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Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.

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wo es sich um abstrakte Programme und nicht um die konkrete Arbeit an pwe_018.002
der Dichtung selbst handelt. Horst Oppel1 hat 1939 die verschiedenen pwe_018.003
methodischen Positionen der Literaturwissenschaft im Rahmen einer allgemeinen pwe_018.004
Wissenschaftslehre beredet und diskutiert, ohne allerdings ein pwe_018.005
eigenes System zu entwickeln. Er orientiert sich ähnlich wie Pongs am Begriff pwe_018.006
einer existentialistischen Forschung, d. h. "der Erforschung der symbolischen pwe_018.007
Existenz des Dichtwerks", also gleicherweise einer Untersuchung pwe_018.008
des "Lebens der künstlerischen Form", wie der darin zu findenden Gestaltung pwe_018.009
von "Mensch und Menschenwelt in ihren tragenden Kräften, von der pwe_018.010
unaufhebbaren Verzweiflung des Einzelnen bis zur richtenden und ordnenden pwe_018.011
Gewalt des in Volk und Staat verkörperten Miteinanderseins"2. pwe_018.012
Es ist amüsant zu sehen, wie dies von nazistischer Seite3 als überwundener pwe_018.013
Standpunkt eines neugierigen Individualismus abgelehnt wurde, wogegen pwe_018.014
E. Lunding darin einen Verrat am echten Kierkegaardschen Existenzbegriff pwe_018.015
feststellte.

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Hier ist nun auch der Ort, auf das Schicksal der deutschen Literaturwissenschaft pwe_018.017
zwischen 1933 und 1945
einzugehen. pwe_018.018
Vor allem in der germanistischen Wissenschaft ist hier von außen durch pwe_018.019
staatliche Gewalt und von innen durch eine Art Psychose das freie Spiel pwe_018.020
der Kräfte gelähmt worden. Innerhalb einer seit der Neufundierung der pwe_018.021
Geisteswissenschaften besonders im Laufe der 1920er Jahre reich und verwirrend pwe_018.022
entwickelten Fülle der Gesichtspunkte und Methoden bildet sich pwe_018.023
eine mehr oder weniger offizielle, der politischen Macht konforme Richtung pwe_018.024
immer stärker aus. Die Suggestion einer "volkhaften" oder "politischen" pwe_018.025
Orientierung als Gebot der Stunde bemächtigt sich auch ehrenwerter pwe_018.026
Gelehrter; die problematisch gewordene Vielfalt der Gesichtspunkte, die pwe_018.027
in Deutschland typische Überlastung der Geisteswissenschaften mit Metaphysik pwe_018.028
verführt zu einer Überkompensation: man findet im volksmäßigen pwe_018.029
Gedanken den Ausweg und setzt "anstelle des wissenschaftlichen Selbstzwecks pwe_018.030
den Dienst an der Nation" (Heinz Kindermann). Der freiwillige pwe_018.031
"Abbau der Kultur" wird durch äußere Eingriffe verstärkt. Entlassungen, pwe_018.032
Emigration, Drohung, physische Vernichtung zerstören und verfälschen das pwe_018.033
Leben der Wissenschaft vollends.

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Bei dem nun einsetzenden Zwischenspiel einer "volkhaften Literaturwissenschaft" pwe_018.035
oder wie immer sie sich nennt, handelt es sich um zwei

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Horst Oppel, Die Literaturwissenschaft in der Gegenwart. Methodologie und pwe_018.037
Wissenschaftslehre.
Stuttgart 1939.
2 pwe_018.038
Hermann Pongs, Neue Aufgaben der Literaturwissenschaft. DuV 38 (1937) pwe_018.039
1 ff., 273 ff.
3 pwe_018.040
ZfdPh 65 (1940) 194 ff.

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wo es sich um abstrakte Programme und nicht um die konkrete Arbeit an pwe_018.002
der Dichtung selbst handelt. Horst Oppel1 hat 1939 die verschiedenen pwe_018.003
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Wissenschaftslehre beredet und diskutiert, ohne allerdings ein pwe_018.005
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Existenz des Dichtwerks“, also gleicherweise einer Untersuchung pwe_018.008
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Es ist amüsant zu sehen, wie dies von nazistischer Seite3 als überwundener pwe_018.013
Standpunkt eines neugierigen Individualismus abgelehnt wurde, wogegen pwe_018.014
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  Hier ist nun auch der Ort, auf das Schicksal der deutschen Literaturwissenschaft pwe_018.017
zwischen 1933 und 1945
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Vor allem in der germanistischen Wissenschaft ist hier von außen durch pwe_018.019
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der Kräfte gelähmt worden. Innerhalb einer seit der Neufundierung der pwe_018.021
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Leben der Wissenschaft vollends.

