Wegner, Marie: Frauenstimmrecht. In: Die Frau im Osten. Deutsche Zeitschrift für moderne Frauenbestrebungen; Organ für die Interessen der Frauenbewegung in den östlichen Provinzen, Bd. 1, Jg. 1910. Breslau, 1910. S. 180–183.
Die Ausführungen des Dr. Pachnicke erscheinen mir Werfen wir nun einmal die Gegenfrage auf: Welchen Jmmer und immer wieder halten uns die Männer auch [Ende Spaltensatz][irrelevantes Material - 1 Zeile fehlt]
Die Ausführungen des Dr. Pachnicke erscheinen mir Werfen wir nun einmal die Gegenfrage auf: Welchen Jmmer und immer wieder halten uns die Männer auch [Ende Spaltensatz][irrelevantes Material – 1 Zeile fehlt] <TEI> <text> <body> <div n="1"> <quote> <p><pb facs="#f0004" n="183"/> Frau in der Gemeinde entgegenzukommen, die Berufenen<lb/> unter ihnen nicht nur an der Waisen- und Armen-, sondern<lb/> auch an der Schulverwaltung gebührend zu beteiligen, über-<lb/> haupt alles zu unterstützen, was geeignet ist, Freude am<lb/> Lernen, Lust und Vertrauen zu eigener Tätigkeit zu wecken,<lb/> Lebenskraft und Lebensmut zu stärken: — aber den ungeheuren<lb/> Schritt, der in der Ausstattung von dreizehn Millionen Frauen<lb/> mit politischen Stimmrecht läge, vermag die Partei zur<lb/> Zeit nicht zu tun. Vielleicht ist später ein Entgegenkommen<lb/> möglich. Heute ist es unmöglich. Man soll das letzte nicht<lb/> zuerst verlangen, daß mögliche Ende einer Entwicklung nicht<lb/> an den Anfang setzen wollen!</p><lb/> <p>Die Besonnenen unter den Frauen werden das einsehen.<lb/> Keine aber, auch die stimmfreudigste nicht, wird deshalb, weil<lb/> wir ihr in einem Punkte nicht den Willen tun, die Arbeit für<lb/> alle übrigen Aufgaben des Liberalismus einstellen.“</p><lb/> </quote> <p>Die Ausführungen des <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Pachnicke erscheinen mir<lb/> als eine Mahnung zur rechten Stunde, unsere Arbeitskraft<lb/> und unser Geld für die Propaganda im eigenen Lager und<lb/> nicht für die politischen Männerparteien zu verbrauchen, die,<lb/> wie die Vorgänge in England zeigen, die Frauenhilfe meist<lb/> nur für ihre Parteiinteressen ausnützen. <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Pachnicke gibt<lb/> ja selbst zu, daß die Meinungen innerhalb der Fortschritt-<lb/> lichen Volkspartei in Bezug auf die Frauenfrage sehr geteilt<lb/> sind und Streitigkeiten innerhalb der Partei hervorrufen<lb/> könnten, die sich eben erst zusammengeschlossen hat und ihre<lb/> Leistungsfähigkeit erst beweisen soll. Er weist gleichzeitig<lb/> darauf hin, daß bei der jetzigen Einteilung der Wahlkreise<lb/> das Land die Städte derart überwiegt, daß ein Einfluß<lb/> der Stadtfrauen vollständig verschwände, er schätzt dadurch<lb/> aber auch den Einfluß des Liberalismus, der ebenfalls von<lb/> den Städten ausgeht, sehr gering ein; ihn sollen die Frauen<lb/> erst durch viele Opfer, Mühe und Arbeit gewinnen, um<lb/> dann vielleicht zu erkennen, daß sein Einfluß nicht ausreicht,<lb/> die Frauenforderungen durchzusetzen. <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Pachnicke weist<lb/> aber auch auf England hin, wo der Liberalismus die Macht<lb/> in Händen hat und doch dem Frauenstimmrecht gesetz-<lb/> mäßige und ungesetzmäßige Hindernisse in den Weg stellt.</p><lb/> <p>Werfen wir nun einmal die Gegenfrage auf: Welchen<lb/> Nutzen haben die Frauen, wenn sie der neuen Fortschritt-<lb/> lichen Volkspartei beitreten? Die Antwort lautet: Sie<lb/> können innerhalb der Partei versuchen, die Mitglieder von<lb/> der Wichtigkeit der Frauenforderungen für den Staat zu<lb/> überzeugen. Es fragt sich nur, ob dieser Versuch auf anderem<lb/> Wege nicht schneller zu erreichen ist, z. B. durch eine im-<lb/> ponierende, gewaltige Frauenorganisation. Wenn die deutsche<lb/> Frauenbewegung eine Zentrale für Propaganda schaffte, die<lb/> Wanderrednerinnen besonders in die, auch nach <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Pach-<lb/> nicke, politisch so einflußreichen kleinen Städte und auf das<lb/> Land schickte und diese Frauen systematisch für die Frauen-<lb/> bewegung zu gewinnen suchte.</p><lb/> <p>Jmmer und immer wieder halten uns die Männer auch<lb/> in den Parlamentsverhandlungen die kleine Zahl der An-<lb/> hänger der Frauenbewegung vor. Es ist dies auch der<lb/> einzige Punkt, den wir in <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Pachnickes Artikel bis zu<lb/> einem gewissen Grade anerkennen müssen. Ganz abgesehen<lb/> davon, daß ein ausgeprägtes Parteiwesen — anschließend<lb/> an die politischen Parteien der Männer — unter den Frauen<lb/> den Erisapfel in den Bund deutscher Frauenvereine werfen<lb/> würde, brauchen wir das Geld und die Arbeitskraft der<lb/> Frauen viel zu nötig im eigenen Lager. Drängen wir<lb/> uns also dort, wo die Männer den Frauen ihre Hilfe in<lb/> dem wichtigsten Punkte, dem Frauenstimmrecht, versagen,<lb/> nicht ungebeten auf. Setzen wir unser ganzes Können in<lb/> die Propaganda unter unserem eigenen Geschlecht, um nicht<lb/> nur der Fortschrittlichen Volkspartei, sondern allen politischen<lb/> Richtungen zu zeigen, welchen kräftigen Wind die Frauen-<lb/> bewegung in ihren Segeln hat! Dann werden <hi rendition="#g">alle poli-<lb/> tischen Parteien</hi>, des eigenen Vorteils wegen, für das<lb/> Stimmrecht der Frauen eintreten.</p> <space dim="horizontal"/> <byline> <hi rendition="#right"> <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11721924X">Marie Wegner</persName> </hi> </byline><lb/> </div> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="3"/> <cb/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="80"/><lb/> <cb type="end"/> <gap reason="insignificant" unit="lines" quantity="1"/><lb/> </body> </text> </TEI> [183/0004]
Frau in der Gemeinde entgegenzukommen, die Berufenen
unter ihnen nicht nur an der Waisen- und Armen-, sondern
auch an der Schulverwaltung gebührend zu beteiligen, über-
haupt alles zu unterstützen, was geeignet ist, Freude am
Lernen, Lust und Vertrauen zu eigener Tätigkeit zu wecken,
Lebenskraft und Lebensmut zu stärken: — aber den ungeheuren
Schritt, der in der Ausstattung von dreizehn Millionen Frauen
mit politischen Stimmrecht läge, vermag die Partei zur
Zeit nicht zu tun. Vielleicht ist später ein Entgegenkommen
möglich. Heute ist es unmöglich. Man soll das letzte nicht
zuerst verlangen, daß mögliche Ende einer Entwicklung nicht
an den Anfang setzen wollen!
Die Besonnenen unter den Frauen werden das einsehen.
