Wehrli, Max: Allgemeine Literaturwissenschaft. Zweite, durchgesehen Auflage. Bern u. a., 1969.pwe_035.001 Als hervorragende Beispiele moderner textkritisch-editorischer Arbeit an pwe_035.015 1 pwe_035.038 W. W. Greg, The editorial problem in Shakespeare. Oxford 1942. 2 pwe_035.039
Des Minnesangs Frühling, neu bearbeitet von Carl von Kraus. Leipzig 1940. pwe_035.040 Carl von Kraus, Des Minnesangs Frühling, Untersuchungen. Leipzig 1939. pwe_035.001 Als hervorragende Beispiele moderner textkritisch-editorischer Arbeit an pwe_035.015 1 pwe_035.038 W. W. Greg, The editorial problem in Shakespeare. Oxford 1942. 2 pwe_035.039
Des Minnesangs Frühling, neu bearbeitet von Carl von Kraus. Leipzig 1940. pwe_035.040 Carl von Kraus, Des Minnesangs Frühling, Untersuchungen. Leipzig 1939. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0041" n="35"/><lb n="pwe_035.001"/> daß nicht nur die Papyrus-Funde die alte Stemmatologie über den <lb n="pwe_035.002"/> Haufen werfen, sondern daß die Verhältnisse nach rückwärts immer komplizierter <lb n="pwe_035.003"/> werden: „Mit der Einheitlichkeit des Textes (war es) wenige <lb n="pwe_035.004"/> Jahrzehnte nach Platon, wenn nicht schon zu seinen Lebzeiten, vorbei“ – <lb n="pwe_035.005"/> worauf dann Jahrhunderte intensiver antiker und byzantinischer „Textmischung“ <lb n="pwe_035.006"/> folgten. Methodisch heißt das eine notwendige Rückkehr zu <lb n="pwe_035.007"/> eklektischer Kritik; die isolierte Lesart im jüngsten und mißachtetsten <lb n="pwe_035.008"/> Codex kann die wahre sein! In kleinerem Maßstab kann dies auch für <lb n="pwe_035.009"/> mittelalterliche Texte gelten, und selbst noch zur Zeit des Buchdrucks gibt <lb n="pwe_035.010"/> es sachlich und methodisch so verwickelte Fälle wie das Werk Shakespeares: <lb n="pwe_035.011"/> es ist mit verschiedenartigen Kanälen der Überlieferung und unter Umständen <lb n="pwe_035.012"/> von Anfang an mit dem Fehlen eines definitiven Urtextes zu <lb n="pwe_035.013"/> rechnen<note xml:id="PWE_035_1" place="foot" n="1"><lb n="pwe_035.038"/> W. W. Greg, <hi rendition="#i">The editorial problem in Shakespeare.</hi> Oxford 1942.</note>.</p> <lb n="pwe_035.014"/> <p> Als hervorragende Beispiele moderner textkritisch-editorischer Arbeit an <lb n="pwe_035.015"/> <hi rendition="#g">mittelalterlichen</hi> Handschriften seien nur zwei Werke aus germanistischem <lb n="pwe_035.016"/> Bereich genannt: Die Ausgabe von <hi rendition="#i">Minnesangs Frühling</hi> durch <lb n="pwe_035.017"/> <hi rendition="#k">Carl von Kraus</hi><note xml:id="PWE_035_2" place="foot" n="2"><lb n="pwe_035.039"/><hi rendition="#i">Des Minnesangs Frühling, neu bearbeitet von</hi> Carl von Kraus. Leipzig 1940. <lb n="pwe_035.040"/> Carl von Kraus, <hi rendition="#i">Des Minnesangs Frühling, Untersuchungen.</hi> Leipzig 1939.</note> bildet, zusammen mit der 1935 erschienenen 10. Auflage <lb n="pwe_035.018"/> der <hi rendition="#i">Gedichte Walthers von der Vogelweide,</hi> das großartige Ergebnis der <lb n="pwe_035.019"/> Lebensarbeit eines glänzenden Kritikers, hinter welcher die Arbeit von <lb n="pwe_035.020"/> Generationen, beginnend mit dem Begründer, Karl Lachmann, steht. Da <lb n="pwe_035.021"/> es sich um verhältnismäßig wenige Sammelhandschriften von Liedern handelt, <lb n="pwe_035.022"/> tritt hier die Stammbaumfrage in den Hintergrund und kann auch <lb n="pwe_035.023"/> nur für das einzelne Lied selber, wenn überhaupt, gültig entschieden werden; <lb n="pwe_035.024"/> ebenso tritt die Frage der Sprachgebung zurück, sofern es sich um <lb n="pwe_035.025"/> sprachlich verwandte Handschriften handelt und eine Rekonstruktion der <lb n="pwe_035.026"/> gesprochenen bzw. beabsichtigten Sprachform der Autoren sowieso zu <lb n="pwe_035.027"/> äußerst hypothetischen Lösungen führen würde. Um so voller kommt die <lb n="pwe_035.028"/> „höhere Kritik“ zu ihrem Recht; selten kann so eindrücklich wie in den <lb n="pwe_035.029"/> <hi rendition="#i">Untersuchungen</hi> Kraus' verfolgt werden, wie ein umfassendes Wissen – <lb n="pwe_035.030"/> über das