Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849.Herr, wollten Sie mir nicht gefälligst die Aussicht nach jener Torte gewähren?" fragte da der Sohn der rothen Erde zum zweiten Male und ein Gemisch von Wollust und Melancholie spielte um seinen sehr großen Mund. Die Leiden des armen Mannes rührten mich. "Mit dem größten Vergnügen!" rief ich abermals - "Sie scheinen nicht gut sehen zu können - wollen Sie sich meiner Lorgnette bedienen?" Während mein rechter Arm seine frühere gekrümmte Position beibehielt, reichte ich ihm mit der linken Hand die Lorgnette über den Tisch hinüber. Der Westphale stutzte. Sie müssen entweder ein sehr dummer, oder ein höchst impertinenter Mensch sein - schien der unglückliche Sehnsüchtige zu denken. Da ermannte er sich und sprach zum dritten Male mit einer so bittenden, wehmüthigen Stimme, daß es einen Stein hätte erweichen können: "Sehr verehrter Herr, hätten Sie nicht die große Gewogenheit mir die Aussicht nach jener Torte gefälligst zu gewähren? Ich habe 1 Thaler 20 Silbergroschen für mein Billet bezahlt - Geld ist Dreck, aber Dreck ist kein Geld! - es verlangt mich nach jener Torte - -" Das Antlitz des Armen überflog eine sichtbare Bangigkeit. Er sah, wie von der andern Seite noch ein zweiter Aspirant auf die reizende Torte lossteuerte; Herr, wollten Sie mir nicht gefälligst die Aussicht nach jener Torte gewähren?“ fragte da der Sohn der rothen Erde zum zweiten Male und ein Gemisch von Wollust und Melancholie spielte um seinen sehr großen Mund. Die Leiden des armen Mannes rührten mich. „Mit dem größten Vergnügen!“ rief ich abermals – „Sie scheinen nicht gut sehen zu können – wollen Sie sich meiner Lorgnette bedienen?“ Während mein rechter Arm seine frühere gekrümmte Position beibehielt, reichte ich ihm mit der linken Hand die Lorgnette über den Tisch hinüber. Der Westphale stutzte. Sie müssen entweder ein sehr dummer, oder ein höchst impertinenter Mensch sein – schien der unglückliche Sehnsüchtige zu denken. Da ermannte er sich und sprach zum dritten Male mit einer so bittenden, wehmüthigen Stimme, daß es einen Stein hätte erweichen können: „Sehr verehrter Herr, hätten Sie nicht die große Gewogenheit mir die Aussicht nach jener Torte gefälligst zu gewähren? Ich habe 1 Thaler 20 Silbergroschen für mein Billet bezahlt – Geld ist Dreck, aber Dreck ist kein Geld! – es verlangt mich nach jener Torte – –“ Das Antlitz des Armen überflog eine sichtbare Bangigkeit. Er sah, wie von der andern Seite noch ein zweiter Aspirant auf die reizende Torte lossteuerte; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0267" n="261"/> Herr, wollten Sie mir nicht gefälligst die Aussicht nach jener Torte gewähren?“ fragte da der Sohn der rothen Erde zum zweiten Male und ein Gemisch von Wollust und Melancholie spielte um seinen sehr großen Mund. Die Leiden des armen Mannes rührten mich. „Mit dem größten Vergnügen!“ rief ich abermals – „Sie scheinen nicht gut sehen zu können – wollen Sie sich meiner Lorgnette bedienen?“</p> <p>Während mein rechter Arm seine frühere gekrümmte Position beibehielt, reichte ich ihm mit der linken Hand die Lorgnette über den Tisch hinüber. Der Westphale stutzte. Sie müssen entweder ein sehr dummer, oder ein höchst impertinenter Mensch sein – schien der unglückliche Sehnsüchtige zu denken. Da ermannte er sich und sprach zum dritten Male mit einer so bittenden, wehmüthigen Stimme, daß es einen Stein hätte erweichen können: „Sehr verehrter Herr, hätten Sie nicht die große Gewogenheit mir die Aussicht nach jener Torte gefälligst zu gewähren? Ich habe 1 Thaler 20 Silbergroschen für mein Billet bezahlt – Geld ist Dreck, aber Dreck ist kein Geld! – es verlangt mich nach jener Torte – –“</p> <p>Das Antlitz des Armen überflog eine sichtbare Bangigkeit. Er sah, wie von der andern Seite noch ein zweiter Aspirant auf die reizende Torte lossteuerte; </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [261/0267]
Herr, wollten Sie mir nicht gefälligst die Aussicht nach jener Torte gewähren?“ fragte da der Sohn der rothen Erde zum zweiten Male und ein Gemisch von Wollust und Melancholie spielte um seinen sehr großen Mund. Die Leiden des armen Mannes rührten mich. „Mit dem größten Vergnügen!“ rief ich abermals – „Sie scheinen nicht gut sehen zu können – wollen Sie sich meiner Lorgnette bedienen?“
Während mein rechter Arm seine frühere gekrümmte Position beibehielt, reichte ich ihm mit der linken Hand die Lorgnette über den Tisch hinüber. Der Westphale stutzte. Sie müssen entweder ein sehr dummer, oder ein höchst impertinenter Mensch sein – schien der unglückliche Sehnsüchtige zu denken. Da ermannte er sich und sprach zum dritten Male mit einer so bittenden, wehmüthigen Stimme, daß es einen Stein hätte erweichen können: „Sehr verehrter Herr, hätten Sie nicht die große Gewogenheit mir die Aussicht nach jener Torte gefälligst zu gewähren? Ich habe 1 Thaler 20 Silbergroschen für mein Billet bezahlt – Geld ist Dreck, aber Dreck ist kein Geld! – es verlangt mich nach jener Torte – –“
Das Antlitz des Armen überflog eine sichtbare Bangigkeit. Er sah, wie von der andern Seite noch ein zweiter Aspirant auf die reizende Torte lossteuerte;
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Zitationshilfe: | Weerth, Georg: Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski. Hamburg, 1849, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weerth_schnapphahnski_1849/267>, abgerufen am 16.02.2025. |