Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

Es fröstelte unsern Helden. Die Zukunft dehnte sich vor seinen Blicken, wie ein langer trüber Regentag. Gläsernen Auges stierte er hinaus in die Leere seines Daseins, einem zerlumpten Auswanderer gleich der müßig über das wüste, einförmige Wogen des Meeres schaut und mit sich zu Rathe geht, ob er die Reise in eine neue Welt wagen oder ob er sich lieber hinter einander ersäufen soll.

Die ekelhafteste, hündischste Phase des Unglücks ist die, in der man gleichgültig und dumm wird. Ein Unglücklicher, der weint und wimmert wie ein verliebter arkadischer Schäfer, er kann schön sein, man wird ihn lieben können, und blonde Poeten werden ihn besingen und Stanzen und Sonnette auf ihn dichten, und blauäugige Mädchen werden an ihn denken noch manchen stillen Sonntag Nachmittag. Ein Mensch, der sich, wie ein Laokoon, schmerzgefoltert durch die Schlangen des Mißgeschickes windet: er wird unsere Herzen mit sich fortreißen, und ein großer Meister wird ihn in Marmor hauen, und ein zweiter Lessing wird vielleicht eine unsterbliche Kritik darüber schreiben, und kunstsinnige Könige und klassische Schulmeister werden sich daran erbauen bis an den jüngsten Tag. Und ein Mann endlich, der, jenem Römer gleich, mit kalt-heroischer Trauer auf den Trümmern einer Welt sitzt: er wird uns

Es fröstelte unsern Helden. Die Zukunft dehnte sich vor seinen Blicken, wie ein langer trüber Regentag. Gläsernen Auges stierte er hinaus in die Leere seines Daseins, einem zerlumpten Auswanderer gleich der müßig über das wüste, einförmige Wogen des Meeres schaut und mit sich zu Rathe geht, ob er die Reise in eine neue Welt wagen oder ob er sich lieber hinter einander ersäufen soll.

Die ekelhafteste, hündischste Phase des Unglücks ist die, in der man gleichgültig und dumm wird. Ein Unglücklicher, der weint und wimmert wie ein verliebter arkadischer Schäfer, er kann schön sein, man wird ihn lieben können, und blonde Poeten werden ihn besingen und Stanzen und Sonnette auf ihn dichten, und blauäugige Mädchen werden an ihn denken noch manchen stillen Sonntag Nachmittag. Ein Mensch, der sich, wie ein Laokoon, schmerzgefoltert durch die Schlangen des Mißgeschickes windet: er wird unsere Herzen mit sich fortreißen, und ein großer Meister wird ihn in Marmor hauen, und ein zweiter Lessing wird vielleicht eine unsterbliche Kritik darüber schreiben, und kunstsinnige Könige und klassische Schulmeister werden sich daran erbauen bis an den jüngsten Tag. Und ein Mann endlich, der, jenem Römer gleich, mit kalt-heroischer Trauer auf den Trümmern einer Welt sitzt: er wird uns

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0145" n="139"/>
          <p>Es fröstelte unsern Helden. Die Zukunft dehnte sich vor seinen Blicken, wie ein langer trüber Regentag. Gläsernen Auges stierte er hinaus in die Leere seines Daseins, einem zerlumpten Auswanderer gleich der müßig über das wüste, einförmige Wogen des Meeres schaut und mit sich zu Rathe geht, ob er die Reise in eine neue Welt wagen oder ob er sich lieber hinter einander ersäufen soll.</p>
          <p>Die ekelhafteste, hündischste Phase des Unglücks ist die, in der man gleichgültig und dumm wird. Ein Unglücklicher, der weint und wimmert wie ein verliebter arkadischer Schäfer, er kann schön sein, man wird ihn lieben können, und blonde Poeten werden ihn besingen und Stanzen und Sonnette auf ihn dichten, und blauäugige Mädchen werden an ihn denken noch manchen stillen Sonntag Nachmittag. Ein Mensch, der sich, wie ein Laokoon, schmerzgefoltert durch die Schlangen des Mißgeschickes windet: er wird unsere Herzen mit sich fortreißen, und ein großer Meister wird ihn in Marmor hauen, und ein zweiter Lessing wird vielleicht eine unsterbliche Kritik darüber schreiben, und kunstsinnige Könige und klassische Schulmeister werden sich daran erbauen bis an den jüngsten Tag. Und ein Mann endlich, der, jenem Römer gleich, mit kalt-heroischer Trauer auf den Trümmern einer Welt sitzt: er wird uns
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[139/0145] Es fröstelte unsern Helden. Die Zukunft dehnte sich vor seinen Blicken, wie ein langer trüber Regentag. Gläsernen Auges stierte er hinaus in die Leere seines Daseins, einem zerlumpten Auswanderer gleich der müßig über das wüste, einförmige Wogen des Meeres schaut und mit sich zu Rathe geht, ob er die Reise in eine neue Welt wagen oder ob er sich lieber hinter einander ersäufen soll. Die ekelhafteste, hündischste Phase des Unglücks ist die, in der man gleichgültig und dumm wird. Ein Unglücklicher, der weint und wimmert wie ein verliebter arkadischer Schäfer, er kann schön sein, man wird ihn lieben können, und blonde Poeten werden ihn besingen und Stanzen und Sonnette auf ihn dichten, und blauäugige Mädchen werden an ihn denken noch manchen stillen Sonntag Nachmittag. Ein Mensch, der sich, wie ein Laokoon, schmerzgefoltert durch die Schlangen des Mißgeschickes windet: er wird unsere Herzen mit sich fortreißen, und ein großer Meister wird ihn in Marmor hauen, und ein zweiter Lessing wird vielleicht eine unsterbliche Kritik darüber schreiben, und kunstsinnige Könige und klassische Schulmeister werden sich daran erbauen bis an den jüngsten Tag. Und ein Mann endlich, der, jenem Römer gleich, mit kalt-heroischer Trauer auf den Trümmern einer Welt sitzt: er wird uns

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-01-04T15:10:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitätsbibliothek Frankfurt am Main: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-01-04T15:10:31Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (Faksimile 0150) (2013-01-04T15:10:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-01-04T15:10:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien
  • Worttrennungen am Zeilenende entfallen
  • Sonderzeichen und nicht-lateinische Schriftzeichen werden möglichst originalgetreu wiedergegeben
  • Das lange s (ſ) wird als normales s wiedergegeben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849/145
Zitationshilfe: Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849/145>, abgerufen am 23.11.2024.