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Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891.

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Zungenschlag. Da-da-das brauche ich mir nicht gefallen
zu lassen! -- Gro-Grobheiten brauche ich mir nicht gefallen zu
lassen! -- Ich bin meiner fü-fü-fü-fü-fünf Sinne mächtig ...!
Sonnenstich. Ich muß unsere Herren Collegen Fliegentod
und Zungenschlag um einigen Anstand ersuchen. Unser schuld-
beladener Schüler scheint mir bereits auf der Treppe zu sein.

(Habebald öffnet die Thür, worauf Melchior, bleich aber gefaßt, vor die Versammlung tritt.)
Sonnenstich. Treten Sie näher an den Tisch heran! --
Nachdem Herr Rentier Stiefel von dem ruchlosen Frevel seines
Sohnes Kenntniß erhalten, durchsuchte der fassungslose Vater, in
der Hoffnung, auf diesem Wege möglicherweise dem Anlaß der
verabscheuungswürdigen Unthat auf die Spur zu kommen, die
hinterlassenen Effekten seines Sohnes Moritz und stieß dabei an
einem nicht zur Sache gehörigen Orte auf ein Schriftstück, welches
uns, ohne noch die verabscheuungswürdige Unthat an sich ver-
ständlich zu machen, für die dabei maßgebend gewesene moralische
Zerrüttung des Unthäters eine leider nur allzu ausreichende
Erklärung liefert. Es handelt sich um eine in Gesprächsform
abgefaßte, "der Beischlaf" betitelte, mit lebensgroßen Abbil-
dungen versehene, von den schamlosesten Unfläthereien strotzende,
zwanzig Seiten lange Abhandlung, die den geschraubtesten An-
forderungen, die ein verworfener Lüstling an eine unzüchtige
Lektüre zu stellen vermöchte, entsprechen dürfte. --
Melchior. Ich habe ...
Sonnenstich. Sie haben sich ruhig zu verhalten! --
Nachdem Herr Rentier Stiefel uns fragliches Schriftstück ausge-
händigt und wir dem fassungslosen Vater das Versprechen ertheilt,
um jeden Preis den Autor desselben zu ermitteln, wurde die uns
vorliegende Handschrift mit den Handschriften sämmtlicher Mit-
schüler des weiland Ruchlosen verglichen und ergab nach dem
einstimmigen Urtheil der gesammten Lehrerschaft, sowie in voll-
Zungenſchlag. Da-da-das brauche ich mir nicht gefallen
zu laſſen! — Gro-Grobheiten brauche ich mir nicht gefallen zu
laſſen! — Ich bin meiner fü-fü-fü-fü-fünf Sinne mächtig …!
Sonnenſtich. Ich muß unſere Herren Collegen Fliegentod
und Zungenſchlag um einigen Anſtand erſuchen. Unſer ſchuld-
beladener Schüler ſcheint mir bereits auf der Treppe zu ſein.

(Habebald öffnet die Thür, worauf Melchior, bleich aber gefaßt, vor die Verſammlung tritt.)
Sonnenſtich. Treten Sie näher an den Tiſch heran! —
Nachdem Herr Rentier Stiefel von dem ruchloſen Frevel ſeines
Sohnes Kenntniß erhalten, durchſuchte der faſſungsloſe Vater, in
der Hoffnung, auf dieſem Wege möglicherweiſe dem Anlaß der
verabſcheuungswürdigen Unthat auf die Spur zu kommen, die
hinterlaſſenen Effekten ſeines Sohnes Moritz und ſtieß dabei an
einem nicht zur Sache gehörigen Orte auf ein Schriftſtück, welches
uns, ohne noch die verabſcheuungswürdige Unthat an ſich ver-
ſtändlich zu machen, für die dabei maßgebend geweſene moraliſche
Zerrüttung des Unthäters eine leider nur allzu ausreichende
Erklärung liefert. Es handelt ſich um eine in Geſprächsform
abgefaßte, „der Beiſchlaf“ betitelte, mit lebensgroßen Abbil-
dungen verſehene, von den ſchamloſeſten Unfläthereien ſtrotzende,
zwanzig Seiten lange Abhandlung, die den geſchraubteſten An-
forderungen, die ein verworfener Lüſtling an eine unzüchtige
Lektüre zu ſtellen vermöchte, entſprechen dürfte. —
Melchior. Ich habe …
Sonnenſtich. Sie haben ſich ruhig zu verhalten! —
Nachdem Herr Rentier Stiefel uns fragliches Schriftſtück ausge-
händigt und wir dem faſſungsloſen Vater das Verſprechen ertheilt,
um jeden Preis den Autor desſelben zu ermitteln, wurde die uns
vorliegende Handſchrift mit den Handſchriften ſämmtlicher Mit-
ſchüler des weiland Ruchloſen verglichen und ergab nach dem
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[54/0070] Zungenſchlag. Da-da-das brauche ich mir nicht gefallen zu laſſen! — Gro-Grobheiten brauche ich mir nicht gefallen zu laſſen! — Ich bin meiner fü-fü-fü-fü-fünf Sinne mächtig …! Sonnenſtich. Ich muß unſere Herren Collegen Fliegentod und Zungenſchlag um einigen Anſtand erſuchen. Unſer ſchuld- beladener Schüler ſcheint mir bereits auf der Treppe zu ſein. (Habebald öffnet die Thür, worauf Melchior, bleich aber gefaßt, vor die Verſammlung tritt.) Sonnenſtich. Treten Sie näher an den Tiſch heran! — Nachdem Herr Rentier Stiefel von dem ruchloſen Frevel ſeines Sohnes Kenntniß erhalten, durchſuchte der faſſungsloſe Vater, in der Hoffnung, auf dieſem Wege möglicherweiſe dem Anlaß der verabſcheuungswürdigen Unthat auf die Spur zu kommen, die hinterlaſſenen Effekten ſeines Sohnes Moritz und ſtieß dabei an einem nicht zur Sache gehörigen Orte auf ein Schriftſtück, welches uns, ohne noch die verabſcheuungswürdige Unthat an ſich ver- ſtändlich zu machen, für die dabei maßgebend geweſene moraliſche Zerrüttung des Unthäters eine leider nur allzu ausreichende Erklärung liefert. Es handelt ſich um eine in Geſprächsform abgefaßte, „der Beiſchlaf“ betitelte, mit lebensgroßen Abbil- dungen verſehene, von den ſchamloſeſten Unfläthereien ſtrotzende, zwanzig Seiten lange Abhandlung, die den geſchraubteſten An- forderungen, die ein verworfener Lüſtling an eine unzüchtige Lektüre zu ſtellen vermöchte, entſprechen dürfte. — Melchior. Ich habe … Sonnenſtich. Sie haben ſich ruhig zu verhalten! — Nachdem Herr Rentier Stiefel uns fragliches Schriftſtück ausge- händigt und wir dem faſſungsloſen Vater das Verſprechen ertheilt, um jeden Preis den Autor desſelben zu ermitteln, wurde die uns vorliegende Handſchrift mit den Handſchriften ſämmtlicher Mit- ſchüler des weiland Ruchloſen verglichen und ergab nach dem einſtimmigen Urtheil der geſammten Lehrerſchaft, ſowie in voll-

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Zitationshilfe: Wedekind, Frank: Frühlings Erwachen. Zürich, 1891, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wedekind_erwachen_1891/70>, abgerufen am 23.11.2024.