Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.Die Parteigefolgschaft, vor allem der Parteibeamte und Jn sehr verschiedenem Maß und in stetem latenten Kampf 3*
Die Parteigefolgſchaft, vor allem der Parteibeamte und Jn ſehr verſchiedenem Maß und in ſtetem latenten Kampf 3*
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p> <pb facs="#f0035" n="35"/> </p> <p>Die Parteigefolgſchaft, vor allem der Parteibeamte und<lb/> -unternehmer, erwarten vom Siege ihres Führers ſelbſtver-<lb/> ſtändlich perſönlichen Entgelt: Ämter oder andere Vorteile.<lb/> Von ihm – nicht oder doch nicht nur von den einzelnen Par-<lb/> lamentariern: das iſt das Entſcheidende. Sie erwarten vor<lb/> allem: daß die demagogiſche Wirkung der Führer<hi rendition="#g">perſön-<lb/> lichkeit</hi> im Wahlkampf der Partei Stimmen und Mandate,<lb/> damit Macht zuführen und dadurch jene Chancen ihrer An-<lb/> hänger, für ſich den erhofften Entgelt zu finden, möglichſt aus-<lb/> weiten werde. Und ideell iſt die Genugtuung, für einen<lb/> Menſchen in gläubiger perſönlicher Hingabe und nicht nur<lb/> für ein abſtraktes Programm einer aus Mittelmäßigkeiten be-<lb/> ſtehenden Partei zu arbeiten: – dies „charismatiſche“ Element<lb/> allen Führertums, – eine der Triebfedern.</p><lb/> <p>Jn ſehr verſchiedenem Maß und in ſtetem latenten Kampf<lb/> mit den um ihren Einfluß ringenden örtlichen Honoratioren<lb/> und den Parlamentariern rang ſich dieſe Form durch. Jn<lb/> den bürgerlichen Parteien zuerſt in den Vereinigten Staaten,<lb/> dann in der ſozialdemokratiſchen Partei vor allem Deutſch-<lb/> lands. Stete Rückſchläge treten ein, ſobald einmal kein all-<lb/> gemein anerkannter Führer da iſt, und Konzeſſionen aller Art<lb/> müſſen, auch wenn er da iſt, der Eitelkeit und Jntereſſiertheit<lb/> der Parteihonoratioren gemacht werden. Vor allem aber<lb/> kann auch die Maſchine unter die Herrſchaft der Partei-<lb/><hi rendition="#g">beamten</hi> geraten, in deren Händen die regelmäßige Arbeit<lb/> liegt. Nach Anſicht mancher ſozialdemokratiſcher Kreiſe ſei<lb/> ihre Partei dieſer „Bureaukratiſierung“ verfallen geweſen.<lb/> Jndeſſen „Beamte“ fügen ſich einer demagogiſch ſtark wirken-<lb/> den Führerperſönlichkeit relativ leicht: ihre materiellen und<lb/> ideellen Jntereſſen ſind ja intim mit der durch ihn erhofften<lb/> Auswirkung der Parteimacht verknüpft, und die Arbeit für<lb/> einen Führer iſt an ſich innerlich befriedigender. Weit ſchwerer<lb/> iſt der Aufſtieg von Führern da, wo – wie in den bürger-<lb/> lichen Parteien meiſt – neben den Beamten die „Honora-<lb/> tioren“ den Einfluß auf die Partei in Händen haben. Denn<lb/> dieſe „machen“ <hi rendition="#g">ideell</hi> „ihr Leben“ aus dem Vorſtands- oder<lb/> Ausſchußmitgliedspöſtchen, das ſie innehaben. Reſſentiment<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#right">3*</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0035]
Die Parteigefolgſchaft, vor allem der Parteibeamte und
-unternehmer, erwarten vom Siege ihres Führers ſelbſtver-
ſtändlich perſönlichen Entgelt: Ämter oder andere Vorteile.
Von ihm – nicht oder doch nicht nur von den einzelnen Par-
lamentariern: das iſt das Entſcheidende. Sie erwarten vor
allem: daß die demagogiſche Wirkung der Führerperſön-
lichkeit im Wahlkampf der Partei Stimmen und Mandate,
damit Macht zuführen und dadurch jene Chancen ihrer An-
hänger, für ſich den erhofften Entgelt zu finden, möglichſt aus-
weiten werde. Und ideell iſt die Genugtuung, für einen
Menſchen in gläubiger perſönlicher Hingabe und nicht nur
für ein abſtraktes Programm einer aus Mittelmäßigkeiten be-
ſtehenden Partei zu arbeiten: – dies „charismatiſche“ Element
allen Führertums, – eine der Triebfedern.
Jn ſehr verſchiedenem Maß und in ſtetem latenten Kampf
mit den um ihren Einfluß ringenden örtlichen Honoratioren
und den Parlamentariern rang ſich dieſe Form durch. Jn
den bürgerlichen Parteien zuerſt in den Vereinigten Staaten,
dann in der ſozialdemokratiſchen Partei vor allem Deutſch-
lands. Stete Rückſchläge treten ein, ſobald einmal kein all-
gemein anerkannter Führer da iſt, und Konzeſſionen aller Art
müſſen, auch wenn er da iſt, der Eitelkeit und Jntereſſiertheit
der Parteihonoratioren gemacht werden. Vor allem aber
kann auch die Maſchine unter die Herrſchaft der Partei-
beamten geraten, in deren Händen die regelmäßige Arbeit
liegt. Nach Anſicht mancher ſozialdemokratiſcher Kreiſe ſei
ihre Partei dieſer „Bureaukratiſierung“ verfallen geweſen.
Jndeſſen „Beamte“ fügen ſich einer demagogiſch ſtark wirken-
den Führerperſönlichkeit relativ leicht: ihre materiellen und
ideellen Jntereſſen ſind ja intim mit der durch ihn erhofften
Auswirkung der Parteimacht verknüpft, und die Arbeit für
einen Führer iſt an ſich innerlich befriedigender. Weit ſchwerer
iſt der Aufſtieg von Führern da, wo – wie in den bürger-
lichen Parteien meiſt – neben den Beamten die „Honora-
tioren“ den Einfluß auf die Partei in Händen haben. Denn
dieſe „machen“ ideell „ihr Leben“ aus dem Vorſtands- oder
Ausſchußmitgliedspöſtchen, das ſie innehaben. Reſſentiment
3*
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription.Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Bogensignaturen: übernommen; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): transkribiert; Normalisierungen: dokumentiert; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |