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Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876.

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[Spaltenumbruch] 14 Ein hungriger Storch klappert nicht umsonst mit dem Schnabel.

15 Ein kluger Storch zieht den Fröschen (Eidechsen) nach. - Altmann V, 120.

16 Ein Storch achtet auf Würmer.

Lat.: Candida venit avis longis in visa colubris. (Virgil.)

17 Ein Storch heisst den andern Langhals. - Simrock, 9932a.

18 Ein Storch macht keinen Sommer.

Holl.: Een ooijevaar maakt geen' zomer. (Harrebomee, II, 146a.)

19 Ein Storck vnter dem Himmel weiss seine zeit. - Petri, II, 228.

20 Es baut ke (kein) Sturich of e Schustershaus, d'r Garber kömmt on hölt'n 'raus. (Henneberg.) - Frommann, II, 408, 36.

21 Findet der Storch zu Sanct-Petri (Stuhlfeier, 22. Febr.) offen den Bach, so kommt keine Frostdecke nach. - Boebel, 13.

22 Göh d' Storche gly furt, git's gly Winter und gly Früelig, göh sie spot furt, git's spot Winter und spot Früelig. (Solothurn.) - Schild, 111, 101.

23 Lass den Storch in seinem Nest zufrieden, so darffstu dess Balbierers nicht. - Oec. rur.; Simrock, 9930.

Es wird behauptet, dass die Störche an denen, die sie dort beunruhigen und beleidigen, empfindliche Rache nehmen. Ein Beispiel davon wird von Th. Bondi in seiner Thierstudie der Storch (Hausfreund, 1872, S. 750) erwähnt, wo sich auch Fälle erzählt finden, wie die Störche die gebrochene eheliche Treue strafen. Nach dem Volksglauben bringt der Storch dem Hause, auf dessen Schornstein oder in dessen Nähe er sein Nest baut, Glück; auch soll ein Haus, auf dem Störche nisten, vor dem Feuer geschützt sein. Die Tschechen behaupten sogar, er mache Feuerlärm, wenn ein Brand entstehe, indem er so lange klappere, bis die Leute aufwachen und löschen. In der Ukraine glaubt man, ein Storch, dessen Nest man störe, räche sich dadurch, dass er einen Feuerbrand herbeischleppe und das Haus in Brand stecke. (Ausland, 1871, Nr. 9.)

Lat.: Fac tua quae tua sunt, quae sunt aliena velinque. (Eiselein, 580.)

24 Lass die Störche klappern, es ist ihr Gesang. - Parömiakon, 2117.

25 Man muss die Störck lassen klappern, sie habens nit besser gelernet. - Lehmann, 542, 97.

26 Mancher ist wie ein Storck, er sucht immer sein Nest wieder. - Lehmann, 112, 5.

27 Nun sollen einmal die Störche kommen, sagten die Frösche in einer Versammlung, und tauchten schnell unter als ein Kiebitz vorüber flog.

Aehnlich russisch Altmann VI, 500.

28 Störche und Weiber nisten gern hoch.

Sie sind eitel, hochmüthig, sitzen gern obenan.

29 Stürk, Stürk, Langben, hest dein Vader un Moder net sehn. Up dat hoge Böhntje (Boden) breng mi'n lüttjet Söhntje. - Kern, 853.

Einer der vielen Reimsprüche, mit denen die Kinder den Storch begrüssen, wenn er im Frühjahr wiederkommt.

30 Wenn der Storch die Erbsstoppel sieht, jagt er die Jungen vom Nest. - Eiselein, 580; Simrock, 9928; Körte, 5751; Braun, I, 4310.

31 Wenn die junge Storche-n-acht Tag no Peter und Pauli (29. Juni) no in Näst sy1, so möge si a Peter Chattefyr, wenn die alte furt göh, nit noche g'flüge-n und müeste de Winter über do blybe. (Solothurn.) - Schild, 106, 61.

32 Wenn die Störch' mit dem Ross zu Tanz gehn, so ist's um ihre Beine geschehn.

Schwed.: När at tranan gär danz med stodbästen, sa far hon bratna been. (Grubb, 586.)

33 Wenn die Störche Eier aus dem Neste fegen, gibt's ein Jahr mit viel Regen. (Ostpreuss.)

34 Wenn die Störche zeitig reisen, kommt ein Winter von Eisen.

35 Wer die Störche vertreibt, vertreibt die Freiheit.

"Mit uns (den Störchen) wird, wie das Sprichwort sagt, die Freiheit aus dem Land' gejagt." (Pfeffel, Fabeln und Erzählungen.)

