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Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919.

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Staat soziologisch letztlich nur definieren aus einem spezifischen
Mittel, das ihm, wie jedem politischen Verband, eignet: der
physischen Gewaltsamkeit. "Jeder Staat wird auf Gewalt ge-
gründet," sagte seinerzeit Trozkij in Brest-Litowsk. Das ist in
der Tat richtig. Wenn nur soziale Gebilde beständen, denen
die Gewaltsamkeit als Mittel unbekannt wäre, dann würde der
Begriff "Staat" fortgefallen sein, dann wäre eingetreten, was
man in diesem besonderen Sinne des Wortes als "Anarchie"
bezeichnen würde. Gewaltsamkeit ist natürlich nicht etwa das
normale oder einzige Mittel des Staates: - davon ist keine
Rede -, wohl aber: das ihm spezifische. Gerade heute ist
die Beziehung des Staates zur Gewaltsamkeit besonders intim.
Jn der Vergangenheit haben die verschiedensten Verbände
- von der Sippe angefangen - physische Gewaltsamkeit als
ganz normales Mittel gekannt. Heute dagegen werden wir
sagen müssen: Staat ist diejenige menschliche Gemeinschaft,
welche innerhalb eines bestimmten Gebietes - dies: das "Ge-
biet", gehört zum Merkmal - das Monopol legitimer
physischer Gewaltsamkeit
für sich (mit Erfolg) be-
ansprucht. Denn das der Gegenwart Spezifische ist: daß
man allen anderen Verbänden oder Einzelpersonen das Recht
zur physischen Gewaltsamkeit nur so weit zuschreibt, als der
Staat sie von ihrer Seite zuläßt: er gilt als alleinige Quelle
des "Rechts" auf Gewaltsamkeit. "Politik" würde für uns
also heißen: Streben nach Machtanteil oder nach Beeinflussung
der Machtverteilung, sei es zwischen Staaten, sei es innerhalb
eines Staates zwischen den Menschengruppen, die er umschließt.

Jeder Herrschaftsbetrieb, welcher kontinuierliche Verwaltung
erheischt, braucht einerseits die Einstellung menschlichen Handelns
auf den Gehorsam gegenüber jenen Herren, welche Träger
der legitimen Gewalt zu sein beanspruchen, und andrerseits, ver-
mittelst dieses Gehorsams, die Verfügung über diejenigen
Sachgüter, welche gegebenenfalls zur Durchführung der phy-
sischen Gewaltanwendung erforderlich sind: den personalen Ver-
waltungsstab und die sachlichen Verwaltungsmittel.

Das entspricht im wesentlichen ja auch dem Sprachgebrauch.
Wenn man von einer Frage sagt: sie sei eine "politische"

Staat ſoziologiſch letztlich nur definieren aus einem ſpezifiſchen
Mittel, das ihm, wie jedem politiſchen Verband, eignet: der
phyſiſchen Gewaltſamkeit. „Jeder Staat wird auf Gewalt ge-
gründet,“ ſagte ſeinerzeit Trozkij in Breſt-Litowſk. Das iſt in
der Tat richtig. Wenn nur ſoziale Gebilde beſtänden, denen
die Gewaltſamkeit als Mittel unbekannt wäre, dann würde der
Begriff „Staat“ fortgefallen ſein, dann wäre eingetreten, was
man in dieſem beſonderen Sinne des Wortes als „Anarchie“
bezeichnen würde. Gewaltſamkeit iſt natürlich nicht etwa das
normale oder einzige Mittel des Staates: – davon iſt keine
Rede –, wohl aber: das ihm ſpezifiſche. Gerade heute iſt
die Beziehung des Staates zur Gewaltſamkeit beſonders intim.
Jn der Vergangenheit haben die verſchiedenſten Verbände
– von der Sippe angefangen – phyſiſche Gewaltſamkeit als
ganz normales Mittel gekannt. Heute dagegen werden wir
ſagen müſſen: Staat iſt diejenige menſchliche Gemeinſchaft,
welche innerhalb eines beſtimmten Gebietes – dies: das „Ge-
biet“, gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer
phyſiſcher Gewaltſamkeit
für ſich (mit Erfolg) be-
anſprucht. Denn das der Gegenwart Spezifiſche iſt: daß
man allen anderen Verbänden oder Einzelperſonen das Recht
zur phyſiſchen Gewaltſamkeit nur ſo weit zuſchreibt, als der
Staat ſie von ihrer Seite zuläßt: er gilt als alleinige Quelle
des „Rechts“ auf Gewaltſamkeit. „Politik“ würde für uns
alſo heißen: Streben nach Machtanteil oder nach Beeinfluſſung
der Machtverteilung, ſei es zwiſchen Staaten, ſei es innerhalb
eines Staates zwiſchen den Menſchengruppen, die er umſchließt.

