Wander, Karl Friedrich Wilhelm (Hrsg.): Deutsches Sprichwörter-Lexikon. Bd. 5. Leipzig, 1880.Im Frühlinge des Jahres 1810 kam Wander das erste mal in die Schule des Ortes, welcher Cantor Langner vorstand. Die Schule, in die bereits Pestalozzi'sche Reformen Eingang gefunden hatten, gehörte zu den bessern des Kreises. Hier hatte der neue Jünger der Wissenschaft bald viel durch die Neckereien seiner Mitschüler zu leiden, da er allein von allen einen Zopf trug. Die Aeltern wollten es einmal so haben. Wander wehrte sich zwar mit allen Mitteln seiner erwachenden Logik gegen den Spott der Kameraden und half sich, geistig überlegen, in einzelnen Fällen trefflich gegen die Mehrheit; allein der Zopf war ihm, wie immer im Leben, auch selbst zuwider und deshalb bestürmte er die Mutter so lange, bis sie eines Tages "die Schere der Parze nahm" und den Schulknaben den Anlass zu neuen Spöttereien abschnitt. Der Hülfslehrer Neumann fand, dass Wander nicht vorschriftsmässig schreibe; lag darin ein Fingerzeig, dass dieser einst wegen "schlechter Schreibereien" bestraft werden würde? Wander meint so; glaubt er doch auch schon in der Jugend ein Wühler gewesen zu sein, da er im Garten das Heu, in der Scheuer das Stroh aufwühlte! Der lernbegierige Knabe besass ein gutes Gehör, aber musikalisch war es nicht. Das war ein Umstand, den er gern verborgen hätte und den er mit allem Fleisse zu beseitigen strebte. In ihm hatte sich nämlich längst die Lust zum Lehrberuf gerührt, da an der Schule junge Leute für das Lehramt vorbereitet wurden, und wenn es geheissen hätte, ihm fehle jedwedes musikalische Gehör, so hätte er in der damaligen Zeit kein Lehrer werden können. Er benutzte daher jede Singstunde gewissenhaft und brachte es durch beständige Uebung und mit Hülfe der Violine sogar so weit, dass er mit zum Chordienste beigezogen werden konnte und bei Begräbnissen mitsingen durfte. Es gab für ihn kein grösseres Gaudium, als nach Bärndorf, namentlich nach Oberbärndorf zu Grabe zu gehen. War der Weg verweht, gut; war er es aber nur theilweise, dann suchte er die Stellen auf, wo er es war. Unzähligemal sank er bis unter die Arme in die Windwehen und hatte Mühe, sich wieder herauszuarbeiten. Bei dem Absingen der Trauerlieder unterlegte der kleine Schelm bisweilen einen selbstgemachten Text; "aber dabei haben die Todten ebenso gut auf den fischbacher Friedhöfen geruht, als wäre dies nicht geschehen." Eine seiner liebsten Passionen war das Werfen mit Steinen, wobei es ihm einmal bald übel ergangen wäre; er traf vom Friedhofe aus an eine der Kirchthurmglocken, die "erbaulich weiterklang" und ihn dadurch zu schleunigster Flucht veranlasste. Wander hatte von seiner Mutter die Neigung zum Lesen geerbt. Alles Gedruckte, was ihm in die Hände kam, bis auf die Kaffee- und Zuckerdüten herab, wurde durchgesehen und geprüft. Sehr gern las er den "Berliner Bürgerfreund" von Ludewig; am liebsten aber las und hörte er Anekdoten und ärgerte sich oft darüber, dass in Fischbach niemand Anekdoten erfinde. Einen ungewöhnlichen Eindruck machte auf ihn eine Erzählung unter dem Titel: "Die Insel Felsenburg." Er hielt sie durchaus für wahr und war nahe daran, die Insel aufzusuchen; allein niemand im Orte wusste, wo sie lag. So schwand bei Scherz und Frohsinn die Zeit, bis für Wander die Zeit der Confirmation (15. Mai 1817) herannahte. Den Confirmandenunterricht ertheilte Pastor Siegert, ein würdiger Geistlicher, an dem Wander mit einer unsteigerbaren Liebe und Verehrung hing, wie er selbst bekennt. Der Confirmationsschein enthielt den Spruch: "Die Welt vergeht mit ihrer Lust" u. s. w. und wurde zum Grundstein für das Leben des Confirmirten. Ernstlicher als je trat nun an diesen die Frage der Berufswahl heran. Er wollte Lehrer werden; auch der Vater wollte es, ohne ihm jedoch die Mittel zu seiner Ausbildung für diesen Stand bieten zu können. Da rieth man Wander zum Tischlerhandwerk. Es war das Beste, weil das Bessere nicht zu erreichen war. Der Vater sorgte für einen Lehrmeister seines Sohnes und fand ihn in dem Tischler Berthold zu Warmbrunn, einem gebildeten Manne, dem Sohne eines Lehrers. Berthold hatte sich schon längst auf einen Lehrling Namens Fritz gefreut; nun hatte er ihn. Aber um so weniger freute sich Fritz! Das Tischlerleben kam ihm zu hölzern vor; unter Hobelspänen fühlte er sich nicht glücklich; ihm fehlte der Tischlersinn, "den selbst Gott in seinem Schädel nicht gefunden hätte". Friedrich oder Fritz war eigentlich in Berthold's Hause gar kein Tischlerlehrling; er war Laufbursche, Hausknecht, Köchin, Factotum; nur hier und da gab es eine Beschäftigung, die wie Im Frühlinge des Jahres 1810 kam Wander das erste mal in die Schule des Ortes, welcher Cantor Langner vorstand. Die Schule, in die bereits Pestalozzi'sche Reformen Eingang gefunden hatten, gehörte zu den bessern des Kreises. Hier hatte der neue Jünger der Wissenschaft bald viel durch die Neckereien seiner Mitschüler zu leiden, da er allein von allen einen Zopf trug. Die Aeltern wollten es einmal so haben. Wander wehrte sich zwar mit allen Mitteln seiner erwachenden Logik gegen den Spott der Kameraden und half sich, geistig überlegen, in einzelnen Fällen trefflich gegen die Mehrheit; allein der Zopf war ihm, wie immer im Leben, auch selbst zuwider und deshalb bestürmte er die Mutter so lange, bis sie eines Tages „die Schere der Parze nahm“ und den Schulknaben den Anlass zu neuen Spöttereien abschnitt. Der Hülfslehrer Neumann fand, dass Wander nicht vorschriftsmässig schreibe; lag darin ein Fingerzeig, dass dieser einst wegen „schlechter Schreibereien“ bestraft werden würde? Wander meint so; glaubt er doch auch schon in der Jugend ein Wühler gewesen zu sein, da er im Garten das Heu, in der Scheuer das Stroh aufwühlte! Der lernbegierige Knabe besass ein gutes Gehör, aber musikalisch war es nicht. Das war ein Umstand, den er gern verborgen hätte und den er mit allem Fleisse zu beseitigen strebte. In ihm hatte sich nämlich längst die Lust zum Lehrberuf gerührt, da an der Schule junge Leute für das Lehramt vorbereitet wurden, und wenn es geheissen hätte, ihm fehle jedwedes musikalische Gehör, so hätte er in der damaligen Zeit kein Lehrer werden können. Er benutzte daher jede Singstunde gewissenhaft und brachte es durch beständige Uebung und mit Hülfe der Violine sogar so weit, dass er mit zum Chordienste beigezogen werden konnte und bei Begräbnissen mitsingen durfte. Es gab für ihn kein grösseres Gaudium, als nach Bärndorf, namentlich nach Oberbärndorf zu Grabe zu gehen. War der Weg verweht, gut; war er es aber nur theilweise, dann suchte er die Stellen auf, wo er es war. Unzähligemal sank er bis unter die Arme in die Windwehen und hatte Mühe, sich wieder herauszuarbeiten. Bei dem Absingen der Trauerlieder unterlegte der kleine Schelm bisweilen einen selbstgemachten Text; „aber dabei haben die Todten ebenso gut auf den fischbacher Friedhöfen geruht, als wäre dies nicht geschehen.“ Eine seiner liebsten Passionen war das Werfen mit Steinen, wobei es ihm einmal bald übel ergangen wäre; er traf vom Friedhofe aus an eine der Kirchthurmglocken, die „erbaulich weiterklang“ und ihn dadurch zu schleunigster Flucht veranlasste. Wander hatte von seiner Mutter die Neigung zum Lesen geerbt. Alles Gedruckte, was ihm in die Hände kam, bis auf die Kaffee- und Zuckerdüten herab, wurde durchgesehen und geprüft. Sehr gern las er den „Berliner Bürgerfreund“ von Ludewig; am liebsten aber las und hörte er Anekdoten und ärgerte sich oft darüber, dass in Fischbach niemand Anekdoten erfinde. Einen ungewöhnlichen Eindruck machte auf ihn eine Erzählung unter dem Titel: „Die Insel Felsenburg.