[Spaltenumbruch] 36 Wer sich Störche hält, muss auch für Frösche sorgen.

Die Russen: Wer sich Nachtigallen hält, muss auch für Tarakumen sorgen. (Altmann VI, 477.)

37 Wirft der Storch aus dem Nest eins von der jungen Schar, so gibt es ein trockenes Jahr. (Ostpreuss.)

38 Wo die Störche nisten, sterben keine Wöchnerinnen.

Ist aus der abergläubischen Hochachtung der Landleute gegen die Vögel zu erklären. Ein Ausleger (der Holländer Tuinmann) meint zwar, Wöchnerinnen stürben deshalb da nicht, wo die Störche nisteten, weil diese ihr Nest auf dem Dache hätten, wo nie eine Wöchnerin hinkomme, und daher auch nicht da sterben könne.

Holl.: Waar de ooijevaars nestelen, sterven geene kraamvrouwen. (Harrebomee, II, 146b.)

39 Wo man die Störche duldet, da nisten sie.

*40 Brat' mir einen Storch.

In Berlin für: Lass mich in Ruhe. (Trachsel, 55.) Auch wol verhüllend für Ellenbogen 6.

*41 Bi hum kummt boll de Stürk. - Kern, 852.

Die Entbindung seiner Frau steht bald bevor.

*42 De Stoerk ies kuemen. (Westf.)

Die Frau ist in Wochen.

*43 De Stürk hett hör in dat Ben beten. - Kern, 851.

*44 Dem Storche flohen.

Dem Storche die Flöhe suchen. Wird in der Gegend von Bolkenhain und Landeshut in Schlesien gebraucht, um unnütze Arbeit zu bezeichnen.

*45 Den Storch klappern lehren. - Altmann VI, 515.

*46 Den Storch lausen. (Schles.) - Weinhold, 94.

Etwas Schwieriges und Unfruchtbares treiben.

*47 Den Storch zum Aufseher der Frösche machen.

Die Russen: Dem Storch den Froschteich in Verwahrsam geben. (Altmann VI, 524.)

*48 Der Storch bringt die kleinen Kinder. - Lazarus, XVII, 121.

Der Storch gehört zu den Vögeln, die mit Sagen aus der vorchristlichen Zeit umgeben sind. Den geflügelten Blitz schauten unsere Vorältern vor Jahrtausenden als einen schnellen Vogel an, der den tropfenden Funken des Blitzfeuers zur Erde tragen müsse. Bald war es ein Adler, bald ein Falke. Am deutlichsten tritt diese Mythe bei dem rothbeinigen Storche hervor. Sobald man ihn tödtet oder sein Nest zu zerstören sucht, zuckt nach dem Volksglauben der Blitz aus der Wolke hervor, um das Haus des Frevlers in Flammen aufgehen zu lassen. Wenn die Störche um den Thurm flattern, so deutet dies auf eine baldige Feuersbrunst. Die rothen Beine der Thiere weisen auf die Leibfarbe des rothbartigen Donnergottes hin, der gleich Jupiter seine Blitze mit rother Hand schleudert. Nach der Volkssage kam ein gereitzer Storch, dem man seine Jungen aus dem Nest gestossen hatte, mit einem Feuerbrand geflogen, warf ihn in das Nest, sodass das ganze Gebäude niederbrannte. Wenn man dagegen dem heiligen Vogel ein Wagenrad, das Abbild des Sonnenrades, aufs Dach legt, so kann kein Gewitter der Wohnung schaden, wie einem Hause das Feuer, auch wenn die Nachbarschaft abbrennt, etwas schaden kann, wenn die Störche auf demselben brüten, denn die Störche tragen selber Wasser herzu und lassen es löschend aus der Luft in die Flammen fallen, was an den Gewitterregen erinnert, der dem blitztragenden Vogel als Götterbote nachrauscht. Der Storch ist der Holm oder Holla, einer der vielen Namen der heutigen Volkssage für Freija, der germanischen Himmelsgöttin gewidmet. Holla nimmt im Brunnen des himmlischen Gewässers die Seelen der Verstorbenen in Empfang und sendet sie wiedergeboren als Kinderseelen auf die Erde zurück. Aus dem Berge oder Brunnen, worin die Göttin mit mütterlicher Sorgfalt die Seelen hütet, holt nun der Storch, der Götterbote, sie ab, damit sie in menschliche Gestalten eingehen. Daher die Sage vom Jungbrunnen oder Queckborn mit seiner verjüngenden Kraft und der Ursprung des Glaubens, dass die Seelen der neugeborenen Kinder aus dem Brunnen kommen. In Luserna, einem an der österreichisch-italienischen Grenze, 4000 Fuss über dem Articothale liegenden Dorfe, heisst es dafür: Die Kinder bringt Frau Klafter; sie hat die Kinder in grossen Fässern und nährt sie mit Lehm. (Vgl. Gartenlaube, 1873, Nr. 52, S. 846.) In mehreren Mundarten heisst der Vogel Adebar (s. d.) oder Odebar, ein Ausdruck, der mit beron = tragen zusammenhängt und wörtlich Kinderträger oder Seelenbringer bedeutet. In Dresden holt der Klapperstorch die Kinder aus dem dortigen Queckbrunnen, welcher der Vorstadt vor dem katholischen Waisenhause auch den Namen gegeben hat. Zwar haben die Geistlichen den Brunnen schon längst der Jungfrau Maria geweiht, die aber nur das Geschäft des Storchs fortsetzt, der übrigens noch als Wetterhahn über der Kapelle, im Schnabel sowol als in den Fängen ein Wickelkind tragend, zu sehen ist. Der

