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Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849.

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die Wiener Damen in ihrer ganzen sonnigen Hoheit? - Ach, und nun soll ich mit Einem Male von einer Frau erzählen, deren Reize so unendlich zweideutig sind, daß ich durch meine Schilderung bei'm besten Willen und bei der äußersten Zartheit doch mitunter gegen das Gefühl des Anstandes und der Galanterie auf's Gröbste verstoßen muß, wenn ich nur einigermaßen der Wahrheit getreu bleiben will, der Göttin der Wahrheit, die bisher meine Feder führte mit unerbittlicher Strenge.

Doch wage ich es! Es sei! Möge der Styl meinen Gegenstand retten! Die Form ist Alles!

Die Dame, auf welche Herr von Schnapphahnski sein Augenmerk richtet, ist die achtundfünfzigjährige Herzogin ... meine Leser müssen verzeihen; ich werde dies später erzählen.

Die Herzogin ist 58 Jahre alt, - also fast zweimal "schier dreißig". Man muß gestehen, unser Ritter hatte plötzlich sehr seltsame Gelüste bekommen. "Unser Leben währet kurze Zeit; siebenzig Jahre, wenn's hoch kommt: achtzig -" meint der Psalmist; 58 Jahre ist schon ein hübsches Alter; ohne unhöflich zu sein, darf man von einer 58jährigen sagen: "c'est une dame, d'un certain age." - Die Herzogin ist klein. Sie ist äußerst zart gebaut; ja, man könnte sie - mager nennen, wenn dieser Ausdruck nicht

die Wiener Damen in ihrer ganzen sonnigen Hoheit? – Ach, und nun soll ich mit Einem Male von einer Frau erzählen, deren Reize so unendlich zweideutig sind, daß ich durch meine Schilderung bei’m besten Willen und bei der äußersten Zartheit doch mitunter gegen das Gefühl des Anstandes und der Galanterie auf’s Gröbste verstoßen muß, wenn ich nur einigermaßen der Wahrheit getreu bleiben will, der Göttin der Wahrheit, die bisher meine Feder führte mit unerbittlicher Strenge.

Doch wage ich es! Es sei! Möge der Styl meinen Gegenstand retten! Die Form ist Alles!

Die Dame, auf welche Herr von Schnapphahnski sein Augenmerk richtet, ist die achtundfünfzigjährige Herzogin … meine Leser müssen verzeihen; ich werde dies später erzählen.

Die Herzogin ist 58 Jahre alt, – also fast zweimal „schier dreißig“. Man muß gestehen, unser Ritter hatte plötzlich sehr seltsame Gelüste bekommen. „Unser Leben währet kurze Zeit; siebenzig Jahre, wenn’s hoch kommt: achtzig –“ meint der Psalmist; 58 Jahre ist schon ein hübsches Alter; ohne unhöflich zu sein, darf man von einer 58jährigen sagen: „c’est une dame, d’un certain âge.“ – Die Herzogin ist klein. Sie ist äußerst zart gebaut; ja, man könnte sie – mager nennen, wenn dieser Ausdruck nicht

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[143/0149] die Wiener Damen in ihrer ganzen sonnigen Hoheit? – Ach, und nun soll ich mit Einem Male von einer Frau erzählen, deren Reize so unendlich zweideutig sind, daß ich durch meine Schilderung bei’m besten Willen und bei der äußersten Zartheit doch mitunter gegen das Gefühl des Anstandes und der Galanterie auf’s Gröbste verstoßen muß, wenn ich nur einigermaßen der Wahrheit getreu bleiben will, der Göttin der Wahrheit, die bisher meine Feder führte mit unerbittlicher Strenge. Doch wage ich es! Es sei! Möge der Styl meinen Gegenstand retten! Die Form ist Alles! Die Dame, auf welche Herr von Schnapphahnski sein Augenmerk richtet, ist die achtundfünfzigjährige Herzogin … meine Leser müssen verzeihen; ich werde dies später erzählen. Die Herzogin ist 58 Jahre alt, – also fast zweimal „schier dreißig“. Man muß gestehen, unser Ritter hatte plötzlich sehr seltsame Gelüste bekommen. „Unser Leben währet kurze Zeit; siebenzig Jahre, wenn’s hoch kommt: achtzig –“ meint der Psalmist; 58 Jahre ist schon ein hübsches Alter; ohne unhöflich zu sein, darf man von einer 58jährigen sagen: „c’est une dame, d’un certain âge.“ – Die Herzogin ist klein. Sie ist äußerst zart gebaut; ja, man könnte sie – mager nennen, wenn dieser Ausdruck nicht

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Zitationshilfe: Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849/149>, abgerufen am 22.11.2024.