Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_143.001 Wie sehr das Epochenproblem in das Problem einer vergleichenden Geschichte pwe_143.030 1 pwe_143.038 Marcel Beck, Finsteres oder romantisches Mittelalter. Zürich 1950. 2 pwe_143.039
Julius Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters, Potsdam o. J. pwe_143.040 (In: Handbuch der Literaturwissenschaft herausgegeben von O. Walzel). pwe_143.001 Wie sehr das Epochenproblem in das Problem einer vergleichenden Geschichte pwe_143.030 1 pwe_143.038 Marcel Beck, Finsteres oder romantisches Mittelalter. Zürich 1950. 2 pwe_143.039
Julius Schwietering, Die deutsche Dichtung des Mittelalters, Potsdam o. J. pwe_143.040 (In: Handbuch der Literaturwissenschaft herausgegeben von O. Walzel). <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0149" n="143"/><lb n="pwe_143.001"/> zielbewußt, mehr und mehr anschwellend, vor. Schließlich bricht die Blüte <lb n="pwe_143.002"/> durch ... das Wunder tritt ein. Völker und Zeiten ... zehren noch Jahrzehnte <lb n="pwe_143.003"/> und Jahrhunderte davon.“ Diese hinkenden botanischen Vergleiche <lb n="pwe_143.004"/> lassen allerdings kaum eine grundsätzlich neue Konzeption erkennen. Und <lb n="pwe_143.005"/> die acht Epochen, die Schneider von der „altgermanischen Dichtung“ bis <lb n="pwe_143.006"/> zur Dichtung im Dienste der Aufklärung unterscheidet, haben denn auch <lb n="pwe_143.007"/> nur zum Teil dichtungseigene Namen (z. B. „Dichtung der ersten Blüte“, <lb n="pwe_143.008"/> d. h. Stauferzeit, „Dichtung im Zeichen der Unfreiheit“, d. i. Barockzeit), <lb n="pwe_143.009"/> wobei Wertendes und Beschreibendes durcheinandergeht; zum Teil ist auf <lb n="pwe_143.010"/> Dichtungsfremdes zurückgegriffen („Dichtung der religiösen Erneuerung“, <lb n="pwe_143.011"/> d. i. Renaissance und Reformation). Wenn <hi rendition="#k">Schneider</hi> bemerkt, die „bewegenden <lb n="pwe_143.012"/> Ideen eines Zeitalters finden Raum, soweit es die Dichtung ist, <lb n="pwe_143.013"/> die sie bewegt haben“, so weist er damit selber hin auf die Unmöglichkeit, <lb n="pwe_143.014"/> von „geistesgeschichtlichen“ Epochenbegriffen zu abstrahieren. Schneider <lb n="pwe_143.015"/> will keine Geistesgeschichte geben und gibt auch keine Stilgeschichte. Dichtungsgeschichte <lb n="pwe_143.016"/> aber als „die Geschichte des Wirksamen, des Siegreichen <lb n="pwe_143.017"/> im Kampf ums Dasein“, als „naturgewollter und naturhafter Vorgang“ <lb n="pwe_143.018"/> dürfte kaum ein Fortschritt sein. Mit der Übernahme geistesgeschichtlicher <lb n="pwe_143.019"/> Epochenbegriffe taucht aber auch wieder das Problem der Interferenz <lb n="pwe_143.020"/> zwischen verschiedenartigen Periodisierungen auf. Allerdings beruhen ja <lb n="pwe_143.021"/> u. U. auch die Unterschiede der Epochen darauf, daß sich die verschiedenen <lb n="pwe_143.022"/> Kulturbereiche anders gruppieren, in verschiedenem Maß zum Antlitz der <lb n="pwe_143.023"/> Literatur beitragen. Aber je weiter hier der Blick gefaßt wird, umso diskutabler <lb n="pwe_143.024"/> werden die Grenzen. Und so wendet sich <hi rendition="#k">Marcel Beck</hi><note xml:id="PWE_143_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_143.038"/> Marcel Beck, <hi rendition="#i">Finsteres oder romantisches Mittelalter.</hi> Zürich 1950.</note> – um <lb n="pwe_143.025"/> auch einen Historiker zu zitieren – im Namen des immer komplexen gesamtmenschlichen <lb n="pwe_143.026"/> „Bios“ gegen eine, vor allem von der Geistesgeschichte <lb n="pwe_143.027"/> betriebene, „fraktionierende, mit Wenden und Umbrüchen operierende <lb n="pwe_143.028"/> Methode“ als gegen ein Hindernis objektiver Betrachtung.</p> <lb n="pwe_143.029"/> <p> Wie sehr das Epochenproblem in das Problem einer <hi rendition="#i">vergleichenden Geschichte <lb n="pwe_143.030"/> der Künste</hi> hineinspielt, wurde bereits ausgeführt. Die überragende <lb n="pwe_143.031"/> Leistung auf dem Gebiet der älteren deutschen Literaturgeschichte<note xml:id="PWE_143_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_143.039"/> Julius Schwietering, <hi rendition="#i">Die deutsche Dichtung des Mittelalters,</hi> Potsdam o. J. <lb n="pwe_143.040"/> (In: <hi rendition="#i">Handbuch der Literaturwissenschaft</hi> herausgegeben von O. Walzel).