Wedekind, Frank: Erdgeist. Paris; Leipzig, 1895. Lulu. Wie Ihnen beliebt. Schön. Ich habe dich verheiratet. Ich habe dich zwei- mal verheiratet. Du lebst im Luxus. Ich habe deinem Mann eine Position geschaffen. Wenn dir das nicht genügt und er sich dazu ins Fäustchen lacht, ich trage mich nicht mit idealen Forderungen. Aber laß mich dabei aus dem Spiel! Lulu. Wenn ich einem Menschen auf dieser Welt an- gehöre, gehöre ich Ihnen. Ohne Sie wäre ich -- ich will nicht sagen wo. Sie haben mich bei der Hand genommen, mir zu essen gegeben, mich kleiden lassen, als ich Ihnen die Uhr stehlen wollte. Glauben Sie, das vergißt sich? Jeder andere hätte den Schutzmann gerufen. Sie haben mich zur Schule geschickt und mich Lebensart lernen lassen. Was sind mir die Kinderseelen! Ich lasse mich auf ihre Albernheiten ein, weil das meine Pflicht ist. Wer außer Ihnen auf der weiten Welt hat je etwas für mich übrig gehabt? Ich habe getanzt und Modell gestanden und war selber froh, mich für meinen Lebensunterhalt quittiren zu können. Aber auf Kommando lieben, das kann ich nicht. Lulu. Wie Ihnen beliebt. Schön. Ich habe dich verheiratet. Ich habe dich zwei- mal verheiratet. Du lebſt im Luxus. Ich habe deinem Mann eine Poſition geſchaffen. Wenn dir das nicht genügt und er ſich dazu ins Fäuſtchen lacht, ich trage mich nicht mit idealen Forderungen. Aber laß mich dabei aus dem Spiel! Lulu. Wenn ich einem Menſchen auf dieſer Welt an- gehöre, gehöre ich Ihnen. Ohne Sie wäre ich — ich will nicht ſagen wo. Sie haben mich bei der Hand genommen, mir zu eſſen gegeben, mich kleiden laſſen, als ich Ihnen die Uhr ſtehlen wollte. Glauben Sie, das vergißt ſich? Jeder andere hätte den Schutzmann gerufen. Sie haben mich zur Schule geſchickt und mich Lebensart lernen laſſen. Was ſind mir die Kinderſeelen! Ich laſſe mich auf ihre Albernheiten ein, weil das meine Pflicht iſt. Wer außer Ihnen auf der weiten Welt hat je etwas für mich übrig gehabt? Ich habe getanzt und Modell geſtanden und war ſelber froh, mich für meinen Lebensunterhalt quittiren zu können. Aber auf Kommando lieben, das kann ich nicht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0097" n="91"/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Wie Ihnen beliebt.</p> </sp><lb/> <sp who="#SCH"> <speaker> <hi rendition="#b">Schön.</hi> </speaker><lb/> <p>Ich habe dich verheiratet. Ich habe dich zwei-<lb/> mal verheiratet. Du lebſt im Luxus. Ich habe<lb/> deinem Mann eine Poſition geſchaffen. Wenn dir<lb/> das nicht genügt und er ſich dazu ins Fäuſtchen<lb/> lacht, ich trage mich nicht mit idealen Forderungen.<lb/> Aber laß mich dabei aus dem Spiel!</p> </sp><lb/> <sp who="#LUL"> <speaker> <hi rendition="#b">Lulu.</hi> </speaker><lb/> <p>Wenn ich einem Menſchen auf dieſer Welt an-<lb/> gehöre, gehöre ich Ihnen. Ohne Sie wäre ich —<lb/> ich will nicht ſagen wo. Sie haben mich bei der<lb/> Hand genommen, mir zu eſſen gegeben, mich kleiden<lb/> laſſen, als ich Ihnen die Uhr ſtehlen wollte. Glauben<lb/> Sie, das vergißt ſich? Jeder andere hätte den<lb/> Schutzmann gerufen. Sie haben mich zur Schule<lb/> geſchickt und mich Lebensart lernen laſſen. Was<lb/> ſind mir die Kinderſeelen! Ich laſſe mich auf ihre<lb/> Albernheiten ein, weil das meine Pflicht iſt. Wer<lb/> außer Ihnen auf der weiten Welt hat je etwas<lb/> für mich übrig gehabt? Ich habe getanzt und<lb/> Modell geſtanden und war ſelber froh, mich für<lb/> meinen Lebensunterhalt quittiren zu können. Aber<lb/> auf Kommando <hi rendition="#g">lieben</hi>, das kann ich nicht.</p> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0097]
Lulu.
Wie Ihnen beliebt.
Schön.
Ich habe dich verheiratet. Ich habe dich zwei-
mal verheiratet. Du lebſt im Luxus. Ich habe
deinem Mann eine Poſition geſchaffen. Wenn dir
das nicht genügt und er ſich dazu ins Fäuſtchen
lacht, ich trage mich nicht mit idealen Forderungen.
Aber laß mich dabei aus dem Spiel!
Lulu.
Wenn ich einem Menſchen auf dieſer Welt an-
gehöre, gehöre ich Ihnen. Ohne Sie wäre ich —
ich will nicht ſagen wo. Sie haben mich bei der
Hand genommen, mir zu eſſen gegeben, mich kleiden
laſſen, als ich Ihnen die Uhr ſtehlen wollte. Glauben
Sie, das vergißt ſich? Jeder andere hätte den
Schutzmann gerufen. Sie haben mich zur Schule
geſchickt und mich Lebensart lernen laſſen. Was
ſind mir die Kinderſeelen! Ich laſſe mich auf ihre
Albernheiten ein, weil das meine Pflicht iſt. Wer
außer Ihnen auf der weiten Welt hat je etwas
für mich übrig gehabt? Ich habe getanzt und
Modell geſtanden und war ſelber froh, mich für
meinen Lebensunterhalt quittiren zu können. Aber
auf Kommando lieben, das kann ich nicht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |