aber du weisst nicht, was sie kosten, gebrauchen sie das Sprichwort: Die Ratte weiss nicht, was Geld kauft. Den Gedanken: wenn dem Armen, Unterdrückten Unrecht geschieht, bemerkt es niemand, drücken sie durch das Sprichwort aus: Wenn die Ratten einen Aussätzigen fressen, hat niemand etwas davon, wenn aber der Aussätzige anfängt Ratten zu essen, so schreit alle Welt; Der Aussätzige isst Ratten! Dem Gedanken: wenn du den angreifst, so stichst du in ein Wespennest, du ziehst dir seinen ganzen Anhang auf den Hals, durch das Sprichwort: Wenn du die Ratte schlägst, so thut's ihrem Schwanz weh. Um zu sagen: es ist einer so viel werth als der andere, der eine gilt dreissig, der andere ein halb Schock, gebrauchen sie das Sprichwort: Wenn du von der Ratte sprichst, musst du auch vom Bakliau sprechen. (Wullschlägel.) Holl.: Veel weet de rat, maar veel meer de kat. (Harrebomee, II, 210b.) 5 Die Ratten kreischen wider das Meer, aber bald ist verschlungen ihr Heer. 6 Die Ratten verlassen ein Schiff, das sinken will. Holl.: Ratten en muizen doen verhuizen. (Harrebomee, II, 210.) 7 Eine alte Ratte findet leicht ein Loch. Holl.: Eene oude rat vindt ligt een gat. (Harrebomee, II, 210a.) 8 Eine Ratte, die Semmeln frisst, taugt zu keinem Mehlhandel. 9 Eine todte Ratte ist besser als zehn lebendige. - Altmann VI, 403. 10 Einer Ratte, die Kleien frisst, muss man nicht Mehl vorsetzen. Holl.: Eene rat, die zemelen eet, deugt bij het meel niet. (Harrebomee, II, 210a.) 11 Es ist eine arme Ratte, die nur Ein Loch weiss. Schwed.: Arm ratta, som ej wet mer än ett hal. (Wensell, 8.) 12 Es ist nicht jede Ratte mit Einer Falle zu fangen. Holl.: Die rat is ook niet voor eene val te vangen. (Harrebomee, II, 210a.) 13 Für böse Ratten gehört eine gute Katze. Aehnlich russisch Altmann VI, 413. 14 Grosse Ratten beissen sich leicht durch eine hölzerne Falle. Holl.: Groote ratten bijten door de val. (Harrebomee, II, 210a.) 15 Wenn die Ratte in der Falle ist, dann gebraucht sie ihren Witz. Holl.: Zit de rat in de klem, dan leert zij hare geslepenheid gebruiken. (Harrebomee, II, 210b.) *16 A weil andern Ratten fangen und konem (kann ihm) salber kene Moise fangen. (Schles.) - Frommann, III, 247; hochdeutsch bei Simrock, 8136. Lat.: Alienos agros irrigas tuis sitientibus. - Alienum aras fundum. (Seybold, 18; Philippi, I, 19.) - Nonne id flagitium est te aliis consilium dare, foris sapere, tibi non posse te auxiliarier? (Terenz.) (Seybold, 374.) *17 Andern will er Ratten fahen und ihn selbst fressen die Mäuse. "Wer andern Rath ertheilt und da ihm Hülffe Noth, sich allzulang verweilt, von dem heissts: Dieser Mensch wiel andern Ratten fangen und kan vor sich doch selbst nicht eine Maus erlangen." (Keller, 134b.) It.: Chi non sa far i fatti suoi, peggio sa far quei d'altri. (Gaal, 1142.) Lat.: Nequicquam sapit, qui sibi ipsi non sapit. (Franck, I, 74b; Philippi, II, 18; Hauer, 116.) *18 Dar is'n aule Ratte up't Speck bunnen. - Lyra, 106. *19 Diäm löpet en Ratt im Koppe herüm. (Iserlohn.) - Woeste, 88, 163. *20 Die Ratte riecht das Fleisch. Holl.: Het ratje heeft den reuk van het vleesch weg. (Harrebomee, II, 210b.) *21 Die Ratte will den Speck nicht kosten. Holl.: De rat wil aan het spek niet. (Harrebomee, II, 210a.) *22 Die Ratten verlassen das Schiff. Es naht Gefahr, der Untergang droht. *23 Eine Ratte am Schwanze fassen. Lat.: Rattum a cauda apprehendere. (Bovill, I, 35.) *24 Er hat Ratten im Kopf.
[Spaltenumbruch] 8 Willst wol Rathsherr werden, sagte der Bauer zu einem Knaben, der bald richtig lesen konnte. *9 Du kannst Rathsherr werden. – Frischbier2, 3066. Wenn ein unfertiger Leser ein Wort durch Errathen herauszubringen sucht. Auch fragweis: Willst du Rathsherr werden? *10 Er würde einen guten Rathsherrn abgeben, er sagt zu allem: ja. – Mayer, II, 86. *11 Es geht ihm wie jenem Rathsherrn, den einen Theil (geniesst er) gesotten, den andern gebraten. *12 Es ist ein Rathsherr wie Judas ein Apostel. Holl.: Het is een raadsman als Judas een apostel. (Harrebomée, II, 207.) *13 Es sind die golnower Rathsherren. Schmidt (Jubelschrift, 12) sagt darüber: „In der Volkssprache wurden früher die Dohlen ›golnower Rathsherren‹ genannt. Da die genannten Vögel, namentlich beim Läuten der Glocke, aus den Thurmlöchern, in welchen sie in einigen pommerschen Städten nisten, mit lautem, nicht angenehmem Geschrei herausfliegen; so soll der Ausdruck wahrscheinlich die unparlamentarische, ungeordnete, aber lärmende Debatte der golnower Rathsherren bezeichnen. An eine frühere der Dohlenfarbe ähnliche Tracht der Rathsherren ist wol weniger zu denken.“ Rathsmann. * Ratzmann trinken. Eine Art Dreimännerwein (s. d. und Gesellschaftswein). Die Limburger Chronik (Ausgabe von Vogel, Marburg 1828, S. 113) sagt: „Anno 1329 wurden die Weine so sauer, dass sie wurden schmeckend als Safft von Holtzäpffeln. Der Wein hiesse Ratzmann, welch Wort Mechtel, ein Fortsetzer der Chronik also erklärt: Denn wie viel man dessen tranck, so liesse er doch den Mann bey Verstand, gleichwie alle Rathsleut verständig seyn sollen.“ Rathsthurm. Wer nichts hält vom Rathsthurm (gutem Rathe), kommt in den Schuldthurm. – Sprichwörtergarten, 364. Rathsversammlung. Bei Rathsversammlungen haben auch die Mauern Ohren. – Simrock, 8134. Ratio. * Ratio status in Acht nehmen. „Es scheint, er wisse nicht, dass heutiges Tages auch in den Heurathen ratio status wie in allem, in Acht genommen werde.“ (Köhler, 15, 12.) Ratio status, ragione del stato, raison d'etat, die Staatssaison, der Staatsnutzen. (S. Laster 62.) Sam. von Butschky (Hoffmann v. F., Spenden, I, 105) sagt: „Die sogenannte neue Statisterei lehret nichts anders als einen jeden Staat nach derjenigen Richtschnur, welche bei den Lateinischen ratio status, auf deutsch der Staatsnutzen heisset, es gehet nun recht oder unrecht zu, bei äusserlichem Wohlstande zu erhalten.