Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895. Schön. Bei deiner Herkunft ist es ein Glück sonder- gleichen für dich, daß du noch Gelegenheit hast, vor anständigen Leuten aufzutreten. Lulu. Auch wenn sie über meiner Schamlosigkeit nicht wissen, wohinsehen. Schön. Albernes Geschwätz! -- Schamlosigkeit? -- Mach' aus der Tugend keine Not! -- Deine Schamlosigkeit ist das, was man dir für jeden Schritt mit Gold aufwiegt. -- Gebärde dich so schamlos, daß die Wände rot werden, aber kümmere dich nicht darum, wofür man dich hält! -- Der Eine schreit Bravo, der Andere schreit Pfui -- das heißt für dich das Gleiche! -- Kannst du dir einen glänzenderen Triumph wünschen, als wenn sich ein anständiges Mädchen kaum in der Loge zurückhalten läßt?! Lulu. Dann will ich alles daransetzen, so verab- scheuenswürdig wie möglich zu sein! Schön. Hat dein Leben denn ein anderes Ziel?! -- So lang du noch einen Funken Achtung vor dir Schön. Bei deiner Herkunft iſt es ein Glück ſonder- gleichen für dich, daß du noch Gelegenheit haſt, vor anſtändigen Leuten aufzutreten. Lulu. Auch wenn ſie über meiner Schamloſigkeit nicht wiſſen, wohinſehen. Schön. Albernes Geſchwätz! — Schamloſigkeit? — Mach’ aus der Tugend keine Not! — Deine Schamloſigkeit iſt das, was man dir für jeden Schritt mit Gold aufwiegt. — Gebärde dich ſo ſchamlos, daß die Wände rot werden, aber kümmere dich nicht darum, wofür man dich hält! — Der Eine ſchreit Bravo, der Andere ſchreit Pfui — das heißt für dich das Gleiche! — Kannſt du dir einen glänzenderen Triumph wünſchen, als wenn ſich ein anſtändiges Mädchen kaum in der Loge zurückhalten läßt?! Lulu. Dann will ich alles daranſetzen, ſo verab- ſcheuenswürdig wie möglich zu ſein! Schön. Hat dein Leben denn ein anderes Ziel?! — So lang du noch einen Funken Achtung vor dir <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0161" n="155"/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#b">Schön.</hi> </speaker><lb/> <p>Bei deiner Herkunft iſt es ein Glück ſonder-<lb/> gleichen für dich, daß du noch Gelegenheit haſt, vor<lb/> anſtändigen Leuten aufzutreten.</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Auch wenn ſie über meiner Schamloſigkeit<lb/> nicht wiſſen, wohinſehen.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#b">Schön.</hi> </speaker><lb/> <p>Albernes Geſchwätz! — Schamloſigkeit? —<lb/> Mach’ aus der Tugend keine Not! — Deine<lb/> Schamloſigkeit iſt das, was man dir für jeden<lb/> Schritt mit Gold aufwiegt. — Gebärde dich ſo<lb/> ſchamlos, daß die Wände rot werden, aber kümmere<lb/> dich nicht darum, wofür man dich hält! — Der<lb/> Eine ſchreit Bravo, der Andere ſchreit Pfui — das<lb/> heißt für dich das Gleiche! — Kannſt du dir einen<lb/> glänzenderen Triumph wünſchen, als wenn ſich ein<lb/> anſtändiges Mädchen kaum in der Loge zurückhalten<lb/> läßt?!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Dann will ich alles daranſetzen, ſo verab-<lb/> ſcheuenswürdig wie möglich zu ſein!</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#b">Schön.</hi> </speaker><lb/> <p>Hat dein Leben denn ein anderes Ziel?! —<lb/> So lang du noch einen Funken Achtung vor dir<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [155/0161]
Schön.
Bei deiner Herkunft iſt es ein Glück ſonder-
gleichen für dich, daß du noch Gelegenheit haſt, vor
anſtändigen Leuten aufzutreten.
Lulu.
Auch wenn ſie über meiner Schamloſigkeit
nicht wiſſen, wohinſehen.
Schön.
Albernes Geſchwätz! — Schamloſigkeit? —
Mach’ aus der Tugend keine Not! — Deine
Schamloſigkeit iſt das, was man dir für jeden
Schritt mit Gold aufwiegt. — Gebärde dich ſo
ſchamlos, daß die Wände rot werden, aber kümmere
dich nicht darum, wofür man dich hält! — Der
Eine ſchreit Bravo, der Andere ſchreit Pfui — das
heißt für dich das Gleiche! — Kannſt du dir einen
glänzenderen Triumph wünſchen, als wenn ſich ein
anſtändiges Mädchen kaum in der Loge zurückhalten
läßt?!
Lulu.
Dann will ich alles daranſetzen, ſo verab-
ſcheuenswürdig wie möglich zu ſein!
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