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  Bei dem nun einsetzenden Zwischenspiel einer „volkhaften Literaturwissenschaft“ pwe_018.035
oder wie immer sie sich nennt, handelt es sich um zwei

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[18/0024] pwe_018.001 wo es sich um abstrakte Programme und nicht um die konkrete Arbeit an pwe_018.002 der Dichtung selbst handelt. Horst Oppel 1 hat 1939 die verschiedenen pwe_018.003 methodischen Positionen der Literaturwissenschaft im Rahmen einer allgemeinen pwe_018.004 Wissenschaftslehre beredet und diskutiert, ohne allerdings ein pwe_018.005 eigenes System zu entwickeln. Er orientiert sich ähnlich wie Pongs am Begriff pwe_018.006 einer existentialistischen Forschung, d. h. „der Erforschung der symbolischen pwe_018.007 Existenz des Dichtwerks“, also gleicherweise einer Untersuchung pwe_018.008 des „Lebens der künstlerischen Form“, wie der darin zu findenden Gestaltung pwe_018.009 von „Mensch und Menschenwelt in ihren tragenden Kräften, von der pwe_018.010 unaufhebbaren Verzweiflung des Einzelnen bis zur richtenden und ordnenden pwe_018.011 Gewalt des in Volk und Staat verkörperten Miteinanderseins“ 2. pwe_018.012 Es ist amüsant zu sehen, wie dies von nazistischer Seite 3 als überwundener pwe_018.013 Standpunkt eines neugierigen Individualismus abgelehnt wurde, wogegen pwe_018.014 E. Lunding darin einen Verrat am echten Kierkegaardschen Existenzbegriff pwe_018.015 feststellte. pwe_018.016   Hier ist nun auch der Ort, auf das Schicksal der deutschen Literaturwissenschaft pwe_018.017 zwischen 1933 und 1945 einzugehen. pwe_018.018 Vor allem in der germanistischen Wissenschaft ist hier von außen durch pwe_018.019 staatliche Gewalt und von innen durch eine Art Psychose das freie Spiel pwe_018.020 der Kräfte gelähmt worden. Innerhalb einer seit der Neufundierung der pwe_018.021 Geisteswissenschaften besonders im Laufe der 1920er Jahre reich und verwirrend pwe_018.022 entwickelten Fülle der Gesichtspunkte und Methoden bildet sich pwe_018.023 eine mehr oder weniger offizielle, der politischen Macht konforme Richtung pwe_018.024 immer stärker aus. Die Suggestion einer „volkhaften“ oder „politischen“ pwe_018.025 Orientierung als Gebot der Stunde bemächtigt sich auch ehrenwerter pwe_018.026 Gelehrter; die problematisch gewordene Vielfalt der Gesichtspunkte, die pwe_018.027 in Deutschland typische Überlastung der Geisteswissenschaften mit Metaphysik pwe_018.028 verführt zu einer Überkompensation: man findet im volksmäßigen pwe_018.029 Gedanken den Ausweg und setzt „anstelle des wissenschaftlichen Selbstzwecks pwe_018.030 den Dienst an der Nation“ (Heinz Kindermann). Der freiwillige pwe_018.031 „Abbau der Kultur“ wird durch äußere Eingriffe verstärkt. Entlassungen, pwe_018.032 Emigration, Drohung, physische Vernichtung zerstören und verfälschen das pwe_018.033 Leben der Wissenschaft vollends. pwe_018.034   Bei dem nun einsetzenden Zwischenspiel einer „volkhaften Literaturwissenschaft“ pwe_018.035 oder wie immer sie sich nennt, handelt es sich um zwei 1 pwe_018.036 Horst Oppel, Die Literaturwissenschaft in der Gegenwart. Methodologie und pwe_018.037 Wissenschaftslehre. Stuttgart 1939. 2 pwe_018.038 Hermann Pongs, Neue Aufgaben der Literaturwissenschaft. DuV 38 (1937) pwe_018.039 1 ff., 273 ff. 3 pwe_018.040 ZfdPh 65 (1940) 194 ff.

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Zitationshilfe: Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wehrli_poetik_1951/24>, abgerufen am 21.11.2024.