[Spaltenumbruch] 14 Ein hungriger Storch klappert nicht umsonst mit dem Schnabel.

15 Ein kluger Storch zieht den Fröschen (Eidechsen) nach.Altmann V, 120.

16 Ein Storch achtet auf Würmer.

Lat.: Candida venit avis longis in visa colubris. (Virgil.)

17 Ein Storch heisst den andern Langhals.Simrock, 9932a.

18 Ein Storch macht keinen Sommer.

Holl.: Een ooijevaar maakt geen' zomer. (Harrebomée, II, 146a.)

19 Ein Storck vnter dem Himmel weiss seine zeit.Petri, II, 228.

20 Es baut ke (kein) Sturich of e Schustershaus, d'r Garber kömmt on hölt'n 'raus. (Henneberg.) – Frommann, II, 408, 36.

21 Findet der Storch zu Sanct-Petri (Stuhlfeier, 22. Febr.) offen den Bach, so kommt keine Frostdecke nach.Boebel, 13.

22 Göh d' Storche gly furt, git's gly Winter und gly Früelig, göh sie spot furt, git's spot Winter und spot Früelig. (Solothurn.) – Schild, 111, 101.

23 Lass den Storch in seinem Nest zufrieden, so darffstu dess Balbierers nicht.Oec. rur.; Simrock, 9930.

Es wird behauptet, dass die Störche an denen, die sie dort beunruhigen und beleidigen, empfindliche Rache nehmen. Ein Beispiel davon wird von Th. Bondi in seiner Thierstudie der Storch (Hausfreund, 1872, S. 750) erwähnt, wo sich auch Fälle erzählt finden, wie die Störche die gebrochene eheliche Treue strafen. Nach dem Volksglauben bringt der Storch dem Hause, auf dessen Schornstein oder in dessen Nähe er sein Nest baut, Glück; auch soll ein Haus, auf dem Störche nisten, vor dem Feuer geschützt sein. Die Tschechen behaupten sogar, er mache Feuerlärm, wenn ein Brand entstehe, indem er so lange klappere, bis die Leute aufwachen und löschen. In der Ukraine glaubt man, ein Storch, dessen Nest man störe, räche sich dadurch, dass er einen Feuerbrand herbeischleppe und das Haus in Brand stecke. (Ausland, 1871, Nr. 9.)

Lat.: Fac tua quae tua sunt, quae sunt aliena velinque. (Eiselein, 580.)

24 Lass die Störche klappern, es ist ihr Gesang.Parömiakon, 2117.

25 Man muss die Störck lassen klappern, sie habens nit besser gelernet.Lehmann, 542, 97.

26 Mancher ist wie ein Storck, er sucht immer sein Nest wieder.Lehmann, 112, 5.

27 Nun sollen einmal die Störche kommen, sagten die Frösche in einer Versammlung, und tauchten schnell unter als ein Kiebitz vorüber flog.

Aehnlich russisch Altmann VI, 500.