“ Die ratio status ist im 17. Jahrhundert vielfach besprochen worden, z. B. in Grimmelhausen's satirischer Schrift: Der zweiköpfige Ratio status. In Rist's Friedewünschendem Teutschland tritt Meister Ratio status als Wundarzt oder Feldscher auf und verbindet das verwundete Deutschland. In dessen Friedejauchzendem Teutschland aber ist der „verfluchte, leichtfertige Staatsmann, welchen die Lateiner Ratio status nennen, von Mars zu seinem geheimen Rath genommen“. (Vgl. Köhler, 217.) Râtschkatl. * Es ist ein Râtschkatl. In Tirol haben sich viele Vornamen in Gemeinnamen (Appellativa) verwandelt. So dienen zur Bezeichnung der Dummheit und Ungeschicklichkeit Jagg, Jaggl (Jakob), Thummai (Thomas), Lippl (Philipp), Hiesl (Mathias), Valtl (Valentin), Stoffel (s. d.) für dumm und unbeholfen zugleich und Veitl (Veit) für einfältig und zaghaft. So ist aus Kattl oder Katl (Katharina) Râtschkatl für Plaudertasche, aus Durl (Dorothea) mit Anspielung auf dûdlen = trinken, eine trunksüchtige Person geworden, während eine naschhafte Eaverle (Eva) mit der Beifügung „blaugig“ (lüstern, naschhaft) oder „g'schleckig“ genannt wird. (Westermann, 25, 620.) Ratte (s. Maus). 1 Alte Ratten sind schwer zu fangen. Holl.: Eene oude rat wil niet in de val. – Het is slim, oude ratten te vangen. 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8 Willst wol Rathsherr werden, sagte der Bauer zu einem Knaben, der bald richtig lesen konnte.
*9 Du kannst Rathsherr werden. – Frischbier2, 3066.
Wenn ein unfertiger Leser ein Wort durch Errathen herauszubringen sucht. Auch fragweis: Willst du Rathsherr werden?
*10 Er würde einen guten Rathsherrn abgeben, er sagt zu allem: ja. – Mayer, II, 86.
*11 Es geht ihm wie jenem Rathsherrn, den einen Theil (geniesst er) gesotten, den andern gebraten.
*12 Es ist ein Rathsherr wie Judas ein Apostel.
Holl.: Het is een raadsman als Judas een apostel. (Harrebomée, II, 207.)
*13 Es sind die golnower Rathsherren.
Schmidt (Jubelschrift, 12) sagt darüber: „In der Volkssprache wurden früher die Dohlen ›golnower Rathsherren‹ genannt. Da die genannten Vögel, namentlich beim Läuten der Glocke, aus den Thurmlöchern, in welchen sie in einigen pommerschen Städten nisten, mit lautem, nicht angenehmem Geschrei herausfliegen; so soll der Ausdruck wahrscheinlich die unparlamentarische, ungeordnete, aber lärmende Debatte der golnower Rathsherren bezeichnen. An eine frühere der Dohlenfarbe ähnliche Tracht der Rathsherren ist wol weniger zu denken.“
Rathsmann.
* Ratzmann trinken.
Eine Art Dreimännerwein (s. d. und Gesellschaftswein). Die Limburger Chronik (Ausgabe von Vogel, Marburg 1828, S. 113) sagt: „Anno 1329 wurden die Weine so sauer, dass sie wurden schmeckend als Safft von Holtzäpffeln. Der Wein hiesse Ratzmann, welch Wort Mechtel, ein Fortsetzer der Chronik also erklärt: Denn wie viel man dessen tranck, so liesse er doch den Mann bey Verstand, gleichwie alle Rathsleut verständig seyn sollen.“
Rathsthurm.
Wer nichts hält vom Rathsthurm (gutem Rathe), kommt in den Schuldthurm. – Sprichwörtergarten, 364.
Rathsversammlung.
Bei Rathsversammlungen haben auch die Mauern Ohren. – Simrock, 8134.
Ratio.
* Ratio status in Acht nehmen.
