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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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zielbewußt, mehr und mehr anschwellend, vor. Schließlich bricht die Blüte pwe_143.002
durch ... das Wunder tritt ein. Völker und Zeiten ... zehren noch Jahrzehnte pwe_143.003
und Jahrhunderte davon." Diese hinkenden botanischen Vergleiche pwe_143.004
lassen allerdings kaum eine grundsätzlich neue Konzeption erkennen. Und pwe_143.005
die acht Epochen, die Schneider von der "altgermanischen Dichtung" bis pwe_143.006
zur Dichtung im Dienste der Aufklärung unterscheidet, haben denn auch pwe_143.007
nur zum Teil dichtungseigene Namen (z. B. "Dichtung der ersten Blüte", pwe_143.008
d. h. Stauferzeit, "Dichtung im Zeichen der Unfreiheit", d. i. Barockzeit), pwe_143.009
wobei Wertendes und Beschreibendes durcheinandergeht; zum Teil ist auf pwe_143.010
Dichtungsfremdes zurückgegriffen ("Dichtung der religiösen Erneuerung", pwe_143.011
d. i. Renaissance und Reformation). Wenn Schneider bemerkt, die "bewegenden pwe_143.012
Ideen eines Zeitalters finden Raum, soweit es die Dichtung ist, pwe_143.013
die sie bewegt haben", so weist er damit selber hin auf die Unmöglichkeit, pwe_143.014
von "geistesgeschichtlichen" Epochenbegriffen zu abstrahieren. Schneider pwe_143.015
will keine Geistesgeschichte geben und gibt auch keine Stilgeschichte. Dichtungsgeschichte pwe_143.016
aber als "die Geschichte des Wirksamen, des Siegreichen pwe_143.017
im Kampf ums Dasein", als "naturgewollter und naturhafter Vorgang" pwe_143.018
dürfte kaum ein Fortschritt sein. Mit der Übernahme geistesgeschichtlicher pwe_143.019
Epochenbegriffe taucht aber auch wieder das Problem der Interferenz pwe_143.020
zwischen verschiedenartigen Periodisierungen auf. Allerdings beruhen ja pwe_143.021
u. U. auch die Unterschiede der Epochen darauf, daß sich die verschiedenen pwe_143.022
Kulturbereiche anders gruppieren, in verschiedenem Maß zum Antlitz der pwe_143.023
Literatur beitragen. Aber je weiter hier der Blick gefaßt wird, umso diskutabler pwe_143.024
werden die Grenzen. Und so wendet sich Marcel Beck1 - um pwe_143.025
auch einen Historiker zu zitieren - im Namen des immer komplexen gesamtmenschlichen pwe_143.026
"Bios" gegen eine, vor allem von der Geistesgeschichte pwe_143.027
betriebene, "fraktionierende, mit Wenden und Umbrüchen operierende pwe_143.028
Methode" als gegen ein Hindernis objektiver Betrachtung.

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Wie sehr das Epochenproblem in das Problem einer vergleichenden Geschichte pwe_143.030
der Künste
hineinspielt, wurde bereits ausgeführt. Die überragende pwe_143.031
Leistung auf dem Gebiet der älteren deutschen Literaturgeschichte2 disponiert pwe_143.032
nach rein kunstgeschichtlichen Begriffen in Frühromanik, Romanik, pwe_143.033
Spätromanik und Gotik; auch wenn das im Einzelnen noch so einleuchtend pwe_143.034
ist, bleibt es störend, wenn damit die literarische "Blütezeit" nicht selbst pwe_143.035
eine Epoche ist, sondern auf die Grenze zwischen den Epochen zu liegen pwe_143.036
kommt. Es ist das z. T. eine Folge der Divergenz zwischen normativer und pwe_143.037
stilistischer Epochenbildung (auch mit Dante oder Shakespeare zeigt sich

1 pwe_143.038
Marcel Beck, Finsteres oder romantisches Mittelalter. Zürich 1950.
2 pwe_143.039
Julius Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters, Potsdam o. J. pwe_143.040
(In: Handbuch der Literaturwissenschaft herausgegeben von O. Walzel).

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auch einen Historiker zu zitieren – im Namen des immer komplexen gesamtmenschlichen pwe_143.026
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betriebene, „fraktionierende, mit Wenden und Umbrüchen operierende pwe_143.028
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Leistung auf dem Gebiet der älteren deutschen Literaturgeschichte2 disponiert pwe_143.032
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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/149>, abgerufen am 24.11.2024.