28 Störche und Weiber nisten gern hoch.

Sie sind eitel, hochmüthig, sitzen gern obenan.

29 Stürk, Stürk, Langbên, hest dîn Vader un Moder nêt sehn. Up dat hoge Böhntje (Boden) breng mi'n lüttjet Söhntje.Kern, 853.

Einer der vielen Reimsprüche, mit denen die Kinder den Storch begrüssen, wenn er im Frühjahr wiederkommt.

30 Wenn der Storch die Erbsstoppel sieht, jagt er die Jungen vom Nest.Eiselein, 580; Simrock, 9928; Körte, 5751; Braun, I, 4310.

31 Wenn die junge Storche-n-acht Tag no Peter und Pauli (29. Juni) no in Näst sy1, so möge si a Peter Chattefyr, wenn die alte furt göh, nit noche g'flüge-n und müeste de Winter über do blybe. (Solothurn.) – Schild, 106, 61.

32 Wenn die Störch' mit dem Ross zu Tanz gehn, so ist's um ihre Beine geschehn.

Schwed.: När at tranan gär danz med stodbästen, så får hon bratna been. (Grubb, 586.)

33 Wenn die Störche Eier aus dem Neste fegen, gibt's ein Jahr mit viel Regen. (Ostpreuss.)

34 Wenn die Störche zeitig reisen, kommt ein Winter von Eisen.

35 Wer die Störche vertreibt, vertreibt die Freiheit.

„Mit uns (den Störchen) wird, wie das Sprichwort sagt, die Freiheit aus dem Land' gejagt.“ (Pfeffel, Fabeln und Erzählungen.)

[Spaltenumbruch] 36 Wer sich Störche hält, muss auch für Frösche sorgen.

Die Russen: Wer sich Nachtigallen hält, muss auch für Tarakumen sorgen. (Altmann VI, 477.)

37 Wirft der Storch aus dem Nest eins von der jungen Schar, so gibt es ein trockenes Jahr. (Ostpreuss.)

38 Wo die Störche nisten, sterben keine Wöchnerinnen.

Ist aus der abergläubischen Hochachtung der Landleute gegen die Vögel zu erklären. Ein Ausleger (der Holländer Tuinmann) meint zwar, Wöchnerinnen stürben deshalb da nicht, wo die Störche nisteten, weil diese ihr Nest auf dem Dache hätten, wo nie eine Wöchnerin hinkomme, und daher auch nicht da sterben könne.

Holl.: Waar de ooijevaars nestelen, sterven geene kraamvrouwen. (Harrebomée, II, 146b.)

39 Wo man die Störche duldet, da nisten sie.

*40 Brat' mir einen Storch.

In Berlin für: Lass mich in Ruhe. (Trachsel, 55.) Auch wol verhüllend für Ellenbogen 6.

*41 Bi hum kummt boll de Stürk.Kern, 852.

Die Entbindung seiner Frau steht bald bevor.

*42 De Stoerk ies kuemen. (Westf.)

Die Frau ist in Wochen.

*43 De Stürk hett hör in dat Bên beten.Kern, 851.

*44 Dem Storche flohen.

Dem Storche die Flöhe suchen. Wird in der Gegend von Bolkenhain und Landeshut in Schlesien gebraucht, um unnütze Arbeit zu bezeichnen.

*45 Den Storch klappern lehren.Altmann VI, 515.

*46 Den Storch lausen. (Schles.) – Weinhold, 94.

Etwas Schwieriges und Unfruchtbares treiben.

*47 Den Storch zum Aufseher der Frösche machen.

Die Russen: Dem Storch den Froschteich in Verwahrsam geben. (Altmann VI, 524.)

*48 Der Storch bringt die kleinen Kinder.Lazarus, XVII, 121.