„Es scheint, er wisse nicht, dass heutiges Tages auch in den Heurathen ratio status wie in allem, in Acht genommen werde.“ (Köhler, 15, 12.) Ratio status, ragione del stato, raison d'etat, die Staatssaison, der Staatsnutzen. (S. Laster 62.) Sam. von Butschky (Hoffmann v. F., Spenden, I, 105) sagt: „Die sogenannte neue Statisterei lehret nichts anders als einen jeden Staat nach derjenigen Richtschnur, welche bei den Lateinischen ratio status, auf deutsch der Staatsnutzen heisset, es gehet nun recht oder unrecht zu, bei äusserlichem Wohlstande zu erhalten.“ Die ratio status ist im 17. Jahrhundert vielfach besprochen worden, z. B. in Grimmelhausen's satirischer Schrift: Der zweiköpfige Ratio status. In Rist's Friedewünschendem Teutschland tritt Meister Ratio status als Wundarzt oder Feldscher auf und verbindet das verwundete Deutschland. In dessen Friedejauchzendem Teutschland aber ist der „verfluchte, leichtfertige Staatsmann, welchen die Lateiner Ratio status nennen, von Mars zu seinem geheimen Rath genommen“. (Vgl. Köhler, 217.)
Râtschkatl.
* Es ist ein Râtschkatl.
In Tirol haben sich viele Vornamen in Gemeinnamen (Appellativa) verwandelt. So dienen zur Bezeichnung der Dummheit und Ungeschicklichkeit Jagg, Jaggl (Jakob), Thummai (Thomas), Lippl (Philipp), Hiesl (Mathias), Valtl (Valentin), Stoffel (s. d.) für dumm und unbeholfen zugleich und Veitl (Veit) für einfältig und zaghaft. So ist aus Kattl oder Katl (Katharina) Râtschkatl für Plaudertasche, aus Durl (Dorothea) mit Anspielung auf dûdlen = trinken, eine trunksüchtige Person geworden, während eine naschhafte Eaverle (Eva) mit der Beifügung „blaugig“ (lüstern, naschhaft) oder „g'schleckig“ genannt wird. (Westermann, 25, 620.)
Ratte (s. Maus).
1 Alte Ratten sind schwer zu fangen.
Holl.: Eene oude rat wil niet in de val. – Het is slim, oude ratten te vangen. (Harrebomée, II, 210a u. 210b.)
2 Dat was hüm, se(de) Attohm, dô hadde he de Rötte bî de Stêrt (Schwanz). (Ostfries.) – Bueren, 371; Frommann, II, 538, 177.
3 Den Ratten muss man nicht den Speck zu hüten geben.
Holl.: Men moet geene ratten bij het spek vertrouwen. (Harrebomée, II, 210b.)
4 Die Ratte weiss viel, aber die Katze noch mehr. – Winckler, I, 72.
In den Sprichwörtern der englischen Neger in Surinam treten die Ratten sehr häufig auf. So haben sie, um den Gedanken auszudrücken: ich fürchte dich und deinen ganzen Anhang nicht, das Sprichwort: Die Ratte und ihr Schwanz sind nicht genug fürs Feuer. Um zu sagen: wenn du den Werth des Geldes kenntest, du würdest mit den Sachen anders und besser umgehen, aber du weisst nicht, was sie kosten, gebrauchen sie das Sprichwort: Die Ratte weiss nicht, was Geld kauft. Den Gedanken: wenn dem Armen, Unterdrückten Unrecht geschieht, bemerkt es niemand, drücken sie durch das Sprichwort aus: Wenn die Ratten einen Aussätzigen fressen, hat niemand etwas davon, wenn aber der Aussätzige anfängt Ratten zu essen, so schreit alle Welt; Der Aussätzige isst Ratten! Dem Gedanken: wenn du den angreifst, so stichst du in ein Wespennest, du ziehst dir seinen ganzen Anhang auf den Hals, durch das Sprichwort: Wenn du die Ratte schlägst, so thut's ihrem Schwanz weh. Um zu sagen: es ist einer so viel werth als der andere, der eine gilt dreissig, der andere ein halb Schock, gebrauchen sie das Sprichwort: Wenn du von der Ratte sprichst, musst du auch vom Bakliau sprechen. (Wullschlägel.)
Holl.: Veel weet de rat, maar veel meer de kat. (Harrebomée, II, 210b.)
5 Die Ratten kreischen wider das Meer, aber bald ist verschlungen ihr Heer.
6 Die Ratten verlassen ein Schiff, das sinken will.
Holl.: Ratten en muizen doen verhuizen. (Harrebomée, II, 210.)
7 Eine alte Ratte findet leicht ein Loch.
Holl.: Eene oude rat vindt ligt een gat. (Harrebomée, II, 210a.)
8 Eine Ratte, die Semmeln frisst, taugt zu keinem Mehlhandel.
9 Eine todte Ratte ist besser als zehn lebendige. – Altmann VI, 403.
10 Einer Ratte, die Kleien frisst, muss man nicht Mehl vorsetzen.
Holl.: Eene rat, die zemelen eet, deugt bij het meel niet. (Harrebomée, II, 210a.)
11 Es ist eine arme Ratte, die nur Ein Loch weiss.
Schwed.: Arm råtta, som ej wet mer än ett hål. (Wensell, 8.)
12 Es ist nicht jede Ratte mit Einer Falle zu fangen.
Holl.: Die rat is ook niet voor ééne val te vangen. (Harrebomée, II, 210a.)
13 Für böse Ratten gehört eine gute Katze.
Aehnlich russisch Altmann VI, 413.
14 Grosse Ratten beissen sich leicht durch eine hölzerne Falle.
Holl.: Groote ratten bijten door de val. (Harrebomée, II, 210a.)
15 Wenn die Ratte in der Falle ist, dann gebraucht sie ihren Witz.
Holl.: Zit de rat in de klem, dan leert zij hare geslepenheid gebruiken. (Harrebomée, II, 210b.)
*16 A wîl andern Ratten fangen und konem (kann ihm) salber kêne Moise fangen. (Schles.) – Frommann, III, 247; hochdeutsch bei Simrock, 8136.
Lat.: Alienos agros irrigas tuis sitientibus. – Alienum aras fundum. (Seybold, 18; Philippi, I, 19.) – Nonne id flagitium est te aliis consilium dare, foris sapere, tibi non posse te auxiliarier? (Terenz.) (Seybold, 374.)
*17 Andern will er Ratten fahen und ihn selbst fressen die Mäuse.
„Wer andern Rath ertheilt und da ihm Hülffe Noth, sich allzulang verweilt, von dem heissts: Dieser Mensch wiel andern Ratten fangen und kan vor sich doch selbst nicht eine Maus erlangen.“ (Keller, 134b.)
It.: Chi non sà far i fatti suoi, peggio sà far quei d'altri. (Gaal, 1142.)
Lat.: Nequicquam sapit, qui sibi ipsi non sapit. (Franck, I, 74b; Philippi, II, 18; Hauer, 116.)
*18 Dâr is'n aule Ratte up't Speck bunnen. – Lyra, 106.
*19 Diäm löpet en Ratt im Koppe herüm. (Iserlohn.) – Woeste, 88, 163.
*20 Die Ratte riecht das Fleisch.
Holl.: Het ratje heeft den reuk van het vleesch weg. (Harrebomée, II, 210b.)
*21 Die Ratte will den Speck nicht kosten.
Holl.: De rat wil aan het spek niet. (Harrebomée, II, 210a.)
*22 Die Ratten verlassen das Schiff.
Es naht Gefahr, der Untergang droht.
*23 Eine Ratte am Schwanze fassen.
Lat.: Rattum a cauda apprehendere. (Bovill, I, 35.)
*24 Er hat Ratten im Kopf.
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