</note> disponiert <lb n="pwe_143.032"/> nach rein kunstgeschichtlichen Begriffen in Frühromanik, Romanik, <lb n="pwe_143.033"/> Spätromanik und Gotik; auch wenn das im Einzelnen noch so einleuchtend <lb n="pwe_143.034"/> ist, bleibt es störend, wenn damit die literarische „Blütezeit“ nicht selbst <lb n="pwe_143.035"/> eine Epoche ist, sondern auf die Grenze zwischen den Epochen zu liegen <lb n="pwe_143.036"/> kommt. Es ist das z. T. eine Folge der Divergenz zwischen normativer und <lb n="pwe_143.037"/> stilistischer Epochenbildung (auch mit Dante oder Shakespeare zeigt sich </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [143/0149]
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zielbewußt, mehr und mehr anschwellend, vor. Schließlich bricht die Blüte pwe_143.002
durch ... das Wunder tritt ein. Völker und Zeiten ... zehren noch Jahrzehnte pwe_143.003
und Jahrhunderte davon.“ Diese hinkenden botanischen Vergleiche pwe_143.004
lassen allerdings kaum eine grundsätzlich neue Konzeption erkennen. Und pwe_143.005
die acht Epochen, die Schneider von der „altgermanischen Dichtung“ bis pwe_143.006
zur Dichtung im Dienste der Aufklärung unterscheidet, haben denn auch pwe_143.007
nur zum Teil dichtungseigene Namen (z. B. „Dichtung der ersten Blüte“, pwe_143.008
d. h. Stauferzeit, „Dichtung im Zeichen der Unfreiheit“, d. i. Barockzeit), pwe_143.009
wobei Wertendes und Beschreibendes durcheinandergeht; zum Teil ist auf pwe_143.010
Dichtungsfremdes zurückgegriffen („Dichtung der religiösen Erneuerung“, pwe_143.011
d. i. Renaissance und Reformation). Wenn Schneider bemerkt, die „bewegenden pwe_143.012
Ideen eines Zeitalters finden Raum, soweit es die Dichtung ist, pwe_143.013
die sie bewegt haben“, so weist er damit selber hin auf die Unmöglichkeit, pwe_143.014
von „geistesgeschichtlichen“ Epochenbegriffen zu abstrahieren. Schneider pwe_143.015
will keine Geistesgeschichte geben und gibt auch keine Stilgeschichte. Dichtungsgeschichte pwe_143.016
aber als „die Geschichte des Wirksamen, des Siegreichen pwe_143.017
im Kampf ums Dasein“, als „naturgewollter und naturhafter Vorgang“ pwe_143.018
dürfte kaum ein Fortschritt sein. Mit der Übernahme geistesgeschichtlicher pwe_143.019
Epochenbegriffe taucht aber auch wieder das Problem der Interferenz pwe_143.020
zwischen verschiedenartigen Periodisierungen auf. Allerdings beruhen ja pwe_143.021
u. U. auch die Unterschiede der Epochen darauf, daß sich die verschiedenen pwe_143.022
Kulturbereiche anders gruppieren, in verschiedenem Maß zum Antlitz der pwe_143.023
Literatur beitragen. Aber je weiter hier der Blick gefaßt wird, umso diskutabler pwe_143.024
werden die Grenzen. Und so wendet sich Marcel Beck 1 – um pwe_143.025
auch einen Historiker zu zitieren – im Namen des immer komplexen gesamtmenschlichen pwe_143.026
„Bios“ gegen eine, vor allem von der Geistesgeschichte pwe_143.027
betriebene, „fraktionierende, mit Wenden und Umbrüchen operierende pwe_143.028
Methode“ als gegen ein Hindernis objektiver Betrachtung.
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Wie sehr das Epochenproblem in das Problem einer vergleichenden Geschichte pwe_143.030
der Künste hineinspielt, wurde bereits ausgeführt. Die überragende pwe_143.031
Leistung auf dem Gebiet der älteren deutschen Literaturgeschichte 2 disponiert pwe_143.032
nach rein kunstgeschichtlichen Begriffen in Frühromanik, Romanik, pwe_143.033
Spätromanik und Gotik; auch wenn das im Einzelnen noch so einleuchtend pwe_143.034
ist, bleibt es störend, wenn damit die literarische „Blütezeit“ nicht selbst pwe_143.035
eine Epoche ist, sondern auf die Grenze zwischen den Epochen zu liegen pwe_143.036
kommt. Es ist das z. T. eine Folge der Divergenz zwischen normativer und pwe_143.037
stilistischer Epochenbildung (auch mit Dante oder Shakespeare zeigt sich
1 pwe_143.038
Marcel Beck, Finsteres oder romantisches Mittelalter. Zürich 1950.
2 pwe_143.039
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(In: Handbuch der Literaturwissenschaft herausgegeben von O. Walzel).
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