Jeder Herrſchaftsbetrieb, welcher kontinuierliche Verwaltung
erheiſcht, braucht einerſeits die Einſtellung menſchlichen Handelns
auf den Gehorſam gegenüber jenen Herren, welche Träger
der legitimen Gewalt zu ſein beanſpruchen, und andrerſeits, ver-
mittelſt dieſes Gehorſams, die Verfügung über diejenigen
Sachgüter, welche gegebenenfalls zur Durchführung der phy-
ſiſchen Gewaltanwendung erforderlich ſind: den perſonalen Ver-
waltungsſtab und die ſachlichen Verwaltungsmittel.

Das entſpricht im weſentlichen ja auch dem Sprachgebrauch.
Wenn man von einer Frage ſagt: ſie ſei eine „politiſche“

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[4/0004] Staat ſoziologiſch letztlich nur definieren aus einem ſpezifiſchen Mittel, das ihm, wie jedem politiſchen Verband, eignet: der phyſiſchen Gewaltſamkeit. „Jeder Staat wird auf Gewalt ge- gründet,“ ſagte ſeinerzeit Trozkij in Breſt-Litowſk. Das iſt in der Tat richtig. Wenn nur ſoziale Gebilde beſtänden, denen die Gewaltſamkeit als Mittel unbekannt wäre, dann würde der Begriff „Staat“ fortgefallen ſein, dann wäre eingetreten, was man in dieſem beſonderen Sinne des Wortes als „Anarchie“ bezeichnen würde. Gewaltſamkeit iſt natürlich nicht etwa das normale oder einzige Mittel des Staates: – davon iſt keine Rede –, wohl aber: das ihm ſpezifiſche. Gerade heute iſt die Beziehung des Staates zur Gewaltſamkeit beſonders intim. Jn der Vergangenheit haben die verſchiedenſten Verbände – von der Sippe angefangen – phyſiſche Gewaltſamkeit als ganz normales Mittel gekannt. Heute dagegen werden wir ſagen müſſen: Staat iſt diejenige menſchliche Gemeinſchaft, welche innerhalb eines beſtimmten Gebietes – dies: das „Ge- biet“, gehört zum Merkmal – das Monopol legitimer phyſiſcher Gewaltſamkeit für ſich (mit Erfolg) be- anſprucht. Denn das der Gegenwart Spezifiſche iſt: daß man allen anderen Verbänden oder Einzelperſonen das Recht zur phyſiſchen Gewaltſamkeit nur ſo weit zuſchreibt, als der Staat ſie von ihrer Seite zuläßt: er gilt als alleinige Quelle des „Rechts“ auf Gewaltſamkeit. „Politik“ würde für uns alſo heißen: Streben nach Machtanteil oder nach Beeinfluſſung der Machtverteilung, ſei es zwiſchen Staaten, ſei es innerhalb eines Staates zwiſchen den Menſchengruppen, die er umſchließt. Jeder Herrſchaftsbetrieb, welcher kontinuierliche Verwaltung erheiſcht, braucht einerſeits die Einſtellung menſchlichen Handelns auf den Gehorſam gegenüber jenen Herren, welche Träger der legitimen Gewalt zu ſein beanſpruchen, und andrerſeits, ver- mittelſt dieſes Gehorſams, die Verfügung über diejenigen Sachgüter, welche gegebenenfalls zur Durchführung der phy- ſiſchen Gewaltanwendung erforderlich ſind: den perſonalen Ver- waltungsſtab und die ſachlichen Verwaltungsmittel. Das entſpricht im weſentlichen ja auch dem Sprachgebrauch. Wenn man von einer Frage ſagt: ſie ſei eine „politiſche“

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Zitationshilfe: Weber, Max: Politik als Beruf. In: Geistige Arbeit als Beruf. Vier Vorträge vor dem Freistudentischen Bund. Zweiter Vortrag. München, 1919, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weber_politik_1919/4>, abgerufen am 21.11.2024.