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Sigismundus Freyberger [i. e. Wartmann, Sigismund Friedrich]: Germania Pertubata et Restaurata: Das ist [...] Theologo-Historica Politische Discursus, Vom Zustand deß gantzen Römischen Reichs. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1650.

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ET RESTAVR. DISCVRS. XXIX.
Weib/ oder Tochter zu Vnehren gebrauchen/ sol man noch sagen/
grossen Danck/ gnädiger Herr. Dann/ wo wil man sie verklagen?
Was aber für grosses Vnheil auß Geylheit vnd Vnzucht entste-
he/ könte der König David erzehlen/ da seine Kinder ein ander deß-
wegen ermordet/ vnd jhn selbst von dem Königlichen Thron ver-
stossen.

Das Exempel von dem Trojanischen Krieg ist alt/ wie auch
von dem letzten König Tarquinio zu Rom/ vnd dann von der Sa-
racenen Einfall in Spanien. Dann was die Menschen nicht rich-
ten wollen/ oder können/ das richtet Gott/ für welchem kein Anse-
hen der Person/ oder Königlichen Wunrden ist. Aber hiebey wider-
umb zubencken/ warumb Julius vnd Clemens vber diese Ehe mit
deß verstorbenen Bruders Wittib/ widerwertiges Vrtheil gespro-
chen? Vnd hatte schier das Ansehen/ als hätte Raison d' Estat, bey
dem Römischen Stul hie vnd dort golten; wil nicht sagen: Daß
Julius vnter dem Gedöß seiner Kriegswaffen/ auff alles vnd jedes
so eben nicht sehen können/ wie Marius der Römer sagte: Als er wi-
der die gemeine Stattordnung etwas gehandelt/ vnd das Burger-
recht zur Vnzeit etlichen Völckern geben. Doch sagt Moses im
Gesetz: Du solt deines Weibs Schwester nicht nehmen/ bey jhrem
Leben/ oder sie zubeschämen vnd zuverstossen: Auch war es sonsten
gebotten/ daß der vberlebende Bruder deß Verstorbenen Wittib
nahm/ vnd seinem Bruder Saamen erweckte: Gleich wie in dem
Königreich Polen annoch geschicht. Also möchte wol Julius
noch recht gevrtheilet/ vnnd Clemens den Fehler begangen haben:
Vnd zwar/ wann man durch den Anfang von der Sach sprechen
soll. Dann da etwan der Nachlaß/ oder Dispensation in Ehesa-
chen dem Römischen Stul Freunde gemacht/ vnd Gelt gebracht/
also geschahe hie das Widrige/ daß nämlich/ der König abfiel/ vnd
alle geistliche Jntraden für sich/ vnd seine eygene Clerisey behielte.
Also wird auß dem besten Wein der schärpffeste Essig/ vnd auß
dem zartesten Fleisch/ das stinckenste Aaß. Also thut der Mensch
jederweilen wider sich selbst/ weil er deß künfftigen keine Wissen-

schafft
Yy

ET RESTAVR. DISCVRS. XXIX.
Weib/ oder Tochter zu Vnehren gebrauchen/ ſol man noch ſagen/
groſſen Danck/ gnaͤdiger Herꝛ. Dann/ wo wil man ſie verklagen?
Was aber fuͤr groſſes Vnheil auß Geylheit vnd Vnzucht entſte-
he/ koͤnte der Koͤnig David erzehlen/ da ſeine Kinder ein ander deß-
wegen ermordet/ vnd jhn ſelbſt von dem Koͤniglichen Thron ver-
ſtoſſen.