“ Er hielt sie durchaus für wahr und war nahe daran, die Insel aufzusuchen; allein niemand im Orte wusste, wo sie lag. So schwand bei Scherz und Frohsinn die Zeit, bis für Wander die Zeit der Confirmation (15. Mai 1817) herannahte. Den Confirmandenunterricht ertheilte Pastor Siegert, ein würdiger Geistlicher, an dem Wander mit einer unsteigerbaren Liebe und Verehrung hing, wie er selbst bekennt. Der Confirmationsschein enthielt den Spruch: „Die Welt vergeht mit ihrer Lust“ u. s. w. und wurde zum Grundstein für das Leben des Confirmirten. Ernstlicher als je trat nun an diesen die Frage der Berufswahl heran. Er wollte Lehrer werden; auch der Vater wollte es, ohne ihm jedoch die Mittel zu seiner Ausbildung für diesen Stand bieten zu können. Da rieth man Wander zum Tischlerhandwerk. Es war das Beste, weil das Bessere nicht zu erreichen war. Der Vater sorgte für einen Lehrmeister seines Sohnes und fand ihn in dem Tischler Berthold zu Warmbrunn, einem gebildeten Manne, dem Sohne eines Lehrers. Berthold hatte sich schon längst auf einen Lehrling Namens Fritz gefreut; nun hatte er ihn. Aber um so weniger freute sich Fritz! Das Tischlerleben kam ihm zu hölzern vor; unter Hobelspänen fühlte er sich nicht glücklich; ihm fehlte der Tischlersinn, „den selbst Gott in seinem Schädel nicht gefunden hätte“. Friedrich oder Fritz war eigentlich in Berthold's Hause gar kein Tischlerlehrling; er war Laufbursche, Hausknecht, Köchin, Factotum; nur hier und da gab es eine Beschäftigung, die wie <TEI> <text> <front> <div type="preface" n="1"> <p><pb facs="#f0004" n="VI"/> Im Frühlinge des Jahres 1810 kam Wander das erste mal in die Schule des Ortes, welcher Cantor Langner vorstand. Die Schule, in die bereits Pestalozzi'sche Reformen Eingang gefunden hatten, gehörte zu den bessern des Kreises. Hier hatte der neue Jünger der Wissenschaft bald viel durch die Neckereien seiner Mitschüler zu leiden, da er allein von allen einen Zopf trug. Die Aeltern wollten es einmal so haben. Wander wehrte sich zwar mit allen Mitteln seiner erwachenden Logik gegen den Spott der Kameraden und half sich, geistig überlegen, in einzelnen Fällen trefflich gegen die Mehrheit; allein der Zopf war ihm, wie immer im Leben, auch selbst zuwider und deshalb bestürmte er die Mutter so lange, bis sie eines Tages „die Schere der Parze nahm“ und den Schulknaben den Anlass zu neuen Spöttereien abschnitt.</p><lb/> <p>Der Hülfslehrer Neumann fand, dass Wander nicht <hi rendition="#i">vorschriftsmässig</hi> schreibe; lag darin ein Fingerzeig, dass dieser einst wegen „schlechter Schreibereien“ bestraft werden würde? Wander meint so; glaubt er doch auch schon in der Jugend ein <hi rendition="#i">Wühler</hi> gewesen zu sein, da er im Garten das Heu, in der Scheuer das Stroh aufwühlte!</p><lb/> <p>Der lernbegierige Knabe besass ein gutes Gehör, aber musikalisch war es nicht. Das war ein Umstand, den er gern verborgen hätte und den er mit allem Fleisse zu beseitigen strebte. In ihm hatte sich nämlich längst die Lust zum Lehrberuf gerührt, da an der Schule junge Leute für das Lehramt vorbereitet wurden, und wenn es geheissen hätte, ihm fehle jedwedes musikalische Gehör, so hätte er in der damaligen Zeit kein Lehrer werden können. Er benutzte daher jede Singstunde gewissenhaft und brachte es durch beständige Uebung und mit Hülfe der Violine sogar so weit, dass er mit zum Chordienste beigezogen werden konnte und bei Begräbnissen mitsingen durfte. Es gab für ihn kein grösseres Gaudium, als nach Bärndorf, namentlich nach Oberbärndorf zu Grabe zu gehen. War der Weg verweht, gut; war er es aber nur theilweise, dann suchte er die Stellen auf, wo er es war. Unzähligemal sank er bis unter die Arme in die Windwehen und hatte Mühe, sich wieder herauszuarbeiten.