Der Storch gehört zu den Vögeln, die mit Sagen aus der vorchristlichen Zeit umgeben sind. Den geflügelten Blitz schauten unsere Vorältern vor Jahrtausenden als einen schnellen Vogel an, der den tropfenden Funken des Blitzfeuers zur Erde tragen müsse. Bald war es ein Adler, bald ein Falke. Am deutlichsten tritt diese Mythe bei dem rothbeinigen Storche hervor. Sobald man ihn tödtet oder sein Nest zu zerstören sucht, zuckt nach dem Volksglauben der Blitz aus der Wolke hervor, um das Haus des Frevlers in Flammen aufgehen zu lassen. Wenn die Störche um den Thurm flattern, so deutet dies auf eine baldige Feuersbrunst. Die rothen Beine der Thiere weisen auf die Leibfarbe des rothbartigen Donnergottes hin, der gleich Jupiter seine Blitze mit rother Hand schleudert. Nach der Volkssage kam ein gereitzer Storch, dem man seine Jungen aus dem Nest gestossen hatte, mit einem Feuerbrand geflogen, warf ihn in das Nest, sodass das ganze Gebäude niederbrannte. Wenn man dagegen dem heiligen Vogel ein Wagenrad, das Abbild des Sonnenrades, aufs Dach legt, so kann kein Gewitter der Wohnung schaden, wie einem Hause das Feuer, auch wenn die Nachbarschaft abbrennt, etwas schaden kann, wenn die Störche auf demselben brüten, denn die Störche tragen selber Wasser herzu und lassen es löschend aus der Luft in die Flammen fallen, was an den Gewitterregen erinnert, der dem blitztragenden Vogel als Götterbote nachrauscht. Der Storch ist der Holm oder Holla, einer der vielen Namen der heutigen Volkssage für Freija, der germanischen Himmelsgöttin gewidmet. Holla nimmt im Brunnen des himmlischen Gewässers die Seelen der Verstorbenen in Empfang und sendet sie wiedergeboren als Kinderseelen auf die Erde zurück. Aus dem Berge oder Brunnen, worin die Göttin mit mütterlicher Sorgfalt die Seelen hütet, holt nun der Storch, der Götterbote, sie ab, damit sie in menschliche Gestalten eingehen. Daher die Sage vom Jungbrunnen oder Queckborn mit seiner verjüngenden Kraft und der Ursprung des Glaubens, dass die Seelen der neugeborenen Kinder aus dem Brunnen kommen. In Luserna, einem an der österreichisch-italienischen Grenze, 4000 Fuss über dem Articothale liegenden Dorfe, heisst es dafür: Die Kinder bringt Frau Klafter; sie hat die Kinder in grossen Fässern und nährt sie mit Lehm. (Vgl. Gartenlaube, 1873, Nr. 52, S. 846.) In mehreren Mundarten heisst der Vogel Adebar (s. d.) oder Odebar, ein Ausdruck, der mit beron = tragen zusammenhängt und wörtlich Kinderträger oder Seelenbringer bedeutet. In Dresden holt der Klapperstorch die Kinder aus dem dortigen Queckbrunnen, welcher der Vorstadt vor dem katholischen Waisenhause auch den Namen gegeben hat. Zwar haben die Geistlichen den Brunnen schon längst der Jungfrau Maria geweiht, die aber nur das Geschäft des Storchs fortsetzt, der übrigens noch als Wetterhahn über der Kapelle, im Schnabel sowol als in den Fängen ein Wickelkind tragend, zu sehen ist. Der

