Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849.Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolität der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht! Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrak ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf's Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur irgend möglich: "Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören - ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrettete!" Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolität der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht! Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrak ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf’s Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur irgend möglich: „Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören – ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrettete!“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0198" n="192"/> <p>Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolität der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht!</p> <p>Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrak ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf’s Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur irgend möglich: „Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören – ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrettete!“</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [192/0198]
Als Ritter Schnapphahnski der Herzogin Hand geküßt hatte, hob er sich langsam empor und ließ die erwartungsvolle Dame in ein Antlitz schauen, auf dem der Reiz der jugendlichsten Schüchternheit sich so geschickt mit der Frivolität der Erfahrung zu vereinigen wußte, daß der Herzogin unwillkührlich ein Seufzer entfuhr, ein Seufzer, wie sie ihn lange nicht geseufzt hatte, einer jener Seufzer, für die man gern eine Million giebt, für die man sich in Fetzen schießen läßt, für die man tausend Eide schwört, aber auch tausend Eide bricht!
Aus ihren besten Zeiten hatte sich die Herzogin diesen Seufzer aufbewahrt. Herr von Schnapphahnski erschrak ordentlich, daß die Herzogin noch so natürlich seufzen könne, und schnell die Hand auf’s Herz legend, fragte er in so naivem Tone als nur irgend möglich: „Gilt dieser Seufzer Ihnen oder mir, gnädige Frau? Ihnen kann er unmöglich gelten, denn in heiterer Hoheit sehe ich Sie vor mir thronen, erhaben über allen Seufzern, über jenen Lauten des Schmerzes und der Sehnsucht, die nur mir gehören – ja, gnädige Frau, Ihr Seufzer gehörte mir, er war mein Seufzer, er war die Huldigung, mit der ich Ihnen nahte, mit der ich mich über die Seufzerbrücke des Lebens zu Ihnen hinüberrettete!“
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