</p><lb/> <p>Bei dem Absingen der Trauerlieder unterlegte der kleine Schelm bisweilen einen selbstgemachten Text; „aber dabei haben die Todten ebenso gut auf den fischbacher Friedhöfen geruht, als wäre dies nicht geschehen.“</p><lb/> <p>Eine seiner liebsten Passionen war das Werfen mit Steinen, wobei es ihm einmal bald übel ergangen wäre; er traf vom Friedhofe aus an eine der Kirchthurmglocken, die „erbaulich weiterklang“ und ihn dadurch zu schleunigster Flucht veranlasste.</p><lb/> <p>Wander hatte von seiner Mutter die Neigung zum Lesen geerbt. Alles Gedruckte, was ihm in die Hände kam, bis auf die Kaffee- und Zuckerdüten herab, wurde durchgesehen und geprüft. Sehr gern las er den „Berliner Bürgerfreund“ von Ludewig; am liebsten aber las und hörte er Anekdoten und ärgerte sich oft darüber, dass in Fischbach niemand Anekdoten erfinde. Einen ungewöhnlichen Eindruck machte auf ihn eine Erzählung unter dem Titel: „Die Insel Felsenburg.“ Er hielt sie durchaus für wahr und war nahe daran, die Insel aufzusuchen; allein niemand im Orte wusste, wo sie lag.</p><lb/> <p>So schwand bei Scherz und Frohsinn die Zeit, bis für Wander die Zeit der Confirmation (15. Mai 1817) herannahte. Den Confirmandenunterricht ertheilte Pastor Siegert, ein würdiger Geistlicher, an dem Wander mit einer unsteigerbaren Liebe und Verehrung hing, wie er selbst bekennt. Der Confirmationsschein enthielt den Spruch: „Die Welt vergeht mit ihrer Lust“ u. s. w. und wurde zum Grundstein für das Leben des Confirmirten.</p><lb/> <p>Ernstlicher als je trat nun an diesen die Frage der Berufswahl heran. Er wollte Lehrer werden; auch der Vater wollte es, ohne ihm jedoch die Mittel zu seiner Ausbildung für diesen Stand bieten zu können. Da rieth man Wander zum Tischlerhandwerk. Es war das Beste, weil das Bessere nicht zu erreichen war. Der Vater sorgte für einen Lehrmeister seines Sohnes und fand ihn in dem Tischler Berthold zu Warmbrunn, einem gebildeten Manne, dem Sohne eines Lehrers. Berthold hatte sich schon längst auf einen Lehrling Namens Fritz gefreut; nun hatte er ihn. Aber um so weniger freute sich Fritz! Das Tischlerleben kam ihm zu hölzern vor; unter Hobelspänen fühlte er sich nicht glücklich; ihm fehlte der <hi rendition="#i">Tischlersinn,</hi> „den selbst Gott in seinem Schädel nicht gefunden hätte“.</p><lb/> <p>Friedrich oder Fritz war eigentlich in Berthold's Hause gar kein Tischlerlehrling; er war Laufbursche, Hausknecht, Köchin, Factotum; nur hier und da gab es eine Beschäftigung, die wie </p> </div> </front> </text> </TEI> [VI/0004]
Im Frühlinge des Jahres 1810 kam Wander das erste mal in die Schule des Ortes, welcher Cantor Langner vorstand. Die Schule, in die bereits Pestalozzi'sche Reformen Eingang gefunden hatten, gehörte zu den bessern des Kreises. Hier hatte der neue Jünger der Wissenschaft bald viel durch die Neckereien seiner Mitschüler zu leiden, da er allein von allen einen Zopf trug. Die Aeltern wollten es einmal so haben. Wander wehrte sich zwar mit allen Mitteln seiner erwachenden Logik gegen den Spott der Kameraden und half sich, geistig überlegen, in einzelnen Fällen trefflich gegen die Mehrheit; allein der Zopf war ihm, wie immer im Leben, auch selbst zuwider und deshalb bestürmte er die Mutter so lange, bis sie eines Tages „die Schere der Parze nahm“ und den Schulknaben den Anlass zu neuen Spöttereien abschnitt.