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[[441]/0447] 14 Ein hungriger Storch klappert nicht umsonst mit dem Schnabel. 15 Ein kluger Storch zieht den Fröschen (Eidechsen) nach. – Altmann V, 120. 16 Ein Storch achtet auf Würmer. Lat.: Candida venit avis longis in visa colubris. (Virgil.) 17 Ein Storch heisst den andern Langhals. – Simrock, 9932a. 18 Ein Storch macht keinen Sommer. Holl.: Een ooijevaar maakt geen' zomer. (Harrebomée, II, 146a.) 19 Ein Storck vnter dem Himmel weiss seine zeit. – Petri, II, 228. 20 Es baut ke (kein) Sturich of e Schustershaus, d'r Garber kömmt on hölt'n 'raus. (Henneberg.) – Frommann, II, 408, 36. 21 Findet der Storch zu Sanct-Petri (Stuhlfeier, 22. Febr.) offen den Bach, so kommt keine Frostdecke nach. – Boebel, 13. 22 Göh d' Storche gly furt, git's gly Winter und gly Früelig, göh sie spot furt, git's spot Winter und spot Früelig. (Solothurn.) – Schild, 111, 101. 23 Lass den Storch in seinem Nest zufrieden, so darffstu dess Balbierers nicht. – Oec. rur.; Simrock, 9930. Es wird behauptet, dass die Störche an denen, die sie dort beunruhigen und beleidigen, empfindliche Rache nehmen. Ein Beispiel davon wird von Th. Bondi in seiner Thierstudie der Storch (Hausfreund, 1872, S. 750) erwähnt, wo sich auch Fälle erzählt finden, wie die Störche die gebrochene eheliche Treue strafen. Nach dem Volksglauben bringt der Storch dem Hause, auf dessen Schornstein oder in dessen Nähe er sein Nest baut, Glück; auch soll ein Haus, auf dem Störche nisten, vor dem Feuer geschützt sein. Die Tschechen behaupten sogar, er mache Feuerlärm, wenn ein Brand entstehe, indem er so lange klappere, bis die Leute aufwachen und löschen. In der Ukraine glaubt man, ein Storch, dessen Nest man störe, räche sich dadurch, dass er einen Feuerbrand herbeischleppe und das Haus in Brand stecke. (Ausland, 1871, Nr. 9.) Lat.: Fac tua quae tua sunt, quae sunt aliena velinque. (Eiselein, 580.) 24 Lass die Störche klappern, es ist ihr Gesang. – Parömiakon, 2117. 25 Man muss die Störck lassen klappern, sie habens nit besser gelernet. – Lehmann, 542, 97. 26 Mancher ist wie ein Storck, er sucht immer sein Nest wieder. – Lehmann, 112, 5. 27 Nun sollen einmal die Störche kommen, sagten die Frösche in einer Versammlung, und tauchten schnell unter als ein Kiebitz vorüber flog. Aehnlich russisch Altmann VI, 500. 28 Störche und Weiber nisten gern hoch. Sie sind eitel, hochmüthig, sitzen gern obenan. 29 Stürk, Stürk, Langbên, hest dîn Vader un Moder nêt sehn. Up dat hoge Böhntje (Boden) breng mi'n lüttjet Söhntje. – Kern, 853. Einer der vielen Reimsprüche, mit denen die Kinder den Storch begrüssen, wenn er im Frühjahr wiederkommt. 30 Wenn der Storch die Erbsstoppel sieht, jagt er die Jungen vom Nest. – Eiselein, 580; Simrock, 9928; Körte, 5751; Braun, I, 4310. 31 Wenn die junge Storche-n-acht Tag no Peter und Pauli (29. Juni) no in Näst sy1, so möge si a Peter Chattefyr, wenn die alte furt göh, nit noche g'flüge-n und müeste de Winter über do blybe. (Solothurn.) – Schild, 106, 61. 32 Wenn die Störch' mit dem Ross zu Tanz gehn, so ist's um ihre Beine geschehn. Schwed.: När at tranan gär danz med stodbästen, så får hon bratna been. (Grubb, 586.) 33 Wenn die Störche Eier aus dem Neste fegen, gibt's ein Jahr mit viel Regen. (Ostpreuss.) 34 Wenn die Störche zeitig reisen, kommt ein Winter von Eisen. 35 Wer die Störche vertreibt, vertreibt die Freiheit. „Mit uns (den Störchen) wird, wie das Sprichwort sagt, die Freiheit aus dem Land' gejagt.“ (Pfeffel, Fabeln und Erzählungen.) 36 Wer sich Störche hält, muss auch für Frösche sorgen. Die Russen: Wer sich Nachtigallen hält, muss auch für Tarakumen sorgen. (Altmann VI, 477.) 37 Wirft der Storch aus dem Nest eins von der jungen Schar, so gibt es ein trockenes Jahr. (Ostpreuss.) 38 Wo die Störche nisten, sterben keine Wöchnerinnen. Ist aus der abergläubischen Hochachtung der Landleute gegen die Vögel zu erklären. Ein Ausleger (der Holländer Tuinmann) meint zwar, Wöchnerinnen stürben deshalb da nicht, wo die Störche nisteten, weil diese ihr Nest auf dem Dache hätten, wo nie eine Wöchnerin hinkomme, und daher auch nicht da sterben könne. Holl.: Waar de ooijevaars nestelen, sterven geene kraamvrouwen. (Harrebomée, II, 146b.) 39 Wo man die Störche duldet, da nisten sie. *40 Brat' mir einen Storch. In Berlin für: Lass mich in Ruhe. (Trachsel, 55.) Auch wol verhüllend für Ellenbogen 6. *41 Bi hum kummt boll de Stürk. – Kern, 852. Die Entbindung seiner Frau steht bald bevor. *42 De Stoerk ies kuemen. (Westf.) Die Frau ist in Wochen. *43 De Stürk hett hör in dat Bên beten. – Kern, 851. *44 Dem Storche flohen. Dem Storche die Flöhe suchen. Wird in der Gegend von Bolkenhain und Landeshut in Schlesien gebraucht, um unnütze Arbeit zu bezeichnen. *45 Den Storch klappern lehren. – Altmann VI, 515. *46 Den Storch lausen. (Schles.) – Weinhold, 94. Etwas Schwieriges und Unfruchtbares treiben. *47 Den Storch zum Aufseher der Frösche machen. Die Russen: Dem Storch den Froschteich in Verwahrsam geben. (Altmann VI, 524.) *48 Der Storch bringt die kleinen Kinder. – Lazarus, XVII, 121. Der Storch gehört zu den Vögeln, die mit Sagen aus der vorchristlichen Zeit umgeben sind. Den geflügelten Blitz schauten unsere Vorältern vor Jahrtausenden als einen schnellen Vogel an, der den tropfenden Funken des Blitzfeuers zur Erde tragen müsse. Bald war es ein Adler, bald ein Falke. Am deutlichsten tritt diese Mythe bei dem rothbeinigen Storche hervor. Sobald man ihn tödtet oder sein Nest zu zerstören sucht, zuckt nach dem Volksglauben der Blitz aus der Wolke hervor, um das Haus des Frevlers in Flammen aufgehen zu lassen. Wenn die Störche um den Thurm flattern, so deutet dies auf eine baldige Feuersbrunst. Die rothen Beine der Thiere weisen auf die Leibfarbe des rothbartigen Donnergottes hin, der gleich Jupiter seine Blitze mit rother Hand schleudert. Nach der Volkssage kam ein gereitzer Storch, dem man seine Jungen aus dem Nest gestossen hatte, mit einem Feuerbrand geflogen, warf ihn in das Nest, sodass das ganze Gebäude niederbrannte. Wenn man dagegen dem heiligen Vogel ein Wagenrad, das Abbild des Sonnenrades, aufs Dach legt, so kann kein Gewitter der Wohnung schaden, wie einem Hause das Feuer, auch wenn die Nachbarschaft abbrennt, etwas schaden kann, wenn die Störche auf demselben brüten, denn die Störche tragen selber Wasser herzu und lassen es löschend aus der Luft in die Flammen fallen, was an den Gewitterregen erinnert, der dem blitztragenden Vogel als Götterbote nachrauscht. Der Storch ist der Holm oder Holla, einer der vielen Namen der heutigen Volkssage für Freija, der germanischen Himmelsgöttin gewidmet. Holla nimmt im Brunnen des himmlischen Gewässers die Seelen der Verstorbenen in Empfang und sendet sie wiedergeboren als Kinderseelen auf die Erde zurück. Aus dem Berge oder Brunnen, worin die Göttin mit mütterlicher Sorgfalt die Seelen hütet, holt nun der Storch, der Götterbote, sie ab, damit sie in menschliche Gestalten eingehen. Daher die Sage vom Jungbrunnen oder Queckborn mit seiner verjüngenden Kraft und der Ursprung des Glaubens, dass die Seelen der neugeborenen Kinder aus dem Brunnen kommen. In Luserna, einem an der österreichisch-italienischen Grenze, 4000 Fuss über dem Articothale liegenden Dorfe, heisst es dafür: Die Kinder bringt Frau Klafter; sie hat die Kinder in grossen Fässern und nährt sie mit Lehm. (Vgl. Gartenlaube, 1873, Nr. 52, S. 846.) In mehreren Mundarten heisst der Vogel Adebar (s. d.) oder Odebar, ein Ausdruck, der mit beron = tragen zusammenhängt und wörtlich Kinderträger oder Seelenbringer bedeutet. In Dresden holt der Klapperstorch die Kinder aus dem dortigen Queckbrunnen, welcher der Vorstadt vor dem katholischen Waisenhause auch den Namen gegeben hat. Zwar haben die Geistlichen den Brunnen schon längst der Jungfrau Maria geweiht, die aber nur das Geschäft des Storchs fortsetzt, der übrigens noch als Wetterhahn über der Kapelle, im Schnabel sowol als in den Fängen ein Wickelkind tragend, zu sehen ist. Der

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Zitationshilfe: Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 4. Leipzig, 1876, S. [441]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wander_sprichwoerterlexikon04_1876/447>, abgerufen am 21.11.2024.