Das Exempel von dem Trojaniſchen Krieg iſt alt/ wie auch
von dem letzten Koͤnig Tarquinio zu Rom/ vnd dann von der Sa-
racenen Einfall in Spanien. Dann was die Menſchen nicht rich-
ten wollen/ oder koͤnnen/ das richtet Gott/ fuͤr welchem kein Anſe-
hen der Perſon/ oder Koͤniglichen Wũrden iſt. Aber hiebey wider-
umb zubencken/ warumb Julius vnd Clemens vber dieſe Ehe mit
deß verſtorbenen Bruders Wittib/ widerwertiges Vrtheil geſpro-
chen? Vnd hatte ſchier das Anſehen/ als haͤtte Raiſon d’ Eſtat, bey
dem Roͤmiſchen Stul hie vnd dort golten; wil nicht ſagen: Daß
Julius vnter dem Gedoͤß ſeiner Kriegswaffen/ auff alles vnd jedes
ſo eben nicht ſehen koͤnnen/ wie Marius der Roͤmer ſagte: Als er wi-
der die gemeine Stattordnung etwas gehandelt/ vnd das Burger-
recht zur Vnzeit etlichen Voͤlckern geben. Doch ſagt Moſes im
Geſetz: Du ſolt deines Weibs Schweſter nicht nehmen/ bey jhrem
Leben/ oder ſie zubeſchaͤmen vnd zuverſtoſſen: Auch war es ſonſten
gebotten/ daß der vberlebende Bruder deß Verſtorbenen Wittib
nahm/ vnd ſeinem Bruder Saamen erweckte: Gleich wie in dem
Koͤnigreich Polen annoch geſchicht. Alſo moͤchte wol Julius
noch recht gevrtheilet/ vnnd Clemens den Fehler begangen haben:
Vnd zwar/ wann man durch den Anfang von der Sach ſprechen
ſoll. Dann da etwan der Nachlaß/ oder Diſpenſation in Eheſa-
chen dem Roͤmiſchen Stul Freunde gemacht/ vnd Gelt gebracht/
alſo geſchahe hie das Widrige/ daß naͤmlich/ der Koͤnig abfiel/ vnd
alle geiſtliche Jntraden fuͤr ſich/ vnd ſeine eygene Cleriſey behielte.
Alſo wird auß dem beſten Wein der ſchaͤrpffeſte Eſſig/ vnd auß
dem zarteſten Fleiſch/ das ſtinckenſte Aaß. Alſo thut der Menſch
jederweilen wider ſich ſelbſt/ weil er deß kuͤnfftigen keine Wiſſen-

ſchafft
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[353/0361] ET RESTAVR. DISCVRS. XXIX. Weib/ oder Tochter zu Vnehren gebrauchen/ ſol man noch ſagen/ groſſen Danck/ gnaͤdiger Herꝛ. Dann/ wo wil man ſie verklagen? Was aber fuͤr groſſes Vnheil auß Geylheit vnd Vnzucht entſte- he/ koͤnte der Koͤnig David erzehlen/ da ſeine Kinder ein ander deß- wegen ermordet/ vnd jhn ſelbſt von dem Koͤniglichen Thron ver- ſtoſſen. Das Exempel von dem Trojaniſchen Krieg iſt alt/ wie auch von dem letzten Koͤnig Tarquinio zu Rom/ vnd dann von der Sa- racenen Einfall in Spanien. Dann was die Menſchen nicht rich- ten wollen/ oder koͤnnen/ das richtet Gott/ fuͤr welchem kein Anſe- hen der Perſon/ oder Koͤniglichen Wũrden iſt. Aber hiebey wider- umb zubencken/ warumb Julius vnd Clemens vber dieſe Ehe mit deß verſtorbenen Bruders Wittib/ widerwertiges Vrtheil geſpro- chen? Vnd hatte ſchier das Anſehen/ als haͤtte Raiſon d’ Eſtat, bey dem Roͤmiſchen Stul hie vnd dort golten; wil nicht ſagen: Daß Julius vnter dem Gedoͤß ſeiner Kriegswaffen/ auff alles vnd jedes ſo eben nicht ſehen koͤnnen/ wie Marius der Roͤmer ſagte: Als er wi- der die gemeine Stattordnung etwas gehandelt/ vnd das Burger- recht zur Vnzeit etlichen Voͤlckern geben. Doch ſagt Moſes im Geſetz: Du ſolt deines Weibs Schweſter nicht nehmen/ bey jhrem Leben/ oder ſie zubeſchaͤmen vnd zuverſtoſſen: Auch war es ſonſten gebotten/ daß der vberlebende Bruder deß Verſtorbenen Wittib nahm/ vnd ſeinem Bruder Saamen erweckte: Gleich wie in dem Koͤnigreich Polen annoch geſchicht. Alſo moͤchte wol Julius noch recht gevrtheilet/ vnnd Clemens den Fehler begangen haben: Vnd zwar/ wann man durch den Anfang von der Sach ſprechen ſoll. Dann da etwan der Nachlaß/ oder Diſpenſation in Eheſa- chen dem Roͤmiſchen Stul Freunde gemacht/ vnd Gelt gebracht/ alſo geſchahe hie das Widrige/ daß naͤmlich/ der Koͤnig abfiel/ vnd alle geiſtliche Jntraden fuͤr ſich/ vnd ſeine eygene Cleriſey behielte. Alſo wird auß dem beſten Wein der ſchaͤrpffeſte Eſſig/ vnd auß dem zarteſten Fleiſch/ das ſtinckenſte Aaß. Alſo thut der Menſch jederweilen wider ſich ſelbſt/ weil er deß kuͤnfftigen keine Wiſſen- ſchafft Yy

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Zitationshilfe: Sigismundus Freyberger [i. e. Wartmann, Sigismund Friedrich]: Germania Pertubata et Restaurata: Das ist [...] Theologo-Historica Politische Discursus, Vom Zustand deß gantzen Römischen Reichs. Bd. 1. Frankfurt (Main), 1650, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wartmann_germania01_1650/361>, abgerufen am 23.11.2024.