Der Hülfslehrer Neumann fand, dass Wander nicht vorschriftsmässig schreibe; lag darin ein Fingerzeig, dass dieser einst wegen „schlechter Schreibereien“ bestraft werden würde? Wander meint so; glaubt er doch auch schon in der Jugend ein Wühler gewesen zu sein, da er im Garten das Heu, in der Scheuer das Stroh aufwühlte!
Der lernbegierige Knabe besass ein gutes Gehör, aber musikalisch war es nicht. Das war ein Umstand, den er gern verborgen hätte und den er mit allem Fleisse zu beseitigen strebte. In ihm hatte sich nämlich längst die Lust zum Lehrberuf gerührt, da an der Schule junge Leute für das Lehramt vorbereitet wurden, und wenn es geheissen hätte, ihm fehle jedwedes musikalische Gehör, so hätte er in der damaligen Zeit kein Lehrer werden können. Er benutzte daher jede Singstunde gewissenhaft und brachte es durch beständige Uebung und mit Hülfe der Violine sogar so weit, dass er mit zum Chordienste beigezogen werden konnte und bei Begräbnissen mitsingen durfte. Es gab für ihn kein grösseres Gaudium, als nach Bärndorf, namentlich nach Oberbärndorf zu Grabe zu gehen. War der Weg verweht, gut; war er es aber nur theilweise, dann suchte er die Stellen auf, wo er es war. Unzähligemal sank er bis unter die Arme in die Windwehen und hatte Mühe, sich wieder herauszuarbeiten.
Bei dem Absingen der Trauerlieder unterlegte der kleine Schelm bisweilen einen selbstgemachten Text; „aber dabei haben die Todten ebenso gut auf den fischbacher Friedhöfen geruht, als wäre dies nicht geschehen.“
Eine seiner liebsten Passionen war das Werfen mit Steinen, wobei es ihm einmal bald übel ergangen wäre; er traf vom Friedhofe aus an eine der Kirchthurmglocken, die „erbaulich weiterklang“ und ihn dadurch zu schleunigster Flucht veranlasste.
Wander hatte von seiner Mutter die Neigung zum Lesen geerbt. Alles Gedruckte, was ihm in die Hände kam, bis auf die Kaffee- und Zuckerdüten herab, wurde durchgesehen und geprüft. Sehr gern las er den „Berliner Bürgerfreund“ von Ludewig; am liebsten aber las und hörte er Anekdoten und ärgerte sich oft darüber, dass in Fischbach niemand Anekdoten erfinde. Einen ungewöhnlichen Eindruck machte auf ihn eine Erzählung unter dem Titel: „Die Insel Felsenburg.“ Er hielt sie durchaus für wahr und war nahe daran, die Insel aufzusuchen; allein niemand im Orte wusste, wo sie lag.
So schwand bei Scherz und Frohsinn die Zeit, bis für Wander die Zeit der Confirmation (15. Mai 1817) herannahte. Den Confirmandenunterricht ertheilte Pastor Siegert, ein würdiger Geistlicher, an dem Wander mit einer unsteigerbaren Liebe und Verehrung hing, wie er selbst bekennt. Der Confirmationsschein enthielt den Spruch: „Die Welt vergeht mit ihrer Lust“ u. s. w. und wurde zum Grundstein für das Leben des Confirmirten.
Ernstlicher als je trat nun an diesen die Frage der Berufswahl heran. Er wollte Lehrer werden; auch der Vater wollte es, ohne ihm jedoch die Mittel zu seiner Ausbildung für diesen Stand bieten zu können. Da rieth man Wander zum Tischlerhandwerk. Es war das Beste, weil das Bessere nicht zu erreichen war. Der Vater sorgte für einen Lehrmeister seines Sohnes und fand ihn in dem Tischler Berthold zu Warmbrunn, einem gebildeten Manne, dem Sohne eines Lehrers. Berthold hatte sich schon längst auf einen Lehrling Namens Fritz gefreut; nun hatte er ihn. Aber um so weniger freute sich Fritz! Das Tischlerleben kam ihm zu hölzern vor; unter Hobelspänen fühlte er sich nicht glücklich; ihm fehlte der Tischlersinn, „den selbst Gott in seinem Schädel nicht gefunden hätte“.
Friedrich oder Fritz war eigentlich in Berthold's Hause gar kein Tischlerlehrling; er war Laufbursche, Hausknecht, Köchin, Factotum; nur hier und da gab es eine Beschäftigung, die wie
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