Wanderley, Germano: Handbuch der Bauconstruktionslehre. 2. Aufl. Bd. 2. Die Constructionen in Stein. Leipzig, 1878.Zweites Kapitel. Die Gewölbe. bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, dessen Spitze im Kugel-mittelpunkt liegt; jeder Ring ist somit ein nach unten gerichteter Keil. Aus diesem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager- und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geschieht auch bei kleinen Kuppeln, während bei großen Durchmessern die keilförmige Zu- spitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird. Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geschieht nur bei [Abbildung]
Fig. 374. offen zu lassen und ringsum mit einem Ringe zu schließen. DerLetztere heißt "Nabel", der sowohl aus Werkstein, Ziegeln oder gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante einen Falz erhält (Fig. 374). Für die Fensteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be- Zweites Kapitel. Die Gewölbe. bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, deſſen Spitze im Kugel-mittelpunkt liegt; jeder Ring iſt ſomit ein nach unten gerichteter Keil. Aus dieſem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager- und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geſchieht auch bei kleinen Kuppeln, während bei großen Durchmeſſern die keilförmige Zu- ſpitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird. Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geſchieht nur bei [Abbildung]
Fig. 374. offen zu laſſen und ringsum mit einem Ringe zu ſchließen. DerLetztere heißt „Nabel“, der ſowohl aus Werkſtein, Ziegeln oder gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante einen Falz erhält (Fig. 374). Für die Fenſteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0372" n="356"/><fw place="top" type="header">Zweites Kapitel. Die Gewölbe.</fw><lb/> bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, deſſen Spitze im Kugel-<lb/> mittelpunkt liegt; jeder Ring iſt ſomit ein nach unten gerichteter Keil.<lb/> Aus dieſem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen<lb/> bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager-<lb/> und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geſchieht auch bei kleinen<lb/> Kuppeln, während bei großen Durchmeſſern die keilförmige Zu-<lb/> ſpitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird.</p><lb/> <p>Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geſchieht nur bei<lb/> kleinen Kuppeln, für größere Kuppeln benutzt man einen um die ver-<lb/> ticale Axe drehbaren Lehrbogen. Da der Schluß des Gewölbes faſt hori-<lb/> zontal zu liegen kommt, empfiehlt es ſich den oberen Gewölbetheil ganz<lb/><figure><head>Fig. 374.</head></figure><lb/> offen zu laſſen und ringsum mit einem Ringe zu ſchließen. Der<lb/> Letztere heißt „<hi rendition="#g">Nabel</hi>“, der ſowohl aus Werkſtein, Ziegeln oder<lb/> gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante<lb/> einen Falz erhält (Fig. 374).</p><lb/> <p>Für die Fenſteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be-<lb/> liebig gebogene Stichkappen; auch können Durchdringungen von meiſt<lb/> kleineren Tonnen- und Kegelgewölben vorkommen, und laſſen ſich<lb/> die Schnittlinien am Intrados mit Hilfe der darſtellenden Geometrie<lb/> leicht beſtimmen Ein einfaches und daher beachtenswerthes Beiſpiel<lb/> führen wir in Fig. 375 und 376 vor; es iſt das Kugelgewölbe über<lb/> dem Veſtibul des ſtädtiſchen Bades zu Karlsruhe (ſehr intereſſante An-<lb/> lage, entworfen vom Architecten Durm). Die Rotunde hat einen Durch-<lb/> meſſer von 11,4<hi rendition="#aq"><hi rendition="#sup">m</hi>;</hi> bis zu dem Gewölbe iſt die Rotunde äußerlich<lb/> quadratiſch, dagegen in der Höhe des Gewölbewiderlagers beginnt<lb/> die Kreisform, wie der Grundriß (Fig. 376) erſichtlich macht. Das<lb/> Gewölbeauflager beſteht aus großen, miteinander verdübelten Werk-<lb/> ſteinen. Auch die äußere, in einfachen und eleganten Verhältniſſen<lb/> componirte Pilaſter-Architektur, in welcher Fenſter und Niſchen mit-<lb/> einander abwechſeln, ſetzt ſich aus Werkſteinen zuſammen. Die Con-<lb/> ſtruktion dieſer vorgeblendeten Schnittſteinwand iſt in den Zeichnungen<lb/> genau wiedergegeben. Die Gewölbeſtärke beträgt unten <hi rendition="#aq">l</hi> Stein,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [356/0372]
Zweites Kapitel. Die Gewölbe.
bildet jeder Ring ein Stück eines Kegels, deſſen Spitze im Kugel-
mittelpunkt liegt; jeder Ring iſt ſomit ein nach unten gerichteter Keil.
Aus dieſem Grunde kann das Kugelgewölbe in beliebiger Höhe offen
bleiben. Strenge genommen muß man jeden Stein an den Lager-
und Stoßflächen keilig bearbeiten; dies geſchieht auch bei kleinen
Kuppeln, während bei großen Durchmeſſern die keilförmige Zu-
ſpitzung bereits durch die Mörtelfuge ausgeglichen wird.
Die Einwölbung nach der Latte oder Schnur geſchieht nur bei
kleinen Kuppeln, für größere Kuppeln benutzt man einen um die ver-
ticale Axe drehbaren Lehrbogen. Da der Schluß des Gewölbes faſt hori-
zontal zu liegen kommt, empfiehlt es ſich den oberen Gewölbetheil ganz
[Abbildung Fig. 374.]
offen zu laſſen und ringsum mit einem Ringe zu ſchließen. Der
Letztere heißt „Nabel“, der ſowohl aus Werkſtein, Ziegeln oder
gutem Eichenholze gefertigt werden kann und an der unteren Kante
einen Falz erhält (Fig. 374).
Für die Fenſteröffnungen in den Kugelgewölben benutzt man be-
liebig gebogene Stichkappen; auch können Durchdringungen von meiſt
kleineren Tonnen- und Kegelgewölben vorkommen, und laſſen ſich
die Schnittlinien am Intrados mit Hilfe der darſtellenden Geometrie
leicht beſtimmen Ein einfaches und daher beachtenswerthes Beiſpiel
führen wir in Fig. 375 und 376 vor; es iſt das Kugelgewölbe über
dem Veſtibul des ſtädtiſchen Bades zu Karlsruhe (ſehr intereſſante An-
lage, entworfen vom Architecten Durm). Die Rotunde hat einen Durch-
meſſer von 11,4m; bis zu dem Gewölbe iſt die Rotunde äußerlich
quadratiſch, dagegen in der Höhe des Gewölbewiderlagers beginnt
die Kreisform, wie der Grundriß (Fig. 376) erſichtlich macht. Das
Gewölbeauflager beſteht aus großen, miteinander verdübelten Werk-
ſteinen. Auch die äußere, in einfachen und eleganten Verhältniſſen
componirte Pilaſter-Architektur, in welcher Fenſter und Niſchen mit-
einander abwechſeln, ſetzt ſich aus Werkſteinen zuſammen. Die Con-
ſtruktion dieſer vorgeblendeten Schnittſteinwand iſt in den Zeichnungen
genau wiedergegeben. Die Gewölbeſtärke beträgt unten l Stein,
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