Keine aber, auch die stimmfreudigste nicht, wird deshalb, weil
wir ihr in einem Punkte nicht den Willen tun, die Arbeit für
alle übrigen Aufgaben des Liberalismus einstellen.“
Die Ausführungen des Dr. Pachnicke erscheinen mir
als eine Mahnung zur rechten Stunde, unsere Arbeitskraft
und unser Geld für die Propaganda im eigenen Lager und
nicht für die politischen Männerparteien zu verbrauchen, die,
wie die Vorgänge in England zeigen, die Frauenhilfe meist
nur für ihre Parteiinteressen ausnützen. Dr. Pachnicke gibt
ja selbst zu, daß die Meinungen innerhalb der Fortschritt-
lichen Volkspartei in Bezug auf die Frauenfrage sehr geteilt
sind und Streitigkeiten innerhalb der Partei hervorrufen
könnten, die sich eben erst zusammengeschlossen hat und ihre
Leistungsfähigkeit erst beweisen soll. Er weist gleichzeitig
darauf hin, daß bei der jetzigen Einteilung der Wahlkreise
das Land die Städte derart überwiegt, daß ein Einfluß
der Stadtfrauen vollständig verschwände, er schätzt dadurch
aber auch den Einfluß des Liberalismus, der ebenfalls von
den Städten ausgeht, sehr gering ein; ihn sollen die Frauen
erst durch viele Opfer, Mühe und Arbeit gewinnen, um
dann vielleicht zu erkennen, daß sein Einfluß nicht ausreicht,
die Frauenforderungen durchzusetzen. Dr. Pachnicke weist
aber auch auf England hin, wo der Liberalismus die Macht
in Händen hat und doch dem Frauenstimmrecht gesetz-
mäßige und ungesetzmäßige Hindernisse in den Weg stellt.
Werfen wir nun einmal die Gegenfrage auf: Welchen
Nutzen haben die Frauen, wenn sie der neuen Fortschritt-
lichen Volkspartei beitreten? Die Antwort lautet: Sie
können innerhalb der Partei versuchen, die Mitglieder von
der Wichtigkeit der Frauenforderungen für den Staat zu
überzeugen. Es fragt sich nur, ob dieser Versuch auf anderem
Wege nicht schneller zu erreichen ist, z. B. durch eine im-
ponierende, gewaltige Frauenorganisation. Wenn die deutsche
Frauenbewegung eine Zentrale für Propaganda schaffte, die
Wanderrednerinnen besonders in die, auch nach Dr. Pach-
nicke, politisch so einflußreichen kleinen Städte und auf das
Land schickte und diese Frauen systematisch für die Frauen-
bewegung zu gewinnen suchte.
Jmmer und immer wieder halten uns die Männer auch
in den Parlamentsverhandlungen die kleine Zahl der An-
hänger der Frauenbewegung vor. Es ist dies auch der
einzige Punkt, den wir in Dr. Pachnickes Artikel bis zu
einem gewissen Grade anerkennen müssen. Ganz abgesehen
davon, daß ein ausgeprägtes Parteiwesen — anschließend
an die politischen Parteien der Männer — unter den Frauen
den Erisapfel in den Bund deutscher Frauenvereine werfen
würde, brauchen wir das Geld und die Arbeitskraft der
Frauen viel zu nötig im eigenen Lager. Drängen wir
uns also dort, wo die Männer den Frauen ihre Hilfe in
dem wichtigsten Punkte, dem Frauenstimmrecht, versagen,
nicht ungebeten auf. Setzen wir unser ganzes Können in
die Propaganda unter unserem eigenen Geschlecht, um nicht
nur der Fortschrittlichen Volkspartei, sondern allen politischen
Richtungen zu zeigen, welchen kräftigen Wind die Frauen-
bewegung in ihren Segeln hat! Dann werden alle poli-
tischen Parteien, des eigenen Vorteils wegen, für das
Stimmrecht der Frauen eintreten.
Marie Wegner
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(2016-03-21T10:13:41Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
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