Sachliche, die Metrik, die Sprachform, den Wortschatz, die <lb n="pwe_035.031"/> Überlieferung, die Paläographie – und, vor allem andern, künstlerischer <lb n="pwe_035.032"/> Takt und Einfühlungsgabe sich verbinden, um in immer neuer <lb n="pwe_035.033"/> Kombination der Argumente kranke oder verdächtige Textstellen zu erkennen <lb n="pwe_035.034"/> und zu heilen, die Fragen der Echtheit, der Strophenfolge, der <lb n="pwe_035.035"/> Strophenzusammengehörigkeit usw. zu entscheiden. Als Beispiel sei etwa <lb n="pwe_035.036"/> die Behandlung Hartmanns von Aue genannt; am Problem, wo im Verse <lb n="pwe_035.037"/> 218, 19 des berühmten Kreuzlieds ein Komma zu setzen sei, wird die </p> </div> </body> </text> </TEI> [35/0041]
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daß nicht nur die Papyrus-Funde die alte Stemmatologie über den pwe_035.002
Haufen werfen, sondern daß die Verhältnisse nach rückwärts immer komplizierter pwe_035.003
werden: „Mit der Einheitlichkeit des Textes (war es) wenige pwe_035.004
Jahrzehnte nach Platon, wenn nicht schon zu seinen Lebzeiten, vorbei“ – pwe_035.005
worauf dann Jahrhunderte intensiver antiker und byzantinischer „Textmischung“ pwe_035.006
folgten. Methodisch heißt das eine notwendige Rückkehr zu pwe_035.007
eklektischer Kritik; die isolierte Lesart im jüngsten und mißachtetsten pwe_035.008
Codex kann die wahre sein! In kleinerem Maßstab kann dies auch für pwe_035.009
mittelalterliche Texte gelten, und selbst noch zur Zeit des Buchdrucks gibt pwe_035.010
es sachlich und methodisch so verwickelte Fälle wie das Werk Shakespeares: pwe_035.011
es ist mit verschiedenartigen Kanälen der Überlieferung und unter Umständen pwe_035.012
von Anfang an mit dem Fehlen eines definitiven Urtextes zu pwe_035.013
rechnen 1.
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Als hervorragende Beispiele moderner textkritisch-editorischer Arbeit an pwe_035.015
mittelalterlichen Handschriften seien nur zwei Werke aus germanistischem pwe_035.016
Bereich genannt: Die Ausgabe von Minnesangs Frühling durch pwe_035.017
Carl von Kraus 2 bildet, zusammen mit der 1935 erschienenen 10. Auflage pwe_035.018
der Gedichte Walthers von der Vogelweide, das großartige Ergebnis der pwe_035.019
Lebensarbeit eines glänzenden Kritikers, hinter welcher die Arbeit von pwe_035.020
Generationen, beginnend mit dem Begründer, Karl Lachmann, steht. Da pwe_035.021
es sich um verhältnismäßig wenige Sammelhandschriften von Liedern handelt, pwe_035.022
tritt hier die Stammbaumfrage in den Hintergrund und kann auch pwe_035.023
nur für das einzelne Lied selber, wenn überhaupt, gültig entschieden werden; pwe_035.024
ebenso tritt die Frage der Sprachgebung zurück, sofern es sich um pwe_035.025
sprachlich verwandte Handschriften handelt und eine Rekonstruktion der pwe_035.026
gesprochenen bzw. beabsichtigten Sprachform der Autoren sowieso zu pwe_035.027
äußerst hypothetischen Lösungen führen würde. Um so voller kommt die pwe_035.028
„höhere Kritik“ zu ihrem Recht; selten kann so eindrücklich wie in den pwe_035.029
Untersuchungen Kraus' verfolgt werden, wie ein umfassendes Wissen – pwe_035.030
über das Sachliche, die Metrik, die Sprachform, den Wortschatz, die pwe_035.031
Überlieferung, die Paläographie – und, vor allem andern, künstlerischer pwe_035.032
Takt und Einfühlungsgabe sich verbinden, um in immer neuer pwe_035.033
Kombination der Argumente kranke oder verdächtige Textstellen zu erkennen pwe_035.034
und zu heilen, die Fragen der Echtheit, der Strophenfolge, der pwe_035.035
Strophenzusammengehörigkeit usw. zu entscheiden. Als Beispiel sei etwa pwe_035.036
die Behandlung Hartmanns von Aue genannt; am Problem, wo im Verse pwe_035.037
218, 19 des berühmten Kreuzlieds ein Komma zu setzen sei, wird die
1 pwe_035.038
W. W. Greg, The editorial problem in Shakespeare. Oxford 1942.
2 pwe_035.039
Des Minnesangs Frühling, neu bearbeitet von Carl von Kraus. Leipzig 1940. pwe_035.040
Carl von Kraus, Des Minnesangs Frühling, Untersuchungen